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Blogparade #2 zur Arbeitszeiterfassung (Gastbeitrag)

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, jeder ist frei, sich zu beteiligen. Dies ist ein Gastbeitrag von user „Lehrer mit Bart“ aus BlueSky.


Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften ist spätestens seit der Lehrkräftemangel offensichtlich geworden ist, ein heißes Thema. Es werden inzwischen alle möglichen Für und Wider diskutiert, was meiner Meinung nach schon absurd ist.

Die Arbeitszeiterfassung soll einer fairen Entlohnung dienen und die verdeckt geleisteten Überstunden sichtbar machen. Da stellt sich für mich zuerst die Frage, warum überhaupt diskutiert werden muss, dass geleistete Arbeit vollumfänglich zu bezahlen ist. Es sollte ein Menschenrecht sein, für seine Arbeit entsprechend bezahlt zu werden. Dieses Recht in der Diskussion an bestimmte Vorteile zu koppeln mutet sonderbar an.

Natürlich ist eine Erfassung im Fall der Lehrkräfte nicht ganz leicht. Man muss sich darauf verständigen, was überhaupt Arbeit ist und mit wie viel einzelne Tätigkeiten zu vergüten sind. Was zählt als Arbeit? Fünf vergebliche Elternanrufe? Das Sinnieren über eine neue Unterrichtsidee? Im Baumarkt Material kaufen? Die internen Lehrpläne anpassen? Und wie lang sollte das so dauern (dürfen)? Diese Offenheit und Vielfalt der Tätigkeiten, macht eine
klare Tätigkeitsbeschreibung sehr schwierig.

Dieses Problem ist aber nicht exklusiv für Lehrkräfte. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit anderen Jobs, die zum Teil in Präsenz, zum Teil im Homeoffice durchgeführt werden. Da gibt es bereits Systeme zur Erfassung und Definition von Arbeit, sodass man hier mit der Entwicklung nicht bei null beginnen müsste. Zudem sollte das Recht auf faire Entlohnung der Arbeit allein von der Schwierigkeit der Erfassung nicht generell in Frage gestellt werden können.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist, dass eine Arbeitszeiterfassung (und entsprechende Vergütung) den Job der Lehrkraft attraktiver machen würde. Nochmal, Arbeit zu bezahlen ist kein Attraktivitätsfaktor sondern eine Selbstverständlichkeit. Wir könnten grad so gut die pünktliche Auszahlung des Lohns als Pluspunkte im Job anführen. Nun ist es aktuell so, dass nur wenige verbeamtete Lehrkräfte mit Sek II Fakultas sich mehr Geld wünschen. Sie haben auch allen Grund mit ihrer Vergütung zufrieden zu sein. Ein Beispiel: Verheiratet, 2 Kinder und 5 Jahren im Beruf wirft aktuell bei Steuerklasse 4 ohne jede Beförderung ein Jahresnetto(!) von 53.600€ ab. Dazu wird die eigene PKV mit 50%, die der Kinder mit 80% bezuschusst. Die Pension wächst in ganz anderem Maße, als die Rente. Das ist viel Geld. Aber auch Zufriedenheit mit der Gehaltshöhe ist kein Argument dagegen, die geleistete Arbeit zu erfassen und zu vergüten.

Man kann darüber diskutieren was in unserem Job Arbeit ist, wie lange eine Tätigkeit dauern sollte, mit wie viel Geld sie zu vergüten ist. Wir sollten uns jedoch nicht mit einem pauschal hohen Betrag abspeisen lassen, der für die meisten schon irgendwie passt! Es wurde viel über Motivation gesprochen. Vollständige Vergütung würde, ähnlich einem Belohnungssystem gar demotivierend wirken. (Dich demotiviert faire Entlohnung? Mir fällts
schwer dir nicht „Check your privileges“ entgegenzuschreien.)

Ich würde vermuten es wirkt nicht minder demotivierend, wenn man seit jeher einen pauschalen Betrag ausgezahlt bekommt aber dafür immer mehr machen soll. Das führt zu aktiver Vermeidung der neuen Aufgaben. Dabei geht es, wie oben erwähnt, überhaupt nicht ums Geld. Es war nur bereits zuvor so, dass man mit der Arbeit ausreichend ausgelastet war. Wo soll also plötzlich die Zeit herkommen, für diverse neue Verpflichtungen? Deshalb wüschen sich Lehrkräfte vor allem weniger Aufgaben (zurück). Indem Tätigkeiten und Umfang transparent würden, könnte eine Erfassung der Arbeitszeit dabei sehr viel helfen. Es gibt also Herausforderungen und Vorteile einer Erfassung. Trotzdem möchte ich noch einmal betonen, dass es letztlich absurd ist, die Arbeitszeiterfassung als Für und Wider Diskussion zu führen. Faire Entlohnung der geleisteten Arbeit sollte ein Recht sein, das jedem Arbeitenden zusteht! Wenn wir uns von diesem Standpunkt argumentativ entfernen, verwässern wir nur die Position der Arbeitnehmer.

