In diesem Sommer feiern meine Frau und ich unseren 20. Hochzeitstag. Nach all den Jahren gewöhnt man sich aneinander, wächst zusammen und entwickelt gemeinsame und getrennte Vorlieben. Man kennt die Lieblingsfilme und Lieblingsgerichte jedes Familienmitglieds und weiß, welche Dinge eher nicht nochmal auf den Tisch kommen. Man kennt die Stärken und Schwächen des anderen und kann oft in Ton und Mimik erkennen, wie es dem jeweils anderen geht.
In manchen Bereichen bleiben wir jedoch einander fremd.
Wohnte ich ein Single-Leben alleine, würde ich mich wohl an fünf von sieben Abenden in der Woche mit einem kalten Butterbrot begnügen und mir am siebten Tag, dem Sonntag, eine Fertigpizza in den Ofen schieben. Ich bin, was Essen angeht, völlig anspruchslos und genügsam. Ein Teller mit Nudeln und ich bin glücklich. Das ist auf mehr als nur eine Weise ein mentales und kulinarisches Armutszeugnis.
Erschwerend kommt hinzu, dass meine Frau kochen kann. Also, wirklich kochen. Insgeheim träumt sie davon, ein kleines Restaurant zu führen und muss sich mit drei quengelnden Kinder und einen eindimensionalen Ehemann herumschlagen.
Weil meine Frau so gut kocht, haben es Restaurants in unserem gemeinsamen Eheleben schwer: Zu Hause schmeckt es eigentlich immer besser – ich brauche keinen gedämpften Kuskus-Auflauf, ich möchte gerne Käsenudeln haben. Und um meine Frau zu beeindrucken, muss eine Küche schon einiges aufbieten – nicht umsonst haben wir eine familiäre Tradition enttäuschender Restaurantbesuche. So schafft es meine Frau nur selten, mich zu überreden, gemeinsam Essen zu gehen.
Weil es in unserem südfranzösischen kleinen Dorf aber ein Sternerestaurant gibt, habe ich mich bereitwillig so breitschlagen lassen, wie der Eiweißschaum rund um mein Schwarzwurzel-Soufflé.
Und während meine Frau jeden Bissen genießt, auf der Zunge zergehen lässt und praktisch jede einzelne Zutat erkennt, ist das alles für mich ein völliges Rätsel. Ich erkenne diese Form des Essens als Kunst an, essbare Kunst, ja, aber davon ab..? Es schmeckt absonderlich. Nichts davon wird mir im Gedächtnis bleiben, außer vielleicht dem Preis.
Meine Freude beschränkt sich darauf, meiner Frau beim Genießen zuzusehen – auch, wenn ich nichts davon verstehe.
Auch nach zwanzig Jahren Ehe bleiben wir, in manchen Dingen, einander fremd.
Oh, sieht gut aus!
Welches Dorf/Restaurant ist das denn?
Grüße aus gerade Südfrankreich..
🙂
Fabian
Wir waren im „O’ Plaisir des Sens“ in La Roque-Gageac.
(Das Bild ist allerdings KIgeneriert – haben uns in dem edlen Haus nicht zu fotografieren getraut…)
Hier nicht ganz so: Frau Rau isst sehr gerne und Verschiedenes, und ich koche sehr gerne und Verschiedenes. Aber unsere Lieblingsküche zum Ausgehen ist die knapp unter der Sterneküche, weil sonst in der Tat zu viel Kunst. Ich hatte einmal eine Sterne-Kohlrabi-Kreation, die so Kunst war, dass sie nicht mehr nach Kohlrabi geschmeckt hat. Bei Kohlrabi halte ich das an sich für einen Vorteil, aber wenn ich Kohlrabi kriege, soll es auch danach schmecken, damit ich etwas lernen kann.
Ist es nicht schön zu lesen, dass ein Ehemann mit einem Teller Nudel zufrieden ist?! ☺️
Ich wünsche Ihnen weitere gute 20 Jahre Ehe
Braten Dank!
Phantastische 20 Jahren alltägliche Gemeinsamkeit.
Sie müssen ein grosses Talent für Partnerschaft haben.
Bleiben die dran und genießen sie die Zweisamkeit.
Wir bemühen uns.