Die letzten Tage habe ich mehr Zeit mit einem Stemmhammer als mit meiner Frau verbracht.
Die Erbauer unseres Hauses hatten eine Vorliebe für gemauerte (!) Aquarien, die wir schon vor Jahren mit dem Presslufthammer entfernt haben. Bis zuletzt übrig geblieben ist ein flacher Kaminsims und weiße Fliesen in Esszimmer und Küche. Mit viel Blut (die scharfkantigen Fliesensplitter schneiden mühelos durch jeden Handschuh) und noch mehr Schweiß haben meine älteste Tochter und ich die entfernt und… darunter einen weiteren Boden gefunden: Riemchenparkett. Der wurde seinerzeit einfach mit Ausgleichmaße zugeschüttet und mit Fliesen bedeckt. Und natürlich: Auch der muss weg. Also wieder von vorne anfangen.
Eine ätzende, schweißtreibende Arbeit, der ich nur wenig Freude abgewinnen kann.
Interessant ist, dass ich als unerfahrener Handwerker zu ähnlichen Fehleinschätzungen komme, wie als unerfahrener Referendar: Ich unterschätze die aufzuwendende Zeit um ein vielfaches. Arbeiten, die ich für Tagwerk halte, dauern plötzlich zwei- bis dreimal so lang. Die Fliesen lösen sich nicht großflächig, sondern in winzigen Splittern. Das Riemchenparkett klebt am Boden, als ginge es um Leben und Tod. Habe ich Mitte März noch gewitzelt, dass unsere alte Küche viel zu früh abgebaut wurde, muss ich rückblickend sagen: Das war wohl im letzten Moment.
Elektroleitungen erneuern, ein Wasserrohrbruch und neu verputzte Wände und Decken – all das dauert unendlich viel Zeit. Abreißen. Aufbauen. Trocknen. Streichen.
Ende April kommt die neue Küche und das wird knapp.
Und noch etwas wird mir klar.
Als Kind war mir diese Form von Bauarbeiten sehr verhasst. Ständig mussten Pferdezäune gebaut und instandgehalten werden, wir haben einen Pferdestall gebaut, eine große Scheune errichtet und Drainagen in gefrorenem Boden verlegt.
Obwohl das rückblickend sicher gute Erfahrungen gewesen sind, ist es bedauerlich, dass meine Eltern es nie geschafft haben, diese Projekte zu „unseren“ Projekten zu machen. Es waren aus Kinderaugen eher Frondienste, die zähneknirschend und so schnell wie möglich erledigt werden mussten und darum von mir als besonders qualvoll empfunden wurden.
Diese Empfindung habe ich im Ohr, wenn ich meine eigenen Kinder für die Umbaumaßnahmen einspanne.
In jedem „erfolgreich führen“-Ratgeber für Manager wird aufgeführt, wie entscheidend die Vision für das eigene Empfinden ist. Weißt du, warum du das machst? Erkennst du, was das für dich bedeutet?
Schneller als erwartet hat mir meine sechzehnjährige Tochter den Stemmhammer aus der Hand gerissen und sich ausgetobt. Die eigenen Partys vor Augen, die sie zukünftig in „ihrer“ Küche feiern wird. Stunde um Stunde und Eimer für Eimer den Bauschutt entsorgt.
Mittlerweile bin ich völlig zerschlagen – aber es sind nur noch zweieinhalb Wochen. Und dann werden wir den Sommer einladen und kochen und feiern und Freunde einladen und in meinen Erinnerungen werden die Arbeiten immer dramatischer und blutiger.