Zum Inhalt springen

Der Weg zum Glück.

Ein unausgesprochenes Gesetz unserer kapitalistischen Gesellschaft lautet: „Arbeite hart, dann wirst du Erfolg haben und zufrieden werden und Glück haben.“ Aber was wäre, wenn diese Schlussfolgerung nicht nur falsch, sondern die Umkehrung richtig wäre? Wenn Glück ein Ausgangspunkt wäre, um zu Erfolg zu gelangen?
Ich bin über ein Buch gestolpert, dass diesem Ansatz folgt: The Happyness Advantage von Shawn Achor.

Wenn ich meine Kinder abends in Bett bringe, dann folgen wir seit vielen Jahren immer dem gleichen Ritual: Ich frage sie, was ihr „Hoch“, ihr schönster Moment am Tag gewesen sei. Spielen mit Freunden, eine Fernsehsendung, quatsch mit dem Papa machen, schwimmen gehen. Manchmal, ganz selten, gab es auch gar nichts Schönes. Das neue Schuljahr beginnt und meine Töchter freuen sich wie verrückt auf den Schulstart. Die eine geht in ihr letztes Jahr der Mittelstufe und die andere verlässt den Kindergarten. Beide sind neugierig, lernwillig und fordernd. Beide viel ehrgeiziger, leistungsstärker und erfolgreicher, als ich (oder meine Frau) es je gewesen sind.

Der Weg zum Glück. 1

Nicht nur in unserer Gesellschaft, auch in der Schule folgen wir dem Ansatz, dass harte Arbeit zu Erfolg führt und damit letztlich zu einem glücklichen Leben.
Das ist auch nicht von der Hand zu weisen: Wer sich seinen Job aussuchen kann, hat es besser, als jemand für den (mangels Qualifikation) nur wenige Berufe zur Auswahl stehen. Und für die Sekundarstufe 1 gilt: Mit genug Fleiß kann fast jeder den mittleren Schulabschluss erreichen.

Ich selbst bin war ein großer Verfechter dieses Schlusses: Wenn sich meine Schülerinnen und Schüler nur genug anstrengen, dann werden sie Erfolg haben. Dann können sie sich ein glückliches, zufriedenes Leben aufbauen. Und von meinen eigenen Kindern erwarte ich das ein Stück weit: Strengt euch an!

Wieso aber gelingt das manchen Kindern scheinbar spielend und anderen gar nicht?

Der Autor Shawn Achor hat in seinem Buch „The Happyness Advantage“ (ab September auch auf deutsch: Das Happiness-Prinzip) über 200 Studien mit insgesamt 270.000 Teilnehmern ausgewertet (sozusagen eine Hattie-Studie für Glück) und in seinem Buch zusammengefasst. Im Kern stellt er dabei die (begründete) These auf, dass positiv gestimmtes Denken uns effizienter, kreativer und produktiver macht und unsere Resilienz gegenüber Rückschlägen erhöht.

Glück

Also: Wer grundsätzlich eher glücklich ist und eine positive Einstellung zum Leben hat, wird am Ende erfolgreich sein. Der entscheidende Punkt an der Sache ist, dass wir unser Hirn darauf trainieren können, empfindsamer für Glück zu sein. Dies geht zum Beispiel mit Meditation oder auch wenn wir die Vorfreude auf ein Ereignis auskosten.

Studien zeigen, dass die Vorfreude oft mehr Einfluss auf unser Glücksempfinden hat, als das Ereignis selbst. Und wenn ich mich an meine Jugend zurückerinnere, sind mir tatsächlich viele solcher Vorfreude-Momente im Kopf geblieben: Wie ich mit meinem besten Freund Stunde um Stunde bevorstehenden Rollenspiel- oder Computernächten entgegengefiebert habe. Wir wir uns nachmittagelang über die Strategie bei „Jagged Alliance“ unterhalten haben. Die Vorfreude darauf hat sich mir tiefer eingebrannt, als die Abende selbst.

Wenn ich mein persönliches Glücksempfinden aber beeinflussen kann, also ein Stück weit dafür verantwortlich bin, dann wird die Frage nach Zufriedenheit im Grunde zu einer Entscheidung: Möchte ich eigentlich glücklich sein?

In einer (wie ich finde atemberaubenden) Studie aus dem Jahr 1979 sollten 75jährige Männer für zwei Wochen so tun, als seien sie wieder 55. Um sie herum wurde die Umgebung angepasst, Kleidung, Fernsehen – alles schien wie 1959. Als die zwei Wochen rum waren, hat man die Männer untersucht und ihre mentalen und physischen Fähigkeiten gemessen. Intelligenz, Merkfähigkeit, Metabolismus – alle Werte haben sich signifikant verbessert.

Eine, weitläufig bekannte Methode, seine Zufriedenheit zu steigern, besteht darin, eine Art Glückstagebuch zu führen: Man solle jeden Abend drei Dinge aufschreiben, für die man abends dankbar gewesen ist. Und tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass das Aufschreiben dieser Glücksmomente langfristig einen größeren Einfluss auf die persönliche Zufriedenheit hat, als eine Verdopplung des Gehalts.

