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Der politische Lehrer.

halbtagsblog - 0TNz2qlB6mIm wunderbarsten Land der Welt leben wir gerade in ungemein spannenden Zeiten. Nicht erst seit mein Kollege Bob Blume dazu aufrief, sich politisch zu engagieren, nagt das politisch schlechte Gewissen in mir. Ich schrieb vor einigen Monaten bereits darüber, dass ich viele Punkte der CDU toll finde. Und auch der SPD nicht abgeneigt bin. Sahra Wagenknecht macht mich zu einem überzeugten Linken aber als Bauer mit eigenen Hühnern sind die Grünen genau mein Ding.

Mein Problem ist, dass ich vielen Parteien in vielen Punkten zustimme.

Genauer: Das ist unser Problem.

Mittlerweile scheint mir völlig klar, warum in der öffentlichen Wahrnehmung kein Unterschied mehr zwischen CDU und SPD wahrgenommen wird – weil beide Kompromisse eingehen. Ein echtes Profil der CDU wäre, die gleichgeschlechtliche Ehe konsequent und dauerhaft abzulehnen. Das wäre zwar irgendwie dämlich – aber konsequent.

Die Frage ist, ob wir das wollen?

Sind uns intelligente Politiker, die Kompromisse schließen und aufeinander zugehen nicht eigentlich lieber? Aber so verschwimmen Grenzen. Die CDU ist nicht mehr so richtig konservativ. Die SPD keine echte Arbeiterpartei mehr. Die Grünen machen zu viel Wirtschaftspolitik und die FDP ist in Sachen innerer Sicherheit alles andere als liberal. Weil wir vor der Wahl schon wissen, dass es Kompromisse geben wird, halten sich die Politiker mit ihren Versprechungen zurück.

Es entsteht ein einheitlicher Parteienbrei und daraus erwächst Unzufriedenheit.

AFD auf der einen und die Linken auf der anderen Seite stehen nun für ein klares Profil. Sie grenzen sich klar ab und zeigen wenig Kompromissbereitschaft. Klare Botschaften. (Als die Grünen vor Jahren vorsichtig einen Veggie-Day in den Kantinen vorschlugen, wurde ihnen dieses “Profil-zeigen” direkt als “staatliches Fleischverbot” um die Ohren gehauen.)

Bevorzuge ich Parteien mit klaren Aussagen oder mit dem Willen zum Kompromiss? Was (und wen?) halte ich für intelligenter?

imageBetrachte ich mich selbst, bin ich politisch unscharf. Ich kann mich allen Parteien (mit Ausnahme des rechten Flügels) zuordnen. Der klassische Wechselwähler. Mit meiner zehnten Klasse streifen wir das Thema Bundestagswahl immer mal. Mit meinen bald erwachsenen Schülerinnen und Schülern zu diskutieren ist hochspannend. Ein Ziel der Schule ist, Kinder zu mündigen Bürgern zu machen und dazu gehören Diskussionen, Meinungen und viel Bildung. Im Schulgesetz für das Land NRW ist dieser Punkt wie folgt aufgeführt:

Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören.

Oder kürzer (in Rheinland-Pfalz):

Beamtinnen und Beamte sind bei der Wahrnehmung ihres Amtes zur strikten Neutralität verpflichtet.

Gut, aber schade.
Erinnere ich mich an meine eigenen Schulzeit, gab es da Lehrer, die man politisch stark links verordnen konnte. Diese Lehrer standen für eine Überzeugung. Man konnte mit ihnen diskutieren, sich an ihnen reiben und an ihnen orientieren. Sie haben uns keine Wahlzettel aufgedrückt, aber ihre Meinung sehr deutlich kund getan. So etwas bleibt im Gedächtnis.

Ich dagegen bin mausgrau. “Ja, stimmt irgendwie auch” ist das einzige, was ich zu allem sagen kann. Ich bin die Mitte.

Ich möchte gerne eine klare politische Überzeugung haben. Ich möchte nicht grau sein. Ich will für etwas stehen. Ich möchte kompromisslos sein!

Punkt.

Nur, wenn ich länger darüber nachdenke, finde ich Leute, die kompromisslos an ihren Überzeugungen festhalten, eigentlich ziemlich doof.

Schwierige, spannende Zeiten. Klar ist mir eigentlich nur: Einfache Antworten gibt es nicht.

6 Gedanken zu „Der politische Lehrer.“

  1. Für mich ein Kompromis: was Lebenseinstellungen angeht, nehme ich kein Blatt vor den Mund – ich muss ja nicht die dazugehörige Partei nennen. Und da ich auch mal dies mal das aus einzelnen Parteiprogrammen gut finde, hat jeder Schüler sehr gut die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das ist ja schon das schwierigste: Was will ich eigentlich im Leben? Viele plappern ja nur Stammtischgerede nach…

  2. Hauptschulblues hat, wurde er gefragt, immer Stellung bezogen, Beamtenrecht hin oder her. Es kam allerdings selten vor, weil seine KollegInnen und SchülerInnen ihn ohnehin zuordnen konnten.
    Im Beamtenrecht gibt es übrigens die „Restitutionspflicht“, d.h. die Überprüfung und gegebenfalls Zurückweisung von unsinnig oder nicht verfassungsgemäß empfundenen Vorschriften an die übergeordnete Behörde. Wer macht (oder machte vor Jahrzehnten) davon Gebrauch?

  3. +++++1einseinself. Mir geht’s in der politischen Landschaft haargenau so wie dir. Dieses rigide Festhalten an Parteien, weil man die immer gewählt hat, finde ich ganz schlimm. Mit solchen Leuten lässt sich so dermaßen schwer diskutieren. Kann halt gut sein, dass sich genau solche Leute jetzt vermehrt in der AfD finden. Und solche Herr- und Frauschaften fast schon unbelehrbar sind.

  4. Hauptsache es wird überhaupt diskutiert und dabei keiner abgewertet. Nach meiner Erfahrung sind die SuS zu wenig diskussionsgeübt. Debating hilft und jeder Anlass ist genau richtig. Als Lehrende moderiere ich und wenn ich mitdiskutieren möchte,geb ich die Moderationsrolle ab wg. Rollenklarheit.

  5. Also für den Politikunterricht sehe ich das etwas anders. Da orientiere ich mich nach dem „Beutelsbacher Konsens“ (alle PolitiklehrerInnen können den wahrscheinlich um 3 Uhr morgens auf Zuruf zitieren):
    Kontroverse Themen müssen auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden. Wenn also in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ob die AfD rassistische Tendenzen hat, bilde ich das in meinem Unterricht ab. Dabei darf ich natürlich nicht SuS versuchen auf eine Seite zu ziehen, aber wenn Äußerungen gegen geltendes Recht verstoßen, darf ich darauf hinweisen. Zur Kontroversität gehört dann natürlich auch die Argumente der Gegenseite abzubilden.

    Dass sich SuS an einem Reiben kann man ja trotzdem umsetzen, indem man advocatus diaboli spielt.

  6. Witzig, dass der Beutelsbacher Konsens im Kommentar von Klirrtext wie ein Koran der Politiklehrer klingt.
    Die rassistischen Tendenzen der AfD werden sicherlich genauso vehement diskutiert wie die teils offen rassistischen und menschenverachtenden Beiträge von bspw. den Datteltätern und Suzie Grime (beide bei funk und damit öffentlich-rechtlich finanziertes Jugendprogramm, ergo Zielgruppe: Schüler).

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