Zum Inhalt springen

Gastbeitrag zur Blogparade #3

Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, alle Beiträge zum aktuellen Thema werden unter dem Beitrag gesammelt.

SchulMUN / Herr Mess / Susanne Posselt / Herr Rau/ Tobias Schreiner


Dies ist ein Gastbeitrag von user „Lehrer mit Bart“ aus dem „Twitterlehrerzimmer“ von BlueSky.


Lehrkräfte schimpfen immer mehr über ihre Arbeitsbedingungen. Nicht wenige Studierende brechen das Studium nach den ersten Erfahrungen mit dem Schulalltag ab. Immer mehr Lehrkräfte kündigen, nicht nur innerlich sondern auch ganz direkt. Es gibt mit Recht genug Grund zur Klage. Trotzdem
würde ich diesen Beruf immer wieder ergreifen.

Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, ob man einen Beruf attraktiv findet, ob er zu einem passt. Drei Dinge sind dafür meiner Meinung nach elementar.

Erstens, die Frage: Passt dieser Job, die Anforderungen des Arbeitsalltags, in mein Leben? Das Leben ist weit mehr, als nur die Arbeit. Daher sollte die Arbeit ins Leben passen und nicht das Leben irgendwie um die Arbeit gebastelt werden.

Zweitens, ob man die Arbeit in dem Beruf als sinnvoll, als nötig erachtet. Wenn mir an der Aufgabe etwas liegt, kann ich ganz anders mit Stress umgehen, als wenn ich nicht glaube das Ergebnis wäre relevant.

Drittens, man sollte eine zumindest durchschnittliche Begabung für die Aufgaben des Jobs mitbringen. Es ist wichtig sich im Beruf als wirksam zu erleben. Nur so kann der zweite Punkt auch seine Wirkung entfalten. Klar kann man sehr viel lernen, das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag sollte jedoch nicht zu ungleich ausfallen. Diese drei Voraussetzungen kann ich, meinem Empfinden nach, für mich beim Lehrberuf positiv beantworten. Wenn es um die Attraktivität des Lehrerseins geht, könnte ich jetzt trocken, die Vor- und Nachteile des Jobs, des Beamtentums gegenüberstellen. Ich kann euch aber auch, und das halte ich für besser, aus einer sehr persönlichen, subjektiven Perspektive über den Lehrberuf erzählen. Dazu werde ich vor allem zwei Aspekten herausgreifen, die diesen Beruf für mich der attraktiv machen.

