Ich habe meinen Mathe-Klassen Hausaufgaben über die Ferien mitgegeben – und bin unschlüssig. Ein paar Gedanken zum Für und Wider von Ferienaufgaben.
Ferien sind zum Erholen da. Punkt. Nicht nur für Lehrer*innen, sondern auch (und ganz besonders) für die Kinder. In NRW beginnen anktuell die Herbstferien, im Anschluss fahren meine 5er auch noch auf Kennenlernfahrt. Wenn ich die Kinder in drei oder vier Wochen wiedersehe, wird vom aktuellen ‚Lernstoff‘ wenig verblieben sein. Der Turnus des Jahres gibt aber folgendes vor:
- Halbjahreszeugnisse gibt es Ende Januar
- Notenschluss ist also praktisch direkt nach den Ferien
- D.h. zwei Klassenarbeiten müssen im Zeitraum zwischen Herbstferien und Weihnachtsferien geschrieben werden
Ich stehe vor einem Dilemma: Einseits sind die Ferien zum Erholen da, andererseits geht es für meine eigene Klasse um die Zuteilung von E- und G-Kursen. Das Jahr ist also abschlussrelevant: Wenn einzelne Schüler*innen nicht dranbleiben, werden sie untergehen.
In der letzten Woche vor den Ferien habe ich den Klassen intensiv beigebracht, wie man 10-Minuten-Übungen macht, die einen ‚im Thema‘ halten. Niemand soll täglich eine Stunde Mathematik lernen (das habe ich ihnen sogar explizit verboten und angedroht, ich würde vorbeikommen, wenn sie das täten und dann mit ihren Eltern schimpfen), aber jeden Tag einmal kurz überlegen, wie man einen Bruch kürzt. Oder erweitert. Oder was nochmal ein Hauptnenner ist.
Nach den Ferien sammle ich nichts ein. Keine Rechnungen, keine Übungen. Es gibt nichts, was irgendwer mir beweisen müsste. Aber natürlich werde ich sofort merken, wer noch im Thema ist und wer nicht.
Einige werden sich kurz schütteln und – wie immer – binnen weniger Minuten wieder komplett im Thema sein. Andere werden (hoffentlich) stolz demonstrieren, dass sie fleißig gewesen sind. Zumindest ein wenig. Aber natürlich wird es auch ein paar geben, die 2 Wochen lang PlayStation gezockt haben. Es ist ihr gutes Recht. Aber die Zwänge des Lebens und der Schule gelten für alle – und dann wird es lange Gesichter geben.
Ein schlechtes Gewissen habe ich trotzdem.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals in den Ferien Hausaufgaben gehabt zu haben. Allerdings war klar, daß in den unteren Klassen nach den Sommerferien der obligate Aufsatz über „mein schönstes Ferienerlebnis“ dran war. Macht man heute – glaube ich – nicht mehr.
Das Lernen in den Ferien ging eher von den Eltern als von der Schule aus. Und wenn direkt nach den Ferien eine Klausur / Schulaufgabe angekündigt war, dann verstand es sich von selbst, dass entsprechend früh mit der Vorbereitung begonnen wurde.
Allerdings bin ich in einem Bundesland mit stets konstantem Ferienterminplan aufgewachsen und so kurze Fristen wie hier geschildert gab es nicht.
Ich finde den hier geschilderten Ansatz verständlich und sozial verträglich.
Ein schlechtes Gewissen brauchst du da – so wie du es handhabst – aus meiner Sicht keinesfalls zu haben!
Das Dilemma besteht ja leider darin, dass es einerseits Schüler gibt, die im Unterricht meist aufmerksam sind und ihre Hausaufgaben in der Regel gewissenhaft bearbeiten, während andere sich im Unterricht sehr leicht ablenken lassen und zu Hause nicht mehr an die Aufgaben denken. Letztere bauen sich dann rasch Lücken auf, schon allein, weil sie sich viele Stunden lang weniger mit Mathematik auseinandersetzen als die anderen.
Wenn sie diese Lücken dann wirklich stopfen wollen, bleiben ja fast nur die Ferien.
Letztlich würde ich das, was du machst, noch nicht einmal als Hausaufgabe bezeichnen. Das ist eher ein dringender Appell, wenigstens so viel zu tun, dass sie das, was sie schon mal halbwegs konnten, nicht wieder verlernen. Und das kann man schon verlangen, finde ich.
Diejenigen, die bislang stets gut aufgepasst und mitgearbeitet haben, werden dafür nicht viel tun müssen. Und die anderen sind ein Stück weit selbst Schuld.
Echte Ferienhausaufgaben wären es aus meiner Sicht dann, wenn du wirklich am Tag nach den Ferien kontrollieren würdest, wer sie bearbeitet hat, und gegebenenfalls an diejenigen, die sie „vergessen“ haben, Striche und Strafarbeiten verteilen würdest. Das wäre vielleicht wirklich etwas problematisch, weil man damit am Ende möglicherweise nur erreicht, dass die Schüler, die es gar nicht nötig haben, Zusatzarbeit bekommen, während die Schüler, die es nötig hätten, die Lösungen kurz vor der Stunde von ihren Mitschülern abschreiben. Oder die Aufgaben heutzutag bei ChatGPT eingeben.
Letztlich müssen die Schüler die Einsicht gewinnen, dass es wichtig ist, seine Fähigkeiten wachzuhalten, indem man sie zumindest von Zeit zu Zeit trainiert. Bei manchen ist das ein kurzer Weg, bei anderen ist er sehr lang…