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Mitbestimmung im Unterricht

Durch Vertretungsfälle hatte meine Klasse heute das (zweifelhafte) Vergnügen, vier Stunden hintereinander Unterricht bei mir genießen zu dürfen. Das ist nicht nur für die Kinder anstregend – auch für uns Lehrkräfte ist das mitunter eine Qual. Und das Beste: Wir wollten heute auch nocht die Mathematik-Arbeit schreiben.

In unserem morgendlichen Beratungsband forderte ich meine Klasse auf, den Tag mit mir gemeinsam zu gestalten.

Laut Plan war angedacht, die Zeit bis zur Pause in Lernbüros zu nutzen (zum Lernen von Mathematik, Englisch, Deutsch, NW etc.) und nach der Frühstückspause die Mathearbeit zu schreiben. Möglich wäre aber auch, die Arbeit sofort zu schreiben und die Zeit nach der Pause für Erholung, Spiele o.ä. zu nutzen.

Es kam eine ruhige Diskussion auf: Einige wollten unbedingt noch für die Arbeit lernen, andere sie dagegen schnell hinter sich bringen. Unterfüttert wurde dies mit Argumenten, die sowohl für das eine, wie auch das andere sprachen. Eine „Mehrheitsentscheidung“ wollte ich nur ungern, weil dann Kinder unglücklich in die Arbeit gehen – ein breiter Konsens war mir wichtig.

Nach zehn Minuten war alles gesagt und es war ein Kompromiss erarbeitet: Eine halbe Stunde bekam jeder, sich noch einmal durch die Hefte zu wühlen und sich mental auf die Arbeit vorzubereiten – aber dann ging es auch los. Dadurch würden wir pünktlich zur Pause fertig werden und konnten den späten Vormittag frei nutzen.

Wann immer es möglich ist, lade ich meine Kurse ein, den Unterricht aktiv mitzugestalten. Sie dürfen über Methoden und (so oft es möglich ist) Inhalte bestimmen. Nicht selten frage ich, was sich der Kurs von der Stunde heute wünscht und richte mich danach. Die Stimmen „rausgehen und chillen“ sind die absolute Ausnahme.

Mitbestimmung im Unterricht 1Weil ich meine Klasse dabei gleichzeitig antreibe und ihr viel abverlange, ist es wichtig, zwischendurch auch mal zwei Gänge zuückzuschalten. Deswegen sind wir nach der Pause in die Turnhalle gegangen und haben ein amüsantes Spiel gespielt: Jungenland-Mädchenland.

Zwei Mannschaften spielen gegeneinander und versuchen sich, die Kegel zu klauen (Capture the Flag), gleichzeitig müssen die Diebe gefangen werden (Fangen) und müssen von Teamkollegen dann wieder freigeschlagen werden. Ein wildes Spiel, dass von Fair-Play lebt und dessen Reiz auch darin liegt, dass es ständig hin- und hergeht und scheinbar kein Ende findet.

So wunderbar meine Klasse auch konstruktiv zusammenarbeitet, wenn es um Teamspiele geht, so sehr sind sie schlicht frustrierte Kinder, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es wollen. Am Schluss, als alle nassgeschwitzt, mühsam keuchend und mit hochrotem Kopf auf dem Feld lagen, war trotzdem noch genug Energie, lauthals über mangelndes Fair-Play, gemeine Verhaltensweisen und allerlei Nebensächlichkeiten zu schimpfen.
Im Nachgespräch habe ich das aufgenommen: Ziel des Spiels war einfach nur Spaß und Toben. Wie geht jeder einzelne mit Niederlagen um? War das jetzt wirklich so schlimm, dass man die Stunde lieber im warmen Klassenraum bei der Einführung der Bruchrechnung verbracht hätte? Wie sehr lassen wir uns von kurzfristigem Ärger treiben?
Was in der Umkleide nur laute Worte sind, sind auf dem Fußballplatz oft fliegende Fäuste. Das darf nicht sein.

Das Nachgespräch war spannend. In meinen Augen sogar spannender, als das Spiel selbst. Denn einige Kinder, die mit Frust nur schwer umgehen können, habe ich beobachten können, wie sie kurz schluckten, einmal laut vor sich hinfluchten und dann weitergespielt haben. Letztes Schuljahr saßen die bei ähnlichen Gelegenheiten schmollend und frustriert auf der Bank. Es gibt also Fortschritt – aber der Weg ist auch noch lang.

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