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Mehr Gehalt? Was Lehrkräfte wirklich wollen.

In einem Interview mit der Mediengruppe Bayern hat der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens vor einigen Tagen erneut gefordert, die Besoldung von Lehrkräften zu verbessern, um mehr junge Menschen für den Beruf zu gewinnen [Quelle]. Ich halte diese Betrachtungsweise für kurzsichtig, um nicht zu sagen, falsch.

Worum geht es im Hintergrund?

Lehrkräfte werden in vielen Bundesländern unterschiedlich besoldet. Lehrkräfte für Grundschulen und die Sekundarstufe (5.-10. Klasse) werden oft mit der Besoldungsstufe A12 eingestellt, solche die auch in der Oberstufe unterrichten mit A13. Funktionsstellen werden manchmal mit einer höheren Stufe vergütet, manchmal auch nicht. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung NRW steht (soweit ich das im Kopf habe), dass zukünftig alle Lehrkräfte mit gleichem Studium (also Master-Studiengang) auch gleich besoldet werden sollen: A13. Angestellte höheren Semesters, die noch ein Staatsexamen gemacht haben, trifft die Regelung nicht. Darüber hinaus gibt es aber noch mehr Ungleichheit, weil viele Lehrkräfte nur „angestellt“ und nicht verbeamtet sind – sie verdienen deutlich weniger als ihre Kolleg*innen.

Geld ist ein schlechter Motivator

Gas, Strom, Lebenserhaltung – ich muss gar nichts weiter schreiben. Trotzdem verdienen Lehrkräfte nicht schlecht. Auch in der freien Wirtschaft muss man ganz schön leisten, um auf das sichere Gehalt einer Lehrkraft zu kommen – ganz zu schweigen von den Beförderungsstellen insb. an Gymnasien, die z.T. mit A15 besoldet werden und vor dem Hintergrund, dass als Beamter deutlich mehr Netto vom Brutto bleibt.

Aber: Geld ist ein schlechter Motivator, der auch nur kurzfristig zieht. Das ist keine wirkliche Neuigkeit. Auch wenn persönliche Evidenz selten aussagekräftig ist: ich kenne weder Lehrkräfte, die „wegen des Geldes“ den Beruf ergriffen haben, noch Nicht-Lehrer die gesagt haben: „Mensch, wäre genau mein Ding – aber die Bezahlung ist einfach unterirdisch.“

Dem Deutschen Lehrerverband zufolge fehlen im kommenden Schuljahr 40.000 Lehrkräfte. In Hessen, wo alle Lehrkräfte mit A13 eingestellt werden, fehlen trotzdem tausende Lehrer – noch absurder: Über 7500 haben nur befristete Verträge, müssen sich also bspw. über die Sommerferien arbeitslos melden.

Was Lehrkräfte wirklich wollen

LehrkräfteIn meiner 5. Klasse sitzen neben vielen Mädchen und Jungen auch ein Schulbegleiter, also ein Erwachsener, der einem der Kinder durch den Tag hilft. Viele der Kinder kennt er schon aus der Grundschule und die wenden sich ganz selbstverständlich bei Fragen und Problemen an ihn. Während der Lernbüros läuft er umher und hilft hier und dort, teile ich Arbeitsblätter aus, teilt er mit aus und als neulich ein Mädchen auf dem Schulhof einen Schwächeanfall erlitt, beaufsichtigte er die ganze Klasse, so dass ich mich um das eine Kind kümmern konnte. Diskutieren die Jungs zu wild, tippt er schonmal einem auf die Schulter. Kommt jemand in Mathe nicht weiter, gibt er Hilfestellung.

Ich bin nie so entspannt, wie in diesen Stunden. Einen weiteren Erwachsenen im Raum zu haben, der den „Lernraum Schule“ aktiv gestalten will, ist eine unfassbare Erleichterung.

Klar würde ich mich über 200 € mehr im Monat freuen. Aber meine Arbeitsbelastung sinkt dadurch kein bisschen – nur das „Schmerzensgeld“ wird höher. Wollen wir wirklich junge Menschen für diesen Beruf gewinnen, dann müssen die Arbeitsbedingungen besser werden.

Das bedeutet zuallererst kleinere Klassen!
Wer auch nur einmal im Leben einen Kindergeburtstag organisiert hat, weiß, dass es einen Unterschied zwischen einer Party mit acht Kindern und einer mit 20 gibt. In einer 60 Minuten Stunde habe ich bei 30 Kindern genau 2 Minuten Zeit pro Kind. Halte ich universitäre Vorlesungen, ist das kein Problem. Soll ich auch erziehen, inkludieren und integrieren, dann brauche ich Zeit. Viel Zeit!
Und der erste Schritt besteht nicht darin, dass man die Klassen verkleinert – das geht ohne Personal natürlich nicht so einfach und das fehlt ja gerade.
Aber man kann in einem ersten Schritt den Personalschlüssel hochsetzen und dadurch Schulen erstmal in die Lage versetzen, überhaupt Leute dauerhaft und mit Perspektive einzustellen.

Die meisten Lehrkräfte können mit schlechter Ausstattung leben. Mit untauglichen Dienstgeräten. Mit renovierungsbedürftigen Schulen. Die meisten von uns sind Improvisationskünstler, die ihr Leben lang das Beste aus der Situation machen. Der Job wird nicht attraktiver, nur weil man uns ein iPad hinknallt. Oder die Flure renoviert.

Aber TeamTeaching bedeutet, dass ich auch mal zwei Minuten durchatmen kann. Es bedeutet, dass Vertretungsbedarf in der Schule besser aufgefangen wird – und bei einem Kollegium mit 80 Leuten sind immer (!) 3-5 krank und fallen aus. (Und im Unterschied zu vielen anderen Berufen können die ausfallenden Arbeitsstunden nicht verschoben werden wie Akten, die man dann eine Woche später bearbeitet – die Stunden müssen augenblicklich und vollständig durch die anderen Lehrkräfte geschultert werden.) Mehr Personal bedeutet am Ende kleinere Klassen, mehr Zeit für die Kinder und eine höhere Qualität von Schule.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Fokus von Herrn Wüst darauf läge. Aber warum sollte er auch mich fragen  – meine politische Arbeit tue ich ja auch in Rheinland-Pfalz, wo ich mich bereits nächste Woche wieder im Rathaus einfinden werde.

8 Gedanken zu „Mehr Gehalt? Was Lehrkräfte wirklich wollen.“

  1. Bei uns arbeitet die Hälfte der Kolleg:innen in mehr oder weniger ausgeprägter Teilzeit. Viele nicht um mehr Freizeit zu haben, sondern um die normale Arbeit zu schaffen. Eine Reduzierung der Unterrichtszeit wäre also auch eine Möglichkeit

  2. Hallo!
    ich gebe dir Recht. A13 (Netto ca. 240€ mehr)würde ich liebend gerne gegen bessere Arbeitsbedingungen tauschen. Das sage ich, obwohl wir überdurchschnittlich gut ausgestattet sind: nur 5% unterbesetzt, i.d.R. 26er Klassen, überdurchschnittlich gute technische Ausstattung.
    Aber ich gehe als Klassenlehrer Klasse 5 auf dem Zahnfleisch: von meinen (nur) 24 Kindern habe ich:
    1x UkrainerIn mit neurologischen Schäden,
    1x Förderschwerpunkt Lernen
    5x Diagnostiziertes ADHS
    1x Förderschwerpunkt ESE + Intelligenz „GB“ (=geistige Behinderung)
    1x Förderschwerpunkt Sprache + ESE

    Ich habe keine I-Kraft, die sind bei uns total schwierig zu bekommen und sind selten länger als 6 Monate da, bis dann mit einer Übergangszeit x ein Ersatz für das Kind kommt.
    Eine Doppelbesetzung habe ich 1x die Woche für die Klassenlehrerstunde, wobei die bisher in 3/4 der Fälle zwecks Vertretung aufgelöst wurde.

    Ich hätte auch gerne mehr Zeit für die Kinder, die ich oben nicht aufgezählt habe:
    Den Jungen, dessen Eltern gerade in einer schwierigen Scheidung stecken, dem Mädchen mit dem geringen Selbstwertgefühl, dem Jungen, der 3 Minuten meiner Aufmerksamkeit benötigt um Mathe zu verstehen, ich sie ihm aber Aufgrund der anderen aber einfach nicht zukommen lassen kann.

  3. Also, beim Gehalt bin ich bei dir – bei kleineren Klassen natürlich auch. Aber die Sache mit der Ausstattung… Nicht nur, dass es – als es endlich Dienstgeräte gab – natürlich nur die kleinsten, billigsten iPads – wahlweise mit Cover ODER 128GB statt 64, aber immer ohne Stift – gab, auf denen man sich mit meinen Fächern bestenfalls die Augen verdirbt, nein: Hier oben bei uns im Norden gibt es Gebäude, die hätte der Landkreis als Gewerbeaufsicht schon lange dicht gemacht, wenn sie privat wären. Bei sich selbst drückt er aber die Augen zu: Da gibt es keine Brandschutzanlagen, Dachziegel fallen von den Dächern, die iPad-Klassen funktionieren mangels W-Lan nicht, Fenster können nicht zum Lüften geöffnet werden, weil sie zugeschraubt wurden, dafür wird es durch Flachdach und mangels Dämmung im Sommer heiß. Und weil allen Gassparappellen zum Trotz die Heizung auch im Juli läuft, weil sonst unsicher ist, ob sie im Winter wieder angeht. Und ich finde, da spiegelt sich – von Seiten der Schulträger – eine mangelnde Wertschätzung (von Lehrer:innen wie vor allem von Kindern!) wider; und von Seiten des Dienstherrn eine mangelnde Erfüllung der Fürsorgepflicht. Da könnte das Land auch hergehen und sagen: Wenn sich die Kreissparklasse als völlig überflüssige und unzeitgemäße Einrichtung einen vollklimatisierten Neubau mit Doppelfassade, dreistöckigem Echtholzfoyer und Cor-Möbeln für 30 Millionen genehmigt, dann sind eure Schulen in drei Jahren so und so ausgestattet, sonst unterrichten unsere Leute da nicht mehr. Das wäre für mich respektvoller Umgang mit Lernpersonal und Lernenden. Dasselbe gilt für Kitas und Krippen. Die skandinavischen Länder schaffen das ja auch.

  4. Mehr Bezahlung ist halt billiger als kleinere Klassen oder bessere Arbeitsbedingungen. Für 200 Euro mehr im Monat lassen sich diese nur wenig verbessern, glaube ich. Andererseits: Bei einer großen Schule wären das vier Lehrkräfte mehr, oder noch mehr Assistenzkräfte (wenn es so etwas gibt; bei uns nicht). Man könnte bei der Bürokratie und den Notenvorschriften anfangen, das kostet kein Geld, ist aber wohl je nach Bundesland unterschiedlich ausgeprägt. Ich würde auf Geld verzichten, wenn ich weniger Prüfungen schreiben müsste.

  5. Ich fürchte auch, dass sich die Ansichten der verschiedenen Lehrkräfte zumindest teilweise unterscheiden. Mit der Belastung durch Prüfungen kann ich beispielsweise ganz gut leben (das hängt aber sicher auch von den Fächern ab), ich wäre also nicht so glücklich, wenn mir nun Prüfungen erlassen würden und ich dafür zum Ausgleich weniger Gehalt bekäme, was ja zudem die Bewertung schwieriger macht.

    Und wenn man mich vor die Wahl stellen würde, ob ich lieber mehr Geld bei gleichem Deputat verdienen würde oder lieber gleich viel Geld bei verringertem Deputat (sofern beides äquivalent ist), dann würde ich mich eher für die erste Variante entscheiden. Denn da habe ich dann später immer noch die Wahl, ob ich wirklich Vollzeit arbeite oder bei entsprechender Belastung eben doch um 8 % reduziere. Die Möglichkeit, das Deputat zu erhöhen, um mehr Geld zu verdienen, hat man ja in der Regel nicht.

    Bei der Ausstattung wäre aus meiner Sicht vor allem wichtig, dass diese Aufgabe vom Land oder noch besser vom Bund übernommen wird. Denn das Hauptproblem ist hier meiner Ansicht nach, dass finanzstarke Kommunen oder Landkreise es sich noch eher leisten können, die Schulgebäude einigermaßen in Schuss zu halten, Materialien für Schüler und Lehrer zu finanzieren oder für eine etwas großzügigere Versorgung mit sonstigem Personal zu sorgen, als finanzschwache Kommunen oder Landkreise, was zu einem großen Ungleichgewicht führt.

    Über kleinere Klassen würde ich mich natürlich auch immer freuen, andererseits fürchte ich eben auch, dass die Kosten dafür deutlich höher wären als die Kosten, die durch höhere Gehälter entstehen – sofern man die Klassengrößen spürbar verringert. Nehmen wir beispielsweise eine Schule, die bei einem Klassenteiler von 30 lauter Jahrgänge zwischen 76 und 90 Schülern hat und damit 3 Klassen pro Jahrgang. Senkt man nun den Klassenteiler auf 25, so müssen in allen Jahrgängen 4 Klassen gebildet werden, was zu einem zusätzlichen Personalbedarf von 33 % führt. Das kostet wesentlich mehr als eine kleine Gehaltserhöhung für alle.
    Hinzu kommt, dass das auch nur dann funktioniert, wenn es überhaupt potentielle Bewerber für die zusätzlichen Stellen gibt. In manchen Bereichen (z.B. Deutsch oder Englisch an Gymnasien) wäre das wahrscheinlich möglich, aber in anderen (z.B. Mangelfächer an Gymnasien wie Physik oder Kunst; Grundschullehrkräfte) würde es schwierig.
    Eventuell sind auch die Gebäude gar nicht dafür ausgelegt; denn die ganzen zusätzlichen Klassen, die in meinem Beispiel entstehen würden, müssen ja auch irgendwo hin. So viele freie Räume haben viele Schulen wahrscheinlich nicht.

    Andererseits: Wenn man nicht irgendwann mit etwas anfängt, kommt man eben auch nicht voran.

    Maßnahmen, die relativ rasch umgesetzt werden könnten und nicht all zu viel kosten, wären folgende:
    Lehrkräfte, die Sonderaufgaben übernehmen, sollten dafür eine angemessene Anzahl von Entlastungsstunden bekommen. Ich will lieber nicht wissen, wieviel Zeit beispielsweise unser Netzwerkadministrator investiert, um das Schulnetz am laufen zu halten, aber es ist sicher mehr als die eine (oder anderthalb?) Entlastungsstunden, die er dafür im Deputat bekommt.
    Die Lehrerversorgung an den Schulen sollte zumindest nicht so knapp bemessen sein, dass krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Ausfälle einzelner Kolleginnen und Kollegen sofort zu Lücken führen, die dann andere durch Mehrbelastung stopfen müssen.
    Bei diversem „Papierkram“ sollte auch hinterfragt werden, ob der wirklich nötig ist.

  6. Danke, Jan-Martin!
    kann ich alles voll unterstützen. Auch wenn ein Ortszuschlag für Lehrkräfte in München ganz schnieke wäre. Oder eine vollständige steuerliche Absetzung eines Arbeitszimmers. Ist in einer Großstadt definitiv ein Faktor.

  7. Hallo, in Hessen werden leider nicht alle Lehrkräfte mit A13 eingestellt. Komme gerade von einer Veranstaltung, in der es um „A13 für professionelle Grundschulpädagogik“ ging. Hessen ist eines der inzwischen wenigen Bundesländer mit A12 für Grundschullehrkräfte in Verbindung mit einer hohen Pflichtstundenzahl von 28,5.
    Das Hoffen auf eine Änderung dauert schon sehr lange…

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