Die Infektionszahlen steigen immer weiter und mit ihnen Belastung und Unzufriedenheit mit dem politischen Geschehen. Auch ich merke den Stress am eigenen Leib – aber es gibt eine Geschichte, die mir große Hoffnung bereitet.
„Das Erforschen ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.“
Dieser Satz klang eine Weile in mir nach. Mit über 300.000 Schülern in Quarantäne ist die Krise zum Alltag geworden. Für Experimente, Unterrichtsprojekte und Besonderes ist gerade wenig Raum. „Tagesgeschäft“ ist so ein Begriff. Wer weiß schon, was morgen ist? Es geht nur ums Überstehen der Krise.
Die ständige Wachsamkeit, der ununterbrochene Anforderung, flexibel reagieren zu können, zehrt an den Kräften. Die Politik reagiert stellenweise unglücklich und unflexibel und erzeugt unnötigen Gegenwind. Aktuellstes Beispiel: Von der Ausdehnung der Weihnachtsferien habe ich – ebenso wie viele andere – aus den Nachrichten erfahren. Offiziell ist aber nichts davon. Es gibt kein Schreiben, keinen Erlass, keine Verfügung die diese frohe Botschaft bestätigt. Fragen mich Kollegen, Eltern, Schüler, dann lautet die offizielle Antwort: „Hm.“
Die Krise ist zum Alltag geworden. Das erschöpft.
Giotto di Bondone war ein berühmter Maler der Renaissance und lebte etwa um das Jahr 1270-1340. Er Zeitalter, in das er hineingeboren wurde, war das Mittelalter und entgegen unserer romantischen Vorstellungen von mutigen Rittern in ihren glänzenden Rüstungen war das eine dunkle Phase der Geschichte: Unzählige Kriege und Seuchen bestimmten Lebensgefühl der Menschen. Lepra und Pest waren Krankheiten ungekannter Grausamkeit und ohne jedes Gegenmittel. Man kann sich kaum ausmalen, wie dreckig es den Leuten damals gegangen ist. Der Fokus lag schlicht auf dem Überleben.
Viele hundert Jahre später können wir wohl sagen, dass der Künstler Giotto den Funken der Renaissance entfacht hat. Seine Kunstwerke haben maßgeblich zur Entwicklung der 3-Punkt-Perspektive geführt, die heute in jedem Kunstunterricht vorkommt. Giotto hat nicht nur Tiefe und Ganzheit gesehen – wo andere nur an der Oberfläche kratzten, er hat seine Sicht der Dinge der Welt zum Geschenk gemacht. Er hat den Blick der Menschheit wieder gehoben.
Diese Interpretation ermutigt mich in erstaunlicher Art und Weise. Denn, übertragen auf meinen Alltag, entdecke ich diesen Künstler auch heute an vielen Stellen.
Im #Twitterlehrerzimmer fragt der Lehrer Bob Blume nach neuen Perspektiven, frischen Ideen und Blickwinkeln für seinen Englischunterricht – und erhält vielfache Antworten.
Aus den zusammengetragenen Ideen von zahlreichen Lehrerinnen und Lehrern, die einander nie begegnet sind, entstanden Ideen und konkrete Planungen für einen virtuellen Tag der offenen Tür, dessen Ergebnis sich hier bewundern lässt.
Ja, die Krise ist zum Alltag geworden. Und ja, an vielen Stellen geht es nur darum, irgendwie die Tage zu überstehen.
Aber es gibt sie: Die Giottos. Die Künstler. Diejenigen, die uns neue Perspektiven schenken. Auf Twitter. Auf Insta. Im eigenen Kollegium. Jene, die Mut machen und unseren Blick heben.