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Ein Verbotskatalog für Lehrer.

Der Regierungsbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Johannes-Wilhelm Rörig handelt gegenwärtig mit vielen wichtigen Leuten einen Verhaltenskodex aus, der unter anderem festlegt, dass Lehrer und Erzieher

  • bei gemeinsamen Übernachtungen die Räume der Minderjährigen erst nach Anklopfen betreten dürfen
  • die Kinder nicht im eigenen PKW nach Hause fahren dürfen
  • Facebook-Kontakte zwischen Lehrern und Schülern verbietet.
  • und die Anwesenheit in Dusch- und Waschräumen generell untersagt [Link]

Sexueller Missbrauch ist ein ernstes Thema und ich kann nachvollziehen, dass das Erstellen von Verbotskatalogen nach einem richtigen Schritt klingt, mit dem man Kinder schützt. Ich behaupte jedoch, dass ein solcher Katalog den Kindern – zumindest in der Schule – eher schadet, als nützt und vielleicht kann der ein odere andere Lehrer meine Sichtweise bestätigen (oder widerlegen).

Ich möchte mich gar nicht mit den harmloseren Dingen wie “erst nach Klopfen die Räume betreten” oder “Kinder ohne Körperkontakt wecken” auseinandersetzen. Kein Lehrer mit halbwegs gesundem Menschenverstand wird ein Zimmer mit SchülerInnen betreten, ohne vorher zu klopfen.
Was die verbotenen Facebook-Kontate angeht: Sollte man vielleicht Christian von Boetticher (“Es war schlichtweg Liebe.”) von der CDU mal befragen und evtl. Politikern den Kontakt mit dem Volk verbieten…!? Im Ernst – das ist doch Unsinn. Wie schon an mehreren Stellen ausgeführt, nutzen viele Lehrer Facebook als reines Werkzeug.

Spannend – und auf den ersten Blick harmlos – ist die Forderung, Lehrer dürften “Dusch- und Waschräume nicht mehr betreten”. Denn obwohl dieser Grundsatz erstmal vernünftig klingt, wäre er im Alltag eine Katastrophe! Übersetzt heißt heißt das nämlich, Rörig fordert Aufsichtsfreie Räume.

Mal Schritt für Schritt gedacht.
Erstens: Wie oft habe ich es erlebt, dass mein Sportlehrer in die Duschen gekommen ist? Nie. Nicht ein einziges Mal. Habe ich an meinen Schulen je gehört, dass dies der Fall gewesen ist? Auch nie. Im Normallfall passiert so etwas auch nicht. Das weiß jeder Sportlehrer selbst.
Zweitens: Jeder kennt die Stellen auf dem Schulhof, die relativ uneinsichtig sind. Die Aufsicht kann hier nur schwer oder gar nicht reingucken. An diesen Stellen findet man zum einen die Raucher, zum anderen die Schläger. Wird irgendwer verhauen oder beklaut, dann in diesen dunklen Ecken, wo es keine Aufsicht gibt.

Wenn nun Lehrern offiziell verboten würde, die Duschen zu betreten, hätte man eine solche aufsichtsfreie Zone geschaffen. Was immer dort passiert – der Lehrer darf dort nicht rein.
Kerngedanke der “Aufsicht” in der Schule ist nämlich nicht die totale Kontrolle wie im Gefängnis. “Aufsicht” bedeutet, die Kinder müssen sich “beaufsichtigt fühlen”. Sie müssen also das Gefühl haben, dass ein Lehrer jeden Moment dazukommen kann. Auch in der Dusche kann Johannes dem Wilhelm nicht eine zimmern, weil der Lehrer jederzeit das Recht hat, dazwischenzufahren.

Solche Verbotskataloge nützen gar nichts. Ganz im Gegenteil, sie richten nur Schaden an. Was wir brauchen, ist mehr Transparenz und nicht mehr Verbote.

11 Gedanken zu „Ein Verbotskatalog für Lehrer.“

  1. Anklopfen ist eh klar, PKW ähnlich, zu Dusch- und Waschräumen fällt mir nichts ein. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, bei Kursfahrten die Waschräume zu betreten; es war auch nie nötig. Aber deine Argumentation, warum auch da ein Verbot mehr als sinnlos ist, leuchtet mir ein.

    Und das mit den Facebook-Kontakten zwischen Lehrern und Schülern… so ein Käse. Twitter geht aber noch, oder? Und eine Facebook-Gruppe zum Frankreichaustausch, organisiert von der französischen Schule, mit deutschen Schülern und Lehrern drin? Alles weltfremd.

    Auch bei Facebook würde ich beim Nutzen die Transparanz schätzen, wenn ich es nutzte: Für mich ist das eh alles öffentlich, was da steht, um dementsprechend verhalte ich mich auch.

