Die ersten Wochen eines jeden Schuljahres sind brutal – bei uns an der Schule vielleicht besonders intensiv: Dadurch, dass wir praktisch jedem unserer 750 Schüler einen eigenen, individuellen Stundenplan bieten, müssen zu Schuljahresbeginn Wahlen durchgeführt, die Ergebnisse sortiert und geordnet werden. Eine sehr mühsame Arbeit. Wenn ich an mein Studium denke, dann erinnere ich mich unweigerlich an überfüllte Seminare und Registrierungen, die um Punkt 0 Uhr freigeschaltet und genau dreißig Sekunden später schon mit „keine Plätze mehr verfügbar“ wieder geschlossen wurden.
Wenn nicht einmal Universitäten mit unerschöpflichem Budget, KnowHow und ManPower ein sinnvolles System zustande bringen – wie anstrengend ist so etwas dann für eine kleine, bescheidene Schule? Man kann es sich vorstellen.
Zusätzlich zu diesem organisatorischen Kraftakt und meiner neuen 5. Klasse habe ich heute an einer Fortbildung für die Abteilungsleitungen 1 teilgenommen. Das ist sogenanntes „übergeordnetes Dienstgeschäft“ und damit dem Unterricht vorgesetzt. Wenig schön, dass die Anreise für uns Kolleg*innen aus dem Siegerland über die A45 führt. Jene A45, deren Brücken allesamt so marode sind, dass sie gesperrt wurden. Die Anfahrt wird dadurch sehr, sehr, sehr lang.
Insgesamt empfinde ich solche Fortbildungsveranstaltungen für die Referent*innen als eine eher undankbare Veranstaltung. Für rund 100 Abteilungsleitunger*innen aus extrem unterschiedlichen Schulen Vorträge und Themen zu finden, die alle ansprechen, erscheint mir unmöglich. Einige haben feste Inklusionskonzepte, andere nicht. Einige haben fünf Sonderpädagogen, andere müssen Unterricht kürzen, weil Lehrerstellen fehlen. Egal was man vorne referiert – einen Teil der Gruppe spricht man nicht an.
Spannend auch, dass ich aus diesen Fortbildungen immer etwas geknickt nach Hause fahre. Weil alle Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Schulen kommen und selbst auch unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte haben, bekomme ich vor allem mit, was die alles tun und können und wissen und denke immer: „Jesus, das sollte ich vielleicht auch tun und können und wissen! Wie soll das gehen? Mein Tag braucht noch 10 Stunden mehr!“
Mit gemischten Gefühlen betrachte ich nach vielen Stunden Fortbildung die abschließende Einladung zum Feedback.
Einerseits: Positiv, es wird um Rückmeldung gebeten und das Feedback wohl auch wahrgenommen. Negativ: Die Bezirksregierung fragt nach einem Feedback für eine ihrer Veranstaltungen. Ich denke dann manchmal, das ist so, wie wenn ich meine 8d frage, wie sie meinen Unterricht findet. „Ganz toll, Herr Klinge!“
Dieses Jahr hat mich aber etwas anderes beschäftigt: Ich finde nämlich, dass ich grundsätzlich kein Recht habe, mich zu beschweren. Denn wenn ich sagen würde: „Buh! Lahm! Hatte mir was anderes erhofft“ – dann wirft das die berechtige Frage auf, warum ich mich eigentlich nicht im Vorbereitungsteam engagiere. Und dafür fehlt mir schlicht die Zeit.
Zu meckern und alles doof zu finden, passiert im Leben an vielen Stellen: Politiker sind doof. Lehrer sind doof. Schulleitungen sind doof und – klar – das Kompetenzteam der Bezirksregierung ist auch doof. Aber zwischen besser wissen und besser machen liegen dann doch Welten und besser machen will es am Ende niemand. Also verbietet sich jede abwertende Kritik von selbst und ich habe nur einen thematischen Wunsch („Change Management“) für zukünftige Veranstaltungen notiert.
In den Kaffeepausen beantworte ich E-Mails und arbeite Anfragen aus dem Kollegium ab. Das könnte ich auch morgen machen – aber dann stapelt sich die Arbeit morgen und da steht abends noch die Elternpflegschaft an und, hm, ich unterrichte ja auch noch.
Schulanfang ist brutal.
Abends um 18 Uhr komme ich zu Hause an und bin wirklich durch. Dauerhaft könnte ich eine solche Intensität nicht durchhalten.