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Das bleibt in der Familie.

Nachthimmel und SterneEs ist tiefste Nacht und ich liege, Arm in Arm mit meinen Töchtern im Garten, die Augen zum Sternenhimmel gerichtet. „Seit hunderten, vielleicht tausenden Jahren zieht da oben ein Komet seine Bahn um die Sonne und zerfällt langsam. Einmal im Jahr kreuzen wir seine Bahn und…“

Aufgeregter Zwischenruf: „Papa, da ist eine Sternschnuppe!“

„Schnell, wünsch dir etwas!“

Solche Abende lassen mich wehmütig werden. Ich habe ein paar innere Baustellen. Verhaltensmuster und Gedankenkonstrukte, die tief in mir verankert sind und immer wieder an mir nagen.

In Susanne Abels wirklich mitreißendem Buch „Stay Away from Gretchen“ (Link) bin ich neulich über den Begriff der transgenerationalen Übertragung gestoßen. In dem Roman ergründet der Mitvierziger Tom die Kriegs- und Nachkriegserlebnisse seiner dementen Mutter Greta. In zwei parallelen Handlungssträngen verfolgt man einerseits Alltag, Stress und Beruf von Tom aber auch die Lebensgeschichte Gretas, beginnend in den 1930er Jahren.
Eher am Rande wird Tom mit der transgenerationalen Übertragung konfrontiert, also der Frage, wie die traumatischen Erlebnisse seiner Eltern nicht nur deren eigenes Leben geprägt, sondern auch in sein eigenes Handeln und Denken geformt haben.

An vielen Stellen hat mich das Buch sehr angerührt, denn es schien ein Stück weit nicht nur die Geschichte meiner Großeltern zu erzählen, sondern auch die anderer Menschen, die mir jeden Tag fehlen.

Interessanterweise bin ich diese Woche, beim Querlesen des Buches „Das bleibt in der Familie“ von Sandra Konrad (Link) erneut über den obigen Begriff gestolpert. Der Titel hat mich gleichermaßen fasziniert und abgeschreckt, assoziiert habe ich ihn krass negativ und fühlte mich erinnert an Deborah Feldmanns schaurigen Bericht über den Ausstieg aus ihrem ultraorthodoxen Leben (Link).

Konrad setzt die transgenerationale Übertragung ins Zentrum ihres Buches: Wir erben viel (Gutes) von unseren Eltern – aber auch die übertragenen Probleme, die wir ein Leben lang mit uns herumschleppen.

Obwohl ich eine eher unbeschwerte, ziemlich behütete Kindheit hatte, finde ich Ansatzpunkte bei mir selbst wieder.  Dinge, die an mir nagen. Als ich meiner Frau berichte, dass ich einen neuen Begriff gelernt habe, verweist sie mich freundlich auf die Bibel.

Als ob es das damals schon…“ setze ich an.

Sie erzählt mir die Geschichte eines Blinden, der zu Jesus kommt. Aber in dem Bericht geht es nicht um sein Leid oder wie Jesus ihn jetzt genau sehend macht – das ist alles nicht so wichtig. Die erste Frage, die die Jünger stellen, ist, ob er das selbst verbockt hat, oder seine Eltern, oder seine Elterseltern.

Nachthimmel und Sterne, Sternschnuppe, PerseidenDie gleichen Sorgen. Die gleichen Verhaltensmuster, Gedankenkonstrukte. Die gleichen Kämpfe. Transgenerationale Übertragung.

Welche Fesseln binde ich meinen eigenen Kindern auf? Welche Erwartungen und Verhaltensmuster bringe ich ihnen entgegen und wie formt sie das?

Einiges erahne ich jetzt schon. Manches bereitet mir Sorgen.

„Wünschst du dir auch was, Papa?“, fragt meine wunderbare Sechsjährige, ohne die Augen vom Nachthimmel abzuwenden.

Ja. Ich wünsche mir auch etwas.


Nachtrag: Die Fotos wurden geschossen mit einem Samsung Galaxy Fold 2, Kamera-Einstellung „Pro“; Belichtungszeit 15 Sekunden. Einige zu Amazon führende Links sind sogenannte „Affiliate Links“, die nichts am Einkaufspreis für dich ändern, aber helfen diese Homepage zu finanzieren. Bezahlte Beiträge oder Sponsored Posts gibt es bei mir nicht. Ich erzähle aus meinem Alltag.

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