  2. Pingback: netzwerkB » Blog Archiv » Ein Verbotskatalog für Lehrer

  3. Diese Medienkampagne, die überall verbreitet, es gäbe einen Maßnahmekatalog – der von dem Unabhängigen Bundesbeauftragen für Fragen zum Thema sex. Missbrauch erstellt worden sei, entspricht nicht der Wahrheit.
    Hr. Rörig hat mittlerweile eine Richtigungstellung auf seiner homepage veröffentlicht, von der in den einzelnen Online – Zeitungen, die diese „Mär“ propagiert haben, nichts zu finden ist.
    siehe: http://beauftragter-missbrauch.de/course/view.php?id=31
    Grüße von Sarah Mohn (Betroffene von fam. sex. sat, rit. Gewalt in der Kindheit).

      1. Schade, dass es anscheinend doch keinen Maßnahmenkatalog gibt. Also ich sehe es grundsätzlich so, dass ein männlicher Pädagoge nichts in Mädchenduschen oder Umkleideräumen zu suchen hat und dass ein weiblicher Pädagoge nichts in Jungenduschen zu suchen hat, so lange sich unbekleidete Teenager darin aufhalten, da ansonsten das Schamgefühl der Teenager verletzt wird.
        Eine Ausnahme wäre natürlich ein Notfall, in dem man von den Teenagern selbst ausdrücklich zu Hilfe gerufen wird oder natürlich Anklopfen und Nachfragen durch den Lehrer, ob alle angezogen sind und man den Raum betreten darf.
        Ich erinnere mich an meine eigene Schulzeit, in der der Sportlehrer grundsätzlich immer in die Duschen kam, sobald die Mädels nackt duschten und beim Duschen aus nächster Nähe zusah oder die Mädchen nötigte vor ihm nochmal zu duschen, da sie angeblich noch gerochen hätten.
        Der liebe Pädagoge durfte erst die Räume nicht mehr betreten, wurde dann suspendiert, weil er sich nicht daran hielt und durfte später zu unser aller Ärger dann doch weiterarbeiten.

        1. Volle Zustimmung. Männliche Pädagogen haben „grundsätzlich“ in Umkleidekabinen nichts zu suchen. Punkt.
          Ihre Erfahrung ist imho auch durch nichts zu entschuldigen, ich würde sie aber für einen Einzelfall halten.

          1. Hallo,

            also was ich leider nicht verstehe ist, dass sie solche Fälle anscheinend für Einzelfälle halten.
            Sexueller Missbrauch egal in welcher Form kommt am häufigsten gerade im sozialen Nahbereich der Kinder vor, der Familie, dem näheren Bekanntenkreis und vor allem leider auch in den sozialen Berufen sehr häufig vor, also überall dort wo Abhängigkeitsverhältnisse, Machtstrukturen und ein geschlossenes System existieren, in dem der Zugriff auf die Kinder leicht ist.
            Natürlich kann ich verstehen, dass es für die meisten Menschen schwierig ist das `Undenkbare` zu denken, eben z.B. das der freundliche, kinderliebende Opa oder Kollege mit dem man eventuell nach eng befreundet ist, nicht eben nur im Vorbeigehen aus Versehen oder scheinbar zufällig mit der Hand auf den Popo oder die Brüste seiner Lieblings-Enkelin oder Lieblings-Schülerin für die er sich ja so einsetzt gefasst hat und dass man sich tatsächlich in Menschen, die einem sehr nahe stehen täuschen kann. Man denkt vielleicht nur, weil es für einen selbst undenkbar ist und nie in Frage kämen, würde das für alle anderen auch gelten, aber das ist eben nicht immer der Fall. Man kann es Menschen nun einmal nicht
            ansehen und viele merken es nicht einmal, dass sie jahrzehntelang mit einem pädophilen Täter verheiratet sind oder sie haben es verdrängt.
            Anbei eine gute Infoseite zu sexuellem Missbrauch:
            http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/SexuellerMissbrauch.shtml

            Liebe Grüße
            Brigitte

            1. Ich denke, wir werden hier keinen gemeinsamen Nenner finden.
              Ich weiß, dass Missbrauch am häufigsten in der Familie anzutreffen ist und ich weiß, dass so etwas oft vorkommt. Und doch habe ich den Eindruck, wir bewegen uns in eine hypersensible Richtung, die in den USA schon anzutreffen ist: Ein Achtjähriger zeigt einer Achtjährigen seinen Penis und wird wegen sexueller Nötigung (?) angeklagt. Das ist lächerlich. Oder: Die Kinder dürfen zu Weihnachten nicht mehr auf den Schoss vom Weihnachtsmann klettern, weil es könnte ja sein, dass…

              Und wenn man eben doch aus Versehen jemanden am Hintern streift, dann ist das nicht in jedem Fall Missbrauch oder mit bösen Hintergedanken. Aber diesen Gedanken bekommt man kaum mehr raus. Jedes normale Verhalten wird gleich auf Missbrauch hin untersucht und ich entdecke auch bei mir selbst, dass ich immer wieder bei meinem eigenen Verhalten denke „Oh, könnte jetzt irgendwer das sehen und denken, dass..“.
              Früher hat man weinende Kinder in den Arm genommen und getröstet. Heute müssen Lehrer wie Roboter dastehen und jeden Körperkontakt vermeiden. Und ja – ich sehe die Problematik. Das fängt schon bei aufmunterndem Schulterklopfen an: Es ist meines Erachtens ein völlig normales Verhalten, jemandem aufmunternd auf die Schulter zu klopfen. „Hast du gut gemacht!“ Aber wehe jemand beobachtet, wie der Kollege Sowieso eine Schülerin an der Schulter berührt…

              Eine gesunde Mitte wäre meines Erachtens wünschenswert.

              1. Hallo,

                ich denke schon dass wir auf einen gemeinsamen Nenner der goldenen Mitte kommen können, weil uns doch allen sowohl der Schutz der Kinder als auch der Schutz vor falschen Verdächtigungen Erwachsener am Herzen liegt und trotzdem jeder dabei ein natürliches, unbeschwertes Leben führen möchte ohne jederzeit bei jeder kleinsten NORMALEN Zuwendung überlegen zu müssen, darf ich das jetzt oder nicht ;-).

                Sowohl das eine als auch das andere Extrem kann zu bösen Folgen führen, da haben Sie vollkommen recht.

                Umso wichtiger ist es zu klären was ist NORMAL und wo wird die Grenze gezogen.

                Gerade die Unsicherheit der Leute jemandem kein Unrecht tun zu wollen und die Tatsache dass das Thema unangenehm ist, führt oft dazu, dass gar nicht erst darüber geredet wird und Fälle gar nicht aufgedeckt werden und damit auch jede Hilfe ausbleibt.
                Eine übertriebene Handhabe und ein falsches Verständnis von der eben angesprochenen Grenze erledigt dagegen unschuldige Erwachsene, seelisch, körperlich und beruflich auf ganzer Linie. Da möchte kein Außenstehender gerne für das eine oder andere Verantwortung übernehmen und hält sich lieber heraus,
                was sogar verständlich ist.

                Ich denke, dass es wichtiger als ein Maßnahmenkatalog ist, die Kinder wirklich zu selbstbewussten Menschen zu erziehen und sie dafür zu sensibilisieren welche Art von Vertrautheit zu Erwachsenen und umgekehrt in Ordnung ist und welche nicht und dass es Ok und wichtig ist sich darüber anderen auch mitzuteilen, ich denke damit hätte man mit Abstand am meisten gewonnen.

                Ich denke auch man sollte auch einfach versuchen mehr mit den Opfern zu reden und gemeinsam überlegen, was man besser machen könnte, um in Zukunft Missbrauch zu verhindern oder zumindest schneller aufzudecken, ohne eine Hetzjagd zu veranstalten.

                Eine andere wichtige Sache ist, ein vernünftiges Verhältnis zu seinem Körper und zur Sexualität zu haben und nicht durch übertriebene Verhaltensregeln oder zu prüde Ansichten als Vorbild unsere Kinder zu verkorksen, ähnlich wie das teilweise leider in den USA passiert da stimme ich mit Ihnen überein 😉

                Auf jeden Fall wünsche ich mir, dass die Leute mehr über dieses Thema nachdenken, schaden kann es sicher nicht und es wäre einfach zu schade wenn es weiter ein Tabuthema bliebe.

                Damit schließe ich das Thema jetzt einmal ab.

                LG
                Brigitte

        2. Ich find´s einfach nur traurig, dass solche Kataloge überhaupt nötig sind.
          Kein guter Lehrer würde seine Rechte ausnutzen, um seinen Schülern dadurch zu schaden – auch nicht, wenn er sich tatsächlich in eine/n seiner/ ihrer Schüler/innen verliebt hätte o.ä. „plausible“ Gründe für ein grenzüberschreitendes Verhalten hätte.

          Viel schlimmer finde ich jedoch das Verhalten vieler Schüler, die aus Wut oder Rache aus einem anerkennenden Schulterklopfen eine sexuelle Belästigung zu machen versuchen – kein Wunder also, dass sich die Politik zur Erstellung solch (absolut übertriebenen!) Verbotskatalogen gezwungen sieht, was im Endeffekt nur das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern belasten bzw. verschlechtern wird. – Mein Sportlehrer hat mich auch schon öfter bevorzugt, mir Komplimente gemacht und seine Hand auf meine Schultern, Arme und Hände gelegt – so what?! Ich fand ihn so schon super nett und solch ein „kumpelhaftes“ Verhalten hat ihn nur noch zum absoluten Lieblingslehrer erhoben 😉

          – Und, bevor irgendwer voreilige Schlüsse zieht:
          1.) Nein, er wollte nichts von mir und
          2.) er hat sich zwar nur mir gegenüber so verhalten, aber hätte ich ihm zu verstehen gegeben, dass ich das nicht möchte, hätte er es 100%ig sofort gelassen!

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