Der erste Aspekt ist auch gleich ein völlig pragmatischer, unromantischer Aspekt des Jobs. Es ist die Mischung aus Sicherheit und Freiheit in der Ausübung. Mit Sicherheit meine ich auch primär finanzielle Sicherheit. Ich bin zum Lehrberuf als Quereinsteiger gekommen. Ich habe keine Fächer auf Lehramt studiert und bevor ich diesen Beruf ergriffen habe, habe ich Jahre lang in einem anderen Job gearbeitet. Es war früher weder mein Traum, noch mein Ziel Lehrer zu werden. Stattdessen habe ich Biologie auf Diplom studiert und anschließend promoviert. Nach der Promotion habe ich noch einige Jahre weiter in der akademischen Forschung gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich eine Menge prekärer Arbeitsverhältnisse kennengelernt. Spätestens seit den Hashtag #IchBinHanna sind die Arbeitsbedingungen in der deutschen Forschung auch in der Öffentlichkeit angekommen. Für mich erschien das Beamtentum so nicht als Korsett, sondern als willkommenes Fundament. Diese Sichtweise hat sich bisher auch nicht geändert. Ich übe einen Job aus, der, nimmt man alle Boni zusammen, wirklich überdurchschnittlich bezahlt ist. Ich weiß was mich dort erwartet. Mein Arbeitgeber wird nicht pleitegehen. Es gibt nicht plötzlich Kurzarbeit. Ich bin quasi unkündbar. Zudem wächst meine Altersvorsorge in ganz anderem Maße, als die eines Angestellten. Wenn ich mal mein Konto überziehe bereitet mir das keine schlaflosen Nächte, weil ich weiß, wann sicher wie viel Geld rein kommt. Diese Sicherheit genieße ich sehr. Dazu habe ich bei der Ausübung meines Jobs wirklich eine Menge Freiheiten. Es gibt einen Kernlehrplan des Landes. Diese Dinge muss ich den Schüler:innen beibringen. Darüber hinaus kann ich jedoch passende Inhalte selbst wählen. Wie ich die Themen vermittle, ist dabei ebenfalls komplett mir überlassen. Mache ich die Problematik neu eingewanderter Tier- und Pflanzenarten an der Varoamilbe, dem Riesenbärenklau oder dem zurückkehrenden Wolf deutlich? Meine Wahl.
Auch Methodisch habe ich die volle Freiheit. Lasse ich die Schüler:innen einfach im Buch lesen und ein Arbeitsblatt ausfüllen, sollen sie ein Poster mit selbst recherchierten Informationen erstellen oder in einem Podcast eine Pro und Contra Diskussion führen. Meine Entscheidung. Diese Freiheit ermöglicht es mir gleichzeitig abwechslungsreichen und (zeitlich) flexiblen Unterricht zu gestalten. Zudem interessiert es, überspitzt gesagt, eigentlich niemanden, ob das jetzt alles funktioniert, was ich da tue, oder nicht. Ich habe keinen Chef im Nacken sitzen, der meinen Erfolg kontrolliert. (Weil das auch nur sehr schwer möglich ist, aber das ist ein anderes Thema). Wie ich diesen Job ausübe, ist zum allergrößten Teil mir selbst überlassen. In Zeitstunden gerechnet, unterrichte ich ca. 20 Stunden in der Woche. Das bedeutet bei gut 50% meiner Arbeit kann ich entscheiden, wann und wo ich diese erledige. Das Kind muss donnerstags um 14 Uhr aus der Kita geholt werden oder hat nachmittags einen festen Termin? Das lässt sich meist einrichten. Es schafft Flexibilität, wenn man an 2 oder mehr Tagen nur einen halben Tag Anwesenheitspflicht hat. Diese Freiheit beim Inhalt der Arbeit sowie in der zeitlichen Ausgestaltung bei gleichzeitiger finanzieller Sicherheit ist für mich persönlich ein ganz großes Plus des Lehrberufs.

Der zweite Aspekt, der diesen Beruf für mich attraktiv macht ist, dass die Arbeit wichtig ist. Studien zeigen recht klar, dass es weniger entscheidend ist, ob die Arbeit Spaß macht. Relevant ist, ob man das was man tut für wichtig erachtet und sich selbst als wirksam erlebt. Ist beides gegeben können wir auch völlig im Stress Berge versetzen. Wird man Lehrkraft und tritt mit seinen Schüler:innen in Beziehung, dann wird man ganz automatisch Einfluss auf ihr Leben nehmen. Nicht auf jeden einzelnen, aber es wird genügend geben, die man signifikant berührt, für die man den Unterschied macht, für die man ein fehlendes Puzzlestück auf dem Weg zum Erwachsen werden ist. Dabei ist es auch immer unterschiedlich, was das Kind gerade von einem gebraucht hat. Sei es die Begeisterung für ein Fach, sei es die Förderung eines Talents, sei es eine moralische Stütze, ein emotionaler Halt, eine Meinung zum Reiben, sei es zu zeigen, wie man lernt, wie man sich organisiert, wie man Fehler macht, wie man vergibt… Robert Feynman sagte mal „Teach your kids early what you learned late.“ Die Gelegenheit hat man hier. Man kann und muss in diesem Job seine komplette Person einbringen, wie es in kaum einem anderen Beruf möglich ist. Das ist sehr anstrengend aber auch unglaublich erfüllend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert