“Muss ich mich benehmen?”, fragt meine Tochter in jenem gelangweilt-professionellen Teenager-Tonfall, der ihrem Alter entspricht. Als wir empört schweigen, fügt sie seufzend hinzu: “Also, ist es euch wichtig oder nicht so?
Meine kleine Gemeinde hat für ein Wochenende Christina Brudereck eingeladen. Brudereck ist Theologin und Autorin, obwohl dieses Wort viel zu klein für sie ist. Sie ist eher Wort-liebende, Wortschaffende. Gemeinsam mit dem Pianisten Benjamin Seipel bildet sie das Duo „2Flügel“. Heute morgen hat sie im Gottesdienst ganz beeindruckend über Maria und Martha gepredigt und heute Abend gemeinsam mit ihrem Mann gespielt, erzählt, gelacht und gemahnt.
Zu dem Konzert abends habe ich ein paar Kollegen eingeladen und eine ehemalige Schülerin, die schon literarische Preise gewonnen hat. Obwohl wir allesamt auf die ein oder andere Weise nicht ganz unbeleckt sind, was Poesie, geschriebene oder gesprochene oder gespielte Worte oder musikalische Leistungen angeht (nach 8 Jahren des intensiven Schreibens auf diesem Blog merkt man mir den Mathematiklehrer nicht mehr direkt an (hoffe ich) (bitte bestätigt mich!))… obwohl wir also alle nicht gänzlich unbegabt sind, saßen wir doch mit offenen Mündern da. Das war Champions League (um eine Sportmetapher zu benutzen) und ich ahne, warum meine Frau seit Jahren für Brudereck schwärmt. Meine älteste, wunderbarste Lieblingstochter sitzt neben mir und hört Seipel verträumt zu. Sie hört Klavierspiel anders als ich. Sie ist Pianistin – ich will aus unserem Klavier ein Weinregal bauen.
Verzweifelt versucht man sich Abschnitte, Sätze oder Worte zu merken, sie auf der Zunge zu schmecken und im Ohr klingen zu lassen – aber ach, es folgt schon der nächste Satz, das nächste Wortspiel. Zu schnell, zu viel, zu gut. Es ist brillant. Jeder Augenblick. Ein zweistündiges Feuerwerk an Inspiration, Denken und Gedenken und Gedanken, lachen und schlucken.
Als wir spätabends nach Hause fahren, lässt sich Carolina seufzend ins Auto fallen. “Sorry, Mum, aber wenn ich mal heirate – will ich, dass die das macht!”
“Wie gut, dass du dich benommen hast!”, brummelt die wunderbarste Ehefrau (und nur noch zweitbeste Pastorin) von allen.
Morgen Abend geht es weiter. Und übermorgen auch nochmal. Ich freue mich drauf.