„Herr Klinge? Yusef, Christian und Zafer kommen heute bestimmt wieder etwas später. Die sind zu Fuß gegangen.“
Ich knirsche genervt mit den Zähnen. Die Jungs kommen gerne auf die letzte Sekunde – gerne auch mal ein oder zwei Minuten zu spät. Dabei strahlen sie eine Mischung aus Laissez-faire und leichter Arroganz aus. Würden sie mit Hemd und Krawatte kommen: Es würde zum Auftritt passen. „Bleib ma locker!“
Doch heute habe ich genug: Kurzentschlossen schließe ich den Klassenraum von innen ab, die Kinder machen die Vorhänge zu. Wenige Worte später sind alle absolut still. Lautlos verteilen wir die Corona-Tests. Hier und da wird unterdrückt gekichert. Jeder weiß, was gleich passiert.
Und tatsächlich: Eine Minute nach 8 klopft es von außen an die Tür. Erst höflich, dann empört. „Herr Klinge! Wir wissen, dass Sie da drin sind!“
Niemand rührt sich. „Aufmachen!“ Das Theater draußen geht weiter. „Herr Klinge? Herr Klinge! Hier ist die Polizei! Aufmachen!“
Innerlich rolle ich mit den Augen. Diese Pappnasen! Die Ohren sollte man ihnen lang ziehen für ihr Verhalten. Gleich muss ich raus und sie anranzen. Aber ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen.
„Großer Gott! Herr Klinge! Der Zafer zieht ein Messer! Kommen Sie schnell!“
Ich kann nicht mehr. Ich muss raus, damit sie mit ihrem Geschrei nicht noch länger andere Klassen stören. Es kostet mich viel Kraft, einigermaßen böse zu gucken – aber innerlich möchte ich alle drei herzen und schütteln und liebhaben und ihnen die Ohren lang ziehen.
Es sind diese Momente. Diese kostbaren Momente.