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Ein alternativer Physiktest

Vor den Ferien habe ich mit meiner 10er Physikklasse eine schriftliche Übung durchgeführt. Im Unterschied zum klassischen Physiktest mit geschlossenen Fragen bin ich der Inspiration der Kollegin Pooja K. Agarwal gefolgt und habe – zu. Überraschung meiner Schülerinnen und Schüler – folgende Fragen gestellt:

Antworte in ganzen Sätzen nach eigenem Ermessen.

  1. An welche Aspekte des Themas Atomphysik möchtest du dich erinnern? Warum ist dieser Aspekt für Dich wichtig?
  2. Was war für Dich beim Thema Atomphysik besonders einprägsam? Warum ist es Dir besonders aufgefallen?
  3. Was ist eine Sache, die Dich in den letzten Wochen im Physikunterricht überrascht oder verwirrt hat?
  4. Was hast du über Atomphysik gelernt, ohne dass ich Dich danach gefragt habe?
  5. An welcher Stelle berührt Atomphysik Dein eigenes Leben? (Jetzt oder in Zukunft).
  6. Findest du einen Zusammenhang zwischen dem Thema Atomphysik und deiner Lieblingsserie, deinem Lieblingsfilm oder etwas, dass du im Internet gesehen hast?
  7. Was ist eine Frage, die ich dem Rest der Klasse stellen kann? (Erstelle eine offene Frage (d.h. keine Ja-Nein-Frage) und schreibe eine mögliche Antwort direkt auf.)
  8. Welche Frage hast du zum Thema Atomphysik, die Du gerne im Unterricht besprechen möchtest? Was willst Du bei der Diskussion lernen?

Irritiertes Gemurmel.
Der ein oder andere wollte lieber eingepauktes Wissen absondern: Was ist Alpha-Strahlung? Was ist ein Nuklid? Berechne die Halbwertszeit von Thorium-228.
Diese Fragen drängen die Kinder – so hoffe ich – in eine andere Perspektive. Das eigentliche Wissen (wann hätte ich im Alltag je die Halbwertszeit von Thorium gebraucht?) ist mir nicht so wichtig, wie die Verknüpfung des Themas mit der eigenen Lebens- und Gedankenwelt. Und vielleicht, ganz vielleicht, ist dadurch das ein oder andere doch mehr hängen geblieben, als es bei einem schnöden Wissenstest der Fall wäre.

Und tatsächlich: Ganz unverhoffte Dinge sind hängengeblieben, die ich selbst aus meinem Unterricht schon vergessen hatte. Und ganz spannende Fragen sind aufgekommen, von Kindern, bei denen ich nie damit gerechnet hätte und thematisch tief, wie ich es auch nicht erwartet hatte.

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5 Gedanken zu „Ein alternativer Physiktest“

  1. Mein Kompliment an euch beide! Auch die Art der Bewertung imponiert mir. Je nach Fach müsste man zwar variieren, aber der Bezug auf den künftigen Unterricht scheint mir besonders spannend.
    Freilich für mich zu spät, es einmal auszuprobieren.

  2. Ich bin ja bei dieser Art von Klassenarbeit ehrlich gesagt etwas skeptisch. Aus meiner Sicht gibt es bereits genügend Fächer, in denen sich die Schüler derartigen Fragen stellen müssen – da muss das nicht auch noch im Physik-Unterricht sein, zumindest nicht, wenn dadurch klassische Aufgaben völlig verdrängt werden. Bei einer gesunden Mischung sieht es unter Umständen wieder anders aus, aber ich fürchte, dass die wirklich physikinteressierten Schülerinnen und Schüler durch eine komplette Arbeit in diesem Stil eher etwas abgeschreckt werden könnten. Für die übrigen ist es natürlich angenehmer.

    Ein paar Dinge würden mich daher schon noch interessieren:

    Inwieweit wussten die Schüler die Schüler, was da auf sie zukommt? Hast du ihnen im Vorfeld der Arbeit schon ein bisschen angedeutet, wie diese aussehen könnte, oder war das komplett überraschend?

    Wie handhaben das denn die übrigen Physik-Kolleginnen und Kollegen an der Schule? Entsteht da nicht unter Umständen Unmut in den Klassen, die sich einer klassischen Klassenarbeit stellen mussten. Bei uns könnte ich mir schon vorstellen, dass sich da einige Schüler beschweren würden, wenn ich eine klassische Arbeit und eine Kollegin eine Arbeit in diesem Stil stellen würde. Natürlich nicht ihre Schüler, sondern meine…

    Gerade die zehnte Klasse dient ja auch schon als Vorbereitung auf die Kursstufe. Ein bisschen sehe ich auch die Gefahr, dass man den Schülern so nicht klar genug macht, welche Anforderungen dort auf sie warten.

    Das System mit +, – und o ist bei dieser Art von Arbeit sicher sinnvoll. Eine 3- ließe sich da keinesfalls eindeutig von einer 3-4 trennen. Aber spätestens am Ende des Schuljahrs musst du ja Noten draus machen; daher würde mich interessieren, wie die Endnote dann bei dir entsteht.

    Viele Grüße,
    Dorn

    1. Kann jeden Punkt nachvollziehen.
      Besonders in Physik begegnet mir aber oft völliges Desinteresse – man lernt für den Test, weil man es muss und hat es zwei Wochen später wieder vergessen. Dem wollte ich einmal begegnen.

      Es ist eine Note von vielen an einer „städtisch geprägten“ Schule. Die meisten Kinder gehen nach der zehn in einen Ausbildungsberuf und werden nie wieder irgendwas mit Physik zu tun haben wollen. „Arbeiten“ im klassischen Sinn gibt es in NRW in den Nebenfächern nicht.

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