Mit meiner Klasse starte ich eine kleine Übung:
Drei Kinder verbleiben im Klassenraum, der Rest versammelt sich in der benachbarten Aula. Der Dreiergruppe sage ich:
„Die anderen bilden einen Kreis. Euer Ziel ist, in den Kreis zu kommen.“
Der Klasse in der Aula sage ich:
„Ihr bildet einen Kreis. Und die anderen wollen in den Kreis.“
Mehr nicht. Sofort wird eine starke Kette gebildet, Arme ineinander verhäkelt und Beine verschränkt. Tenor: „Wir lassen hier niemanden rein!“
Aus der Dreiergruppe hole ich die Kinder nach und nach. Einzeln tigern sie um den Kreis, bevor sie ihn mit Gewalt stürmen, sich durchquetschen. Großes Gelächter. „Ich will auch mal!“
Im Anschluss lasse ich die Kinder reflektieren und frage auch, was genau die Aufgabenstellung war. „Sie haben gesagt, wir dürfen die nicht reinlassen.“
Habe ich das?
Habe ich das?
Niemand aus der Dreiergruppe kam auf die Idee, einfach zu fragen, ob er hineindürfe: Erstes Mittel war brachiale Gewalt. Und niemand aus der Klasse kam auf die Idee, das eigene Bollwerk zu hinterfragen. Es hieß sofort: Wir gegen die.
Die betretene Erkenntnis kann ich einigen Kindern im Gesicht ablesen.
Wesentliche Teile meiner Arbeit bestehen im Lösen solcher Konflikte: Nichtigkeiten bauschen sich auf. Dinge, die niemand gesagt hat werden immer dramatischer, bis es knallt. In der Pause. An der Bushaltestelle. In der Freizeit. Es wird nicht gefragt, sondern direkt konfrontiert. Immer und immer wieder arbeiten wir uns durch solche und ähnliche Übungen, bis es irgendwann auch der letzte geschnallt hat: Es geht nicht gegeneinander, nur miteinander.
Das Blöde ist: Neun von zehn Konflikten hätten sich direkt im Anfangsstadium lösen lassen, wenn die beteiligten Parteien deeskalative Kommunikationsstrategien anwenden würden. Und Kommunikationsmanagement in der Schule ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt und über das ich hier schon viel geschrieben habe.
Wenn das Land jemals ein Team von Fortbildnern in diesem Bereich zusammenstellen würde… ich wäre arg versucht, mich zu bewerben.
Noch mehr Informationen zu diesem Thema und zahlreiche Spiele und Übungen, um deine eigene Rolle und die Team-Fähigkeit deiner Schüler:innen zu stärken findest du in meinem Buch „Klasse(n) stärken – 86 Team-Spiele für die Schule„, erhältlich bei Amazon oder als ebook bei eduki.
Das Spiel finde ich klasse. Ich werd das gleich zu Beginn des Schuljahres (bei uns geht‘s erst am 11.September los) einbauen. Da kann man dann auch gleich Regeln des Miteinanders und Gesprächskultur besprechen.
Ich habe übrigens als Schülerin die Ausbildung zur Peer-Mediatorin gemacht und sowas gibt es an meiner Schule auch. Das ist zwar kein Fortbildungsangebot für Lehrkräfte, aber die Pädagogischen Hochschulen in Österreich bieten meines Wissens nach solche Fortbildungen an. Gibt es sowas in Deutschland nicht oder hast du da an etwas anderes gedacht?
Toll! Bist du selbst auf diese Übung gekommen? Vielleicht schnappe ich mir eins deiner Bücher
Ich behaupte, es ist nicht ganz schlecht
Puuhh, Mr. Klinge, ich nehme an, Sie wissen, dass ihr Kommentar sehr leicht provozierend oder auch konfrontativ verstanden werden kann. War das Absicht? Oder wollten Sie etwas verdeutlichen, was ich noch nicht verstanden habe?
Wtf? Wovon reden Sie? Was ist provozierend? Was ist konfrontativ?
Dass ich mein eigenes Buch nicht ganz schlecht finde?
Ich hab auch schon gerätselt, was „Jörg“ meint. Ich glaube, es ist nur eine inhaltsleere Provokation. Auf jeden Fall schlechter Stil, und es passt nicht auf dein schönes, konstruktives Blog.
Oh, direkt ein schönes Beispiel für Kommunikationskompetenz!
Erinnert mich an das „Vier-Ohren-Modell“, ich glaube so hieß es…
Die Nachricht steht reduziert als Text, ohne Emotion, Tonfall und größeren Kontext dar. Von dem Einen wird sie als „leicht provozierend“ aufgefasst, von dem anderen, hierzu zähle ich mich, als selbstironisch und bescheiden.
Ziemlich geniale Übung. So einfach und so offensichtlich.
Sowas sollte öfters gemacht werden.
Vielen Dank. Bin via Mastodon drauf gekommen