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Lebensglück im Zirkuszelt.

Ich habe in meinem Leben wirklich unverschämt viel Glück gehabt. Und damit meine ich nicht das Glück, überhaupt in einem der reichsten Länder der Welt geboren zu sein. Als Teenager habe ich derart viel hanebüchenen Unsinn getrieben, dass es mir bei der bloßen Erinnerung daran die Schamesröte ins Gesicht treibt. Ich habe vielerlei Glück gehabt, saudämliche Mutproben überlebt zu haben. Glück gehabt, mich rechtzeitig von Freunden zu lösen, deren Lebenswege in selbstzerstörerischem Verhalten mündeten. Während meiner Schullaufbahn haben meine Lehrer:innen mehr als nur ein Auge zugedrückt und mein Studium konnte ich nur abschließen, weil die Prüfer im Fach Psychologie Mitleid mit mir hatten und mir Prüfungsangst zustanden, statt mich ob meiner (letztlich mangelhaften) Vorbereitung mit Schimpf und Schande zu exmatrikulieren. Glück. Viel, viel Glück.

All das liegt Jahre zurück. Aber nichts davon habe ich vergessen. Noch heute habe ich jene Momente vor Augen, an denen nur um ein Weniges hätte schief gehen müssen und ich wäre heute nicht hier.

ZirkusStatt dessen sitze ich – unverdient und zwischendurch sehr demütig – in einem Zirkuszelt.
In der Grundschule meiner mittleren Tochter war „Zirkuswoche“ und die letzten Tage wurde viel geprobt und – noch wichtiger – sich gefreut.
„Ich darf nicht sagen, was ich mache, Papa. Das ist ein Geheimnis!“, erklärte sie unentwegt um dann doch zu erzählen, was sie alles nicht machen würde und das sie jetzt in ihrem Zimmer noch geheime Sprünge und Figuren üben müsse. Ihre Vorfreude kennt keine Grenzen.

Heute Abend war Vorstellung.
Wohnt man in einem kleinen Dorf wie ich, kennt man viele Gesichter. Es gibt Momente im Leben, in denen alles andere, alles Unwichtige und Nebensächliche abfällt. Augenblicke, die so perfekt sind, dass ich denke: „Ungefähr so wird der Herrgott im Himmