Obwohl ich viel Zeit und noch mehr Liebe aufgewendet habe, um mein Büro mit uralten Deko-Büchern und einer guten Flasche Wein zu einem zweiten zu Hause zu gestalten, komme ich kaum zum konzentrierten Arbeiten.
Obwohl…
Eigentlich das ist vielleicht falsch ausgedrückt: Ich kann in diesem Büro sehr gut arbeiten – aber nur eine ganz bestimmte Form von Arbeit: Tagesgeschäft. Hingegen alles, was Ruhe und eine längere Phase der Konzentration erfordert, ist in der Schule nicht möglich.
Anfragen von Eltern, die einen Schulplatz suchen und entweder persönlich vorbeikommen, anrufen oder mir eine Mail schreiben (allein gestern sechs Kinder). E-Mails von der Stadt. Rechnungen die beglichen wollen werden. Rückfragen zu Bestellungen und Klassenfahrten. Beratungsgespräche mit Kolleg*innen (oft in Springstunden oder Pausen) und kleine Hilfegesuche von Schülerinnen und Schülern (eher in den Pausen). Dann klingelt das Telefon und eine andere Schule meldet sich und hat eine Rückfrage zum Thema XY. Selbst an Tagen, an denen ich mal gar keinen Unterricht habe, komme ich nicht vor 15 Uhr aus der Schule. Es ist oft unsichtbare Arbeit, die nur sekundär mit dem zu tun hat, was man unter „Schule“ versteht.
Das geht uns als gesamtem Schulleitungsteam so und ist bei uns nicht anders, als an allen anderen (größeren) Schulen auch. Thomas Kuban hat mal sinngemäß geschrieben: „Morgens habe ich einen Stapel von Aufgaben und nach einem langen Arbeitstag ist dieser Stapel noch größer geworden.“
Das Problem ist, dass man den Laden nur noch „am Laufen hält“, aber nicht Zeit, noch Ruhe oder Muße findet, strukturell zu arbeiten. Unser gewaltiges Schulkonzept, mit dem wir vor anderthalb Jahren unser gesamtes Schulprogramm auf links gedreht haben, kann immer noch an allen Ecken und Enden besser werden. Rückmeldungen des Kollegiums sind wahrgenommen – aber es gibt keinen Raum, wirklich daran zu arbeiten. Das Tagesgeschäft gibt schlicht keine Ruhe. Langfristig führt das zu Unzufriedenheit – bei uns selbst und auch dem Kollegium: „Wieso tut die Schulleitung eigentlich nix?“
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, haben wir uns zwei Tage lang in Klausur begeben: Sechs Ortschaften weiter in einem ländlichen Hotel zwischen Kühen, Feldern und Weiden Tagungsraum und Zimmer gebucht und uns rausgenommen. Von morgens bis abends Uhr diskutiert, geplant, geredet. Zwischendurch mit dem Lehrerrat gesprochen. Weiter geplant.
Abends falle ich todmüde ins Bett (das Schreiben hilft mir beim Verarbeiten).
Morgen nochmal das gleiche Programm, mit etwas anderen Schwerpunkten.
Nach der Klassenfahrt letzte Woche würde ich diese zwei Tage als echte Belastung empfinden, wenn die Arbeit in diesem Team nicht so wahnsinnig viel Spaß machen würde. Immer wieder denke ich, dass ich genau am richtigen Ort bin. Ich darf etwas bewegen. Ich darf Schule gestalten und unterrichten und mit Erwachsenen und Kindern arbeiten und (tatsächlich) Leben verändern.
Und wenn ich zwischendurch die Gelegenheit bekomme, in Ruhe zu reflektieren, was ich (und wir) da eigentlich mache und warum und wie es besser geht – dann kann ich mir eigentlich nicht mehr wünschen.