Pauschale Vergütung mit viel Spielraum und wenigen vertraglich festgelegten Eckpunkten reduzieren das Arbeitsverhältnis auf ein Spiel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Beide hoffen aufgrund des Spielraumes mehr für ihren Einsatz (Gehalt vs. Arbeitskraft) zu bekommen, als bei genauer Definition. Dieses „Spiel“ fördert Ausbeutung, wie Vermeidung. Aktuell gibt es bei verbeamteten Lehrkräften einen außerordentlich großen Spielraum. Wir selbst sind dafür verantwortlich nicht mehr als ca. 40 Stunden in der Woche aufs Jahr gerechnet zu arbeiten. Es ist nicht völlig geklärt, welche Tätigkeiten zum Beruf der Lehrkraft gehören und welchen Umfang diese haben, obwohl dies in den meisten anderen Berufen völlig normal ist.
Es ist Zeit das zu ändern und eine funktionierende Arbeitszeiterfassung ist ein erster Schritt in diese Richtung.

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7 Gedanken zu „Blogparade #2 zur Arbeitszeiterfassung (Gastbeitrag)“

  1. Pingback: 2024-04: Auseinandersetzung mit dem Manifest des Bildungsrates – als Teil einer „Blogparade“ – SchulMUN

  2. Ja!
    Arbeit gehört fair entlohnt. Ich schließe mich den Worten oben an. Durch meine Tätigkeiten in einer Gewerkschaft für Lehrer/Innen und der Teilnahme an verschiedenen Fortbildungen, entspannten sich für mich viele Gespräche genau um dieses Thema. Von keiner Person habe ich gehört, dass es mehr Gehalt geben soll. Alle waren sich einig:
    ZEIT ist die Währung, die zählt. Und Zeit kann jeder, wie einen Euro, nur einmal „ausgeben“. Daraus ergibt sich automatisch die Frage: Wie viel und wofür investieren wir in Schule dieses kostbare Gut ? Wofür bräuchten wir mehr Zeit? Was sind Zeitfresser?
    Die Antworten hierauf werden nur zu finden sein, wenn Aufgaben zumindest eine Weile lang von uns zeitlich erfasst werden. Mich würde nicht wundern, wenn das Ergebnis an einigen Stellen überrascht. In beide Richtungen. Ups, diese Aufgabe ging viel schneller von der Hand, als gefühlt. Oh, dauert viel länger als gefühlt/gedacht.
    Und: Das ganze ist von Schule zu Schule, Klasse zu Klasse unterschiedlich.
    Beispiel;
    Elterngespräche, Beispiel Zeugnis besprechen, in einer DaZ Klasse zu planen und durchzuführen kostet sehr viel mehr Zeit, denn die dritte Partie, der/die Dolmetscher/In, ist mitzudenken. Terminplanung dauert damit schon viel länger. Elterneinladungen müssen übersetzt werden. Das Gespräch an sich dauert dann meist 45 bis 60 Minuten. Dolmetschen kostet Zeit. Kollegen führen bei uns in selber Zeit mindestens 3 Elterngespräche.
    Für die Zeikonten, die einige Schulen führen, ergibt sich dann folgendes Ergebnis bei Zeugnisgesprächen:
    Pro Schüler werden 10 Minuten gutgeschrieben (schulintern mal festgelegt ).
    Bedeutet in Regelklasse für eine Lehrkraft 30 Minuten Gutschrift bezogen auf 60 Minuten Zeugnisgesprächen für die DaZ Kollegen mit selben Zeiteinsatz nur 10 Minuten.
    ?
    Und solche Beispiele ließen sich sicher viele finden. Viele von uns wünschen sich einfach, dass dies transparent und fair gehandhabt wird. Dazu braucht es eine Erfassung- um solche Beispiele wie oben genannten- zu entdecken und eine Lösung zu finden.
    Braucht es dazu eine permanente minutiöse Erfassung?
    Ich glaube eher nein, wenn beide Seiten an Transparenz und Fairness bzgl der Tätigkeiten der verschiedenen Personen in Schule Interessiert sind und diese leben.
    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen:
    Das Führen eines minutiösen Zeitkontos für Tätigkeiten (vorab festgelegt) habe ich erst einmal an einer Schule erlebt und es war Grundlage für viel Missstimmungen.
    An Schulen, die bereit sind, Zeit zum wiederkehrenden Thema zu machen und ggf Entscheidungen hierzu im laufenden Schuljahre zu überdenken, war die Arbeitszufriedenheit diesbezüglich gänzlich anders….

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