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Classcraft im Unterricht #3 – Storytelling von A bis Z

Via Twitter habe ich Kontakt mit dem Kollegen @TeacherRogueOne aufgenommen, der seit langem einige Unterrichtskurse in ein langes Rollenspiel („Classcraft“) verwandelt hat. Diesen Ansatz finde ich extrem spannend und hatte ihn gebeten, das Spiel an für Einsteiger vorzustellen. Dieser Bitte ist er freundlicherweise an dieser Stelle nachgekommen und viele von euch haben um mehr Details und einen tieferen Einblick gebeten. Nun: Vernetzung lebt von Austausch, Wertschätzung und Rückmeldung und weil sich jede Menge Leute für diese Arbeit interessieren, haben wir die Gelegenheit, tief in diesen Unterricht einzutauchen, der weltweit viele tausend Schüler begeistert. Heute: Folge 3. Viel Spaß!

Einführung

Hallo und willkommen zurück zum 3. Artikel über Classcraft. Heute geht es ums Storytelling für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis und wie man den Unterricht mit einem Handlungsbogen unter einen Hut bringt. Ganz am Ende stelle ich das Storytelling aus einer Unterrichtseinheit über Grammatik und Märchen als zusammenhängende „Erzählung“ dar, damit ihr konkret seht, wie meine Schüler die Unterrichtseinheiten erlebt haben. Weil dieser Artikel immer länger und länger wurde, gibt es diesen Einblick im kommenden Teil.

Wie immer gilt: Nehmt an Ideen und Inspiration mit, was ihr mögt. Wer dem Thema grundsätzlich negativ gegenübersteht mag sich aber an anderer Stelle austoben. Ich habe dazu weder Zeit noch Lust.

Zeit für Legenden

Im letzten Artikel habe ich die technische Seite des Storymodus erklärt. Das lasse ich daher größtenteils außer Acht und wir konzentrieren uns aufs Geschichtenerzählen und die Verzahnung von Story und Unterrichtsgegenstand.

Ihr wisst ja, was ihr in der Unterrichtseinheit behandeln wollt und überlegt, welche der 24 vorgefertigten Karten eine passende Umgebung für euer Abenteuer wäre. Soll es ein mysteriöser Turm sein? Eine Höhle? Eine märchenhafte Schneelandschaft mit vielen Geheimnissen und Landmarken?

Habt ihr euch festgelegt, setzt ihr einen Startpunkt auf der Karte und erfindet einen Grund und damit eine Geschichte, warum oder wie die Helden – eure Schüler – hier ins Abenteuer gezogen werden.
Vielleicht ist es ein eingeschneites Fischerdorf, dessen Bewohner die Helden um Hilfe bitten, weil der Winter mysteriöser Weise nicht enden will? Oder im Wald ist plötzlich ein riesiger Magierturm erschienen, der den Bewohnern Angst macht und sie bitten die Helden, der Sache auf den Grund zu gehen? Vielleicht finden die Helden ja auch einen Menschen in Not, dem sie helfen und so in ein Abenteuer verstrickt werden? Oder die Helden besuchen eine fremde Stadt, durch die sie einen Rundgang machen und dabei viel über eine fremde Kultur lernen, verlorene Schätze beschaffen, ein altes Museum renovieren und neu ausstatten?

Classcraft im Unterricht #3 – Storytelling von A bis Z 1
Screenshot 1

Wo ihr eure Ideen hernehmt, ist euch überlassen. Ihr könnt euch etwas komplett Eigenes ausdenken oder an euch bekannten Geschichten, Filmen, Büchern, Spielen usw. anlehnen. Dabei müssen die Geschichten nicht sonderlich komplex sein.

Auch die offiziellen Questsreihen von Classcraft beschränken sich auf kurze Texte, wobei die Geschichten eher auf die Unter- und Mittelstufe zugeschnitten sind. Der Handlungsbogen wird von Quest zu Quest weitergeführt; wir als Spielleiter schalten nach jeder erfolgreich absolvierten Quest den Pfad zum nächsten Ziel frei.

Für den Anfang reicht es also, wenn ihr eine einfache Rahmenhandlung habt. Damit die Geschichte weitergeht, müssen die Abenteuer eine Aufgabe erledigen: den anstehenden Arbeitsauftrag im Unterricht. Im Classcraft-Interface können wir bequem zwischen dem Story-Text und dem Arbeitsauftrag umschalten (Siehe Screenshot 1).

Ist die Aufgabe erledigt, kommt die nächste Quest, wo die Geschichte nun weitergeführt wird und danach gibt es wieder eine Aufgabe. So könnt ihr bereits mit einer einfachen Geschichte einen guten, motivierenden Handlungsbogen in die Unterrichtseinheit bringen.

Classcraft im Unterricht #3 – Storytelling von A bis Z 2Für Fortgeschrittene

Wollt ihr es etwas ausgefeilter, könnt ihr beispielsweise so vorgehen, dass ihr etwas „World Building“ für eure eigene Fantasywelt betreibt, vor deren Hintergrund eure Questreihen spielen sollen. Die Welt wird etwas konsistenter und in sich stimmiger, und von dieser Basis aus ist es wiederum einfacher, sich weitere Details zu der Welt auszudenken.

Verdeutlichen wir es an der folgenden Überlegung: Kann man die schulischen Themen vielleicht bestimmten Figuren oder Fantasy-Völkern zuordnen? Nehmen wir mal mein Fach Deutsch für die Unterstufe als Beispiel: Grammatik steht an. Das scheint etwas für Gelehrte zu sein, viele Fachbegriffe (Akkusativ, Dativ, Satzklammern, Tempus usw.), also machen das bei mir die Figuren, die an einer Akademie studiert haben: Magier. Die mit ihren dicken Büchern, Schriftrollen und Laboren… Moment! Magier haben auch Alchemielabore! Daraus werden dann eben „Sprachlabore“, wo sie mit der Sprache experimentieren und sie untersuchen: Sätze aufspalten und bis hin zu den kleinsten Partikeln bestimmen… Somit sind Magier für alles zuständig, was mit Grammatik und Rechtschreibung zu tun hat.

Classcraft im Unterricht #3 – Storytelling von A bis Z 3Dann stehen da auch Gedichte auf dem Lehrplan. Gedichte… Hm… die kann man ja auch irgendwie singen. Das sind ja „Lyrics“… und hier im Deutschbuch geht es speziell um Gedichte zu den Jahreszeiten, zu den Monaten… Naturgedichte… Welches Fantasyvolk singt gerne und mag die Natur? Klar! Die Elfen!

Also wird die Unterrichtseinheit bei den Elfen spielen!

Was steht noch an?

Märchen.

Wie passend! Die Märchen könnten als Schauplätze in einer Landkarte eines zauberhaften Waldes auftauchen, die durch Pfade miteinander verbunden sind und die Schüler werden von einer Art Fremdenführer von Schauplatz zu Schauplatz geführt, wo sie dann Aufgaben lösen müssen. In Rollenspielen wird eine Figur, die vom Spielleiter dargestellt wird, NPC (Non Player Character) oder auch Meisterfigur genannt. Es liegt also recht nahe, eine Reihe von Meisterfiguren zu erschaffen, die wie eine Art Mentor die Schüler bei den verschiedenen Abenteuerreihen an die Hand nehmen.

Aus den Ideen lassen sich schon recht gute eigene Geschichten für einen Handlungsbogen schreiben. Wichtig ist dann, dass die Geschichte mit den Aufgaben harmoniert. Die Schüler sollten also nicht das Gefühl haben, aus der Immersion gerissen zu werden, wenn man den Storyteil vorgestellt hat und dann aber sagt: „Und jetzt das Buch auf, Seite 138 bearbeiten!“, und dann passt die Aufgabe nicht zur Geschichte oder wirkt zu sehr aufgesetzt oder gar zusammenhangslos.

Besser ist es, aus der Geschichte heraus die Aufgabe zu stellen. Vielleicht sind die Helden einem Torwächter begegnet, der ein bestimmtes Losungswort hören will oder die Helden müssen in einem Buchstabenhaufen mindestens 12 Wörter entdecken und damit den Torwächter zu beeindrucken, zu bezahlen oder zu bestechen, damit er den Zugang zum Turm öffnet usw. Darum heißt das Lehrwerk bei uns jetzt „Questjournal“, weil der Begriff stimmiger ist, den Wortlaut der Aufgabenstellung passe ich ggf. mündlich an.

Da Classcraft auf klassischen Papier-und-Bleistift-Rollenspielen beruht, bietet es sich sehr an, das Geschehen im Klassenzimmer mithilfe der Quest leicht in ebendiese Richtung zu leiten. Die Schüler sollten die Möglichkeit haben, ein wenig mit den Meisterfiguren interagieren zu können. Natürlich kann man z.B. Schüler in den Quest-Geschichten auftreten lassen, aber das ist eine starre Angelegenheit. Ich wollte es an ausgewählten Punkten in den Geschichten den Schülern ermöglichen, sich mit den Meisterfiguren zu unterhalten oder sogar mit ihnen zu diskutieren, um z.B. zu einer Entscheidung zu kommen oder um in so einem Gespräch einen Aspekt des Unterrichtsgegenstandes konkret zu erarbeiten, anstatt wie sonst üblich ein Lehrer-Schüler-Gespräch zu führen. Die Unterrichtsgespräche werden so weniger abstrakt, weil die Schüler direkt jemanden als Ansprechpartner und Adressaten haben.

Genau diese Art von Storytelling mit leichten Rollenspielelementen und eigenständigen Meisterfiguren habe ich stark ausgebaut. Kommen wir nun zu dem Teil…

Für Profis

Anfang 2020 hatte ich beschlossen, das Storytelling auf die Spitze zu treiben und die Verzahnung mit dem Unterrichtsinhalt voll auszureizen. Zwischen dem rudimentären Storytelling wie ganz oben beschrieben und dem Extrem hier ist alles möglich, je nachdem, wieviel Zeit, Lust und Einfälle ihr habt. Vielleicht setzt ihr den Schwerpunkt komplett aufs Storytelling oder ihr baut mehr Gelegenheiten für Rollenspiel ein oder ihr überlegt euch einen ganz anderen Schwerpunkt, das ist alles euch und eurem Einfallsreichtum überlassen. Die Schüler werden es euch jedenfalls danken.

Dass ich Themen an bestimmte Fantasy-Berufsgruppen oder auch -völker gekoppelt habe, reichte mir nicht für das, was ich vorhatte. Ich wollte, dass die Schüler auf ihren Abenteuern eine Orientierungsfigur haben, die sie wie ein Mentor begleitet und ihnen Neues beibringt. Aber da schien mir diese Figuren etwas zu eindimensional zu werden, weil sie einen Wegwerf-Charakter hatten. Man erlebte ein Abenteuer mit ihnen, dann traf man sie nie wieder? Irgendwie schade. Was, wenn die Figuren wiederkehrende Rollen wären, so eine Art Lernbegleiter innerhalb der Rahmenhandlung?

Hier flossen nun meine Erfahrungen aus 25 Jahren Rollenspiel-Spielleiter ein: Ich wollte eine Reihe von Charakteren aus meiner Rollenspielwelt übertragen, die nicht nur mit einem bestimmten Thema verknüpft waren, sondern auch ihren fixen Platz in der neu erschaffenen Fantasywelt und ein komplexes Eigenleben hatten. Außerdem wollte ich auch, dass die Schüler ein „Zuhause“ haben sollten, einen sicheren Hafen, von wo aus sie ins Abenteuer aufbrechen und dann zurückkehren konnten.

Daraus wiederum resultierte die Idee, dass die Schüler sich eine Meisterfigur aussuchen dürften, mit dem sie als nächstes auf Abenteuerfahrt gehen wollten. Dabei verkörpert die Figur das nächste Unterrichtsthema, was z.B. in ihrer äußerlichen Beschreibung angedeutet wird oder wenn sich die Figur in einer kleinen Rede den Schülern vorstellt.

Ich überließ also den Schülern die Wahl, welches Thema aus dem Lehrplan sie als nächstes bestreiten wollten.

Über das Beispiel aus dem Unterricht erzähle ich euch im nächsten Beitrag mehr.

2 Gedanken zu „Classcraft im Unterricht #3 – Storytelling von A bis Z“

  1. Zwei Absätze über „Für Profis“ steht:

    Paiper-und-Bleistift-Rollenspielen

    Kurze Buchstabendreher. Dies zur Info …
    Du kannst daher meinen Kommentar auch direkt wieder löschen.

    Wollte nur den Hinweis da lassen.

    Danke für Deine tollen Ideen und Blogbeiträge.

    Ich freue mich sehr auf den Start in Deutsch bei meinen 5er.

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