Es ist zehn vor halb sechs. Abends.
Fluchend sitze ich im Auto im Siegener Berufsverkehrsstau. Seit einer Stunde. Carolina hockt noch in der Schule. Ich wollte nie zu den Eltern gehören, die ihre Kinder erst in der letzten Sekunde abholen.
Ich sehe sie förmlich vor mir: In einem heruntergekommenen, verwaisten Schulgebäude, mit einer Träne im Auge und sich ängstlich mit einer Hand an den wackeligen Zaun klammernd.
Als einziges ungeliebtes Kind noch nicht von den Rabeneltern abgeholt.
Eine Minute vor halb sechs haste ich in das liebevoll gestaltete Gebäude. Die Betreuerinnen sind alle ganz entspannt. Meine Tochter ist mit einem Webrahmen beschäftigt und bemerkt mich gar nicht.
“Carolina, es tut…”, setze ich an.
“Och Papa”, unterbricht sie, “warum kommst du denn schon..!?”
Eigentlich müsste es also heißen: Dritter Schultag. Gleiche Krise.