Meine Klasse ist inzwischen in der 7 angekommen und in dieser Zeit haben wir viel Vertrauen ineinander gewonnen. Den Ausklang der Woche haben meine Co-Klassenlehrerin und ich für eine diesbezügliche Übung genutzt.
„Herr Klinge, ich wollte Ihnen schon immer sagen, dass Sie wunderschöne Augen haben!“
Mit diesen Worten wurde ich Montag in meinem Klassenraum begrüßt. Einer meiner Rabauken hatte sich in den Kopf gesetzt, mich vor versammelter Mannschaft in Verlegenheit zu bringen. „Ach Macek“, seufzte ich, „ich habe dir schon letzte Woche gesagt, dass ich vergeben bin!“
Großes Gelächter. Jemand ruft Macek zu, er solle nicht traurig sein.
Nach zwei Jahren herrscht große Vertrautheit zwischen uns Klassenlehrern und der Klasse. Gegenseitig wirft man sich schonmal flotte Sprüche an den Kopf, es wird viel gelacht. Seit zwei Jahren legen wir viel Wert auf Team-Spiele. In der Corona-Zeit haben die nochmal mehr an Bedeutung gewonnen.
Die letzte Stunde der Woche verbringen wir immer gemeinsam mit der Klasse und sorgen für einen guten Wochenausklang. „Was war dein Highlight diese Woche?“ ist so eine Übung. Heute sind wir bei gutem Wetter auf den Schulhof gegangen. Jeweils zwei Kinder wurden zusammengestellt, einer sollte mit geschlossenen Augen über den Hof gehen und sich vom Partner durch Schultertippen lenken lassen. Grundregel: Aufeinander aufpassen!
Im Anschluss ein Auswertungsgespräch: Warum spielen wir solche Spiele? Wie habt ihr euch gefühlt? Was hat das mit unserem Alltag zu tun?
Schnell kommen die Schüler*innen auf den Aspekt des Vertrauens und die eigene Verletzlichkeit, wenn man mit geschlossenen Augen umherwandert. „An welchen Stellen des normalen Schulalltages ist man denn noch verletzlich?“
„Wenn man sich einsam fühlt.“ „Wenn man sich meldet, weil man etwas nicht verstanden hat.“ „Wenn Lehrer mich anschimpfen.“
Die ersten Wochen eines jeden neuen Schuljahres sind für mich immer extrem anstrengend. Zahlreiche disziplinarische Schritte, deeskalierende Gespräche und individuelle Entwicklungspläne müssen in Windeseile abgearbeitet werden. Dazu Schulorga, Administration des Computerkrams etc.
Elendig lange Tage und Wochen liegen hinter mir, in denen ich viel zu wenig Zeit für meine Familie und den Hof hatte. Nach und nach lichtet sich die Arbeit etwas und die Highlights häufen sich:
Die vorsichtigen Gespräche mit Kindern, deren Schutzpanzer so dick ist, dass sie eher zuschlagen, als jemanden an sich heranzulassen – aber jetzt, in der vierten Schulwoche langsam auftauen, von ihren Wochenendplänen erzählen und Vertrauen gewinnen.
Die Arbeit in der Schulleitung, die so intensiv, so wertschätzend und so vertrauensvoll im Miteinander ist, dass sie mir wie ein Geschenk erscheint.
Und natürlich Macek, der am Ende der Woche den gleichen Spruch bei meiner Co-Klassenlehrerin anbringt und die knochentrocken erwidert: „Ich weiß genau, dass du das gleiche Herrn Klinge gesagt hast.. Macek, du spielst nur mit unseren Gefühlen und das macht uns wirklich traurig!“
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