Meine jüngste Tochter ist mit ihren zwei Jahren seit Wochen in einer Trotzphase. Meine Frau und ich erleben diesen Zustand nun zum dritten Mal – das Gezeter entlockt uns nicht mehr als ein routiniertes Achselzucken. Für die größeren Geschwister ist diese Phase jedoch mit anderen, neugierigeren Augen.
Die Kleine testet jede Grenze aus, die sie findet. Schubladen werden ausgeräumt, Kisten ausgekippt und Anweisungen ganz bewusst missachtet. Es wird mit dem Lichtschalter gespielt und auf Regale geklettert. „Bist du jetzt lieb?“ frage ich und die Antwort lautet immer „NEIN!“ gefolgt von einem heraufordernden: ‚Was willst du jetzt tun, alter Mann?‘-Blick. Und dabei bebt der kleine Körper voller Empörung.
Am lustigsten sind die Momente, wenn sie einen genau beobachtet: Mit messerscharfem Blick untersucht sie, welche Reaktion sie hervorruft. Und wenn in meiner Stimme auch nur eine Winzigkeit jener Belustigung zu hören ist, die ich innerlich zurückhalte oder wenn mein Mundwinkel ein My nach oben zuckt – dann ist es vorbei. Sie macht weiter und weiter bist es einem von uns zu dumm wird und wir sie in ihr Zimmer schicken.
Und ach, dann ist das Gejammer groß über die Ungerechtigkeit der Welt.
Schwierig ist, dass sie nicht unterscheiden kann zwischen eigensinnigem Verhalten, dass ich hinnehme und solchem, dass ich nicht toleriere: „Halt dich fest“ fordere ich sie zum Beispiel auf, wenn sie die große Wendeltreppe im Haus heruntergeht. Und das tut sie, ganz bewusst, nicht. Bis sie dann schwankt und sich erschreckt und ich mich erschrecke und sie wütend anherrsche. Ein Sturz hat mir gerade noch gefehlt.
Aber eigentlich liebe ich die Trotzphase. Liebe es, wie auch meine dritte Tochter zu einer selbstbewussten, eigensinnigen jungen Dame heranwächst. Jemandem, der seinen eigenen Willen hat und den auch kundtut. Eigentlich ist mir die Trotzphase ein gern gesehener Gast.