Der Weg zum Glück. 2

Das führt mich zu dem Punkt, dass meine Töchter vielleicht nicht deshalb so leistungsstark sind, weil sie besonders hart arbeiten, sondern weil sie glückliche Kinder sind. Weil sie eine große Lust auf Neues, auf Lernen empfinden. Und der Gedanke, dass ich mit unserem abendlichen Ritual vielleicht ein klein wenig dazu beigetragen habe, lässt mein Herz höher schlagen. Und es führt mich zu der Frage, wie ich meinen Schülerinnen und Schülern helfen kann, glücklichere Menschen zu werden, damit sie anschließend Erfolg haben.

Ich hatte heute viele gute Momente:
Meine Klasse wieder sehen. Mein neues Projekt (Schulhühner!) andenken. Mit meiner Frau einen Kaffee trinken. Das Geschlecht unseres dritten Kindes erfahren. Bloggen.

Aber mein Hoch heute war, meine jüngste ins Bett zu bringen. Ihrem Gequassel zu lauschen. Sie durchzukitzeln, wenn die Mäusefamilie auch ein Bett sucht und leckere Johannisbeeren (in Form ihrer Zehen) findet. Die freche Eule aufzuheben, die immer und immer wieder vom Bett fällt. Das war mein Hoch.

Und Deines? Ich bin wahnsinnig neugierig und bei all den Blog-Lesern und Followern bei Facebook & Twitter sollten wir doch ein paar Einträge für ein Glückstagebuch zusammenbekommen, oder?

So: Was war Dein Hoch?

13 Gedanken zu „Der Weg zum Glück.“

  1. Ein wirklich schöner Text. Mit meinem großen Sohn bespreche ich auch oft abends den Tag Ivy und frage, ob es ein schöner Tag war.

    Mein Hoch? Die Momente, in denen mein kleiner Sohn seinen Kopf an mich gelehnt hat und friedlich eingeschlafen ist. Und die Momente, in denen der Große dem Kleinen gesagt hat, dass er ihn lieb hat und auf ihn aufpasst.

  2. Sohnemann klein stolz eingeschult mit Haischultüte von der Tante und schöner Feier in der Schule – trotz Coronaauflagen.

    Gummibärenwettessen Opa und Enkelkinder.

    Wellenbad in der 20 Grad warmen Ostsee mit 3 ausgelassenen Kindern.

    3 tolle Momente

  3. Bei information-philosophie.de gibt es einen ganz ausgezeichneten Aufsatz von Dieter Birnbacher über das Glück. Auch in Xenophons Erinnerungen an Sokrates gibt es zum Lebensglück einiges.

  4. Glücksmoment heute: nach einem Jahr Auszeit wieder vor einer (großartigen) Klasse stehen und unterrichten.

    Ich habe ein Problem mit deinem Text, denn für mich vernachlässigt er die Tatsache, dass nicht alle die gleichen Startvoraussetzungen haben.
    Ich denke gerade an einen Freund, der von Hartz iv lebt, chronisch krank ist und dem jetzt sein Computer kaputt gegangen ist, über den im Moment fast alle seine sozialen Kontakte laufen. (Corona und chronische Krankheit ist ne blöde Kombination). Klar kann er auch positiv denken üben und sicher tut das auch gut, aber eventuell muss da doch erst mal die materielle Seite sicher sein, das würde definitiv auch zum Glück beitragen.
    Und ich muss an die Kinder denken, die es zu Hause eben nicht so gut haben. Niemanden, der mit ihnen Glücksmomente feiert. Ich weiß noch nicht wie, aber da sind auch wir als Lehrende gefragt, wir können uns nicht darauf zurückziehen, dass sie sich nur entscheiden müssen, glücklicher zu sein und schon kommt der Erfolg, oder?

    Du hast mir auf jeden Fall Stoff zum Nachdenken gegeben, danke dafür.

    Und Glückwunsch zu Kind 3!

    1. Hallo,

      danke für deinen Einwurf! Ich denke, dass wir uns gar nicht so sehr widersprechen, behaupte aber, dass eine allgemeine Aussage immer durch Einzelfälle scheinbar aushebeln lässt: Es wird auch genügend Menschen geben, die durch harte Arbeit zu Erfolg und Glück gelangt sind.
      Aber ich kann mir schon vorstellen, dass für die Mehrheit der Menschen gilt: Hast du ein positives Mindset (und das lässt sich ein Stück weit beeinflussen), bist du produktiver und wirst eher erfolgreich und zufrieden sein.

      In der Schule dann ganz platt: Wer mit Bauchschmerzen in die Schule geht wird nicht so leicht lernen können, wie jemand, der mit Lust auf Lernen morgens im Unterricht sitzt. Als Lehrer kann ich das nur beschränkt beeinflussen – als Elternteil aber umso mehr. Und letzteres ist keine Frage des Geldes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert