Letzte Tage vor den Ferien sind oft mühsam. Lehrkräfte, die eisern ihren Stoff durchziehen werden von den Kindern nicht geliebt. Aber auch wenn man einen Film guckt, spiegeln einem manche Schüler*innen, wie öde sie nun ausgerechnet diesen Film finden. Wandern? Buh! Klettern? Muss das sein?
Mit meiner wunderbaren Co-Klassenlehrerin haben wir zuletzt einen bunten Mix aus allerlei gemacht. Mal einen Film geguckt, mal gewandert. Immer gab es ein paar Nasen, die genau das nicht wollten und dies auch zum Ausdruck brachten. Siebte Klasse. Sommerferien vor der Tür. Seit zwei Jahren Corona und Masken und Stress. Die haben noch kein einziges „normales“ Schuljahr bei uns erlebt.
Eine Kollegin unserer Schule, gleichzeitig bei der Freiwilligen Feuerwehr arbeitet, hat sich bereiterklärt, unsere Klasse einen Tag lang durch einen erste Hilfe-Kurs zu führen.
Ganz spannend die Betrachtung, wenn man einen Schritt zurückgeht: 30 Kinder und eine Ausbilderin sind eine schlechte Kombination. Fünf Stunden Erste-Hilfe-Kurs ist eine Herausforderung für jeden, ganz besonders für eine siebte Klasse, ganz besonders drei Tage vor den Sommerferien.
Wie geht man so etwas so an, dass einem die Kinder nicht über Tische und Bänke steigen? Wie, dass man hinterher nicht mit schlechtem Gefühl (weil die Unruhe immer weiter steigt und man ständig ermahnen muss) aus dem Kurs hinausgeht? Spannend.
Meine Co und ich haben auf dem Schulhof einen Autounfall simuliert und unsere Wagen zärtlich ineinandergeschoben. Anschließend Warnblinker an und uns bewusstlos in die Gurte fallen lassen. Später durfte jedes Kind retten und gerettet werden. Verbände, stabile Seitenlage, Notruf. Alles war mit dabei.
Und auch die Betrachtung der Verhaltensweisen der Kinder ist spannend: Wie gehen sie mit scheinbar dummen Fragen um? Wer traut sich nicht an die Herz-Druck-Massage heran und dann – nach dem Zuspruch der Klasse – vielleicht doch?
Wie haben die sich in den letzten drei Jahren verändert? Welche Entwicklungen sind zu spüren? Wer muss noch einen weiten Weg gehen, wer ist schon ziemlich weit?
Heute sind wir gewandert. Das stößt bei einigen Kindern auf besonders wenig Gegenliebe und erst im Verlauf der Wanderung hört man dann ein „Ach, vorher ist es immer blöd – aber dann genießt man es doch.“
Das Wetter war großartig und die Wiesen und Wälder luden immer wieder zum Picknicken ein. Es wurde Fußball gespielt und Frisbee geworfen. Außerdem habe ich den Kindern beigebracht, wie man auf Grashalmen pfeifen kann – und wurde schon nach wenigen Minuten überflügelt.
Aufregendes Detail: Wir haben den Schädel eines Schafes gefunden. Mit meiner sonoren Dokumentarfilmer-Stimme erklärte ich den Kindern beiläufig, dass sie bestimmt wüssten, dass man bei einer Muschel das Rauschen des Meeres höre, wenn man sie ans Ohr hielte („Ja, klar! Herr Klinge! Weiß doch jeder!“). Aber ob sie denn auch wüssten, dass etwas ähnliches geschehe, wenn man einen Schädel an sein Ohr hält: „Dann hört man ganz leise noch das letzte Atmen des Tieres, seine Seele sozusagen.“
Große Augen. Zweifel. Aber doch ein Mutiger, der sich den Schädel ans Ohr hielt….
…und ich wie von der Tarantel gestochen aus Leibeskräften schrill losKREIIIIIIIIIIIIISCHTE.
Alle erschraken, der Junge warf den Schädel in hohem Bogen davon. Dann erleichtertes Gelächter. „Ich wußte es!“ Alle versichern sich und den anderen, dass sie sich gar nicht erschrocken hätten.
Jaja, klar.
Morgen gibt es noch Zeugnisse und ich muss mich von der Klasse und meiner Co-Klassenlehrerin verabschieden. Das tut richtig weh, wenn wir waren ein Mega-Gespann. Ab dem kommenden Schuljahr geht es für mich zurück in die 5.
Neue Namen, neue Gesichter. Alte Gruselgeschichten.
Ich freu mich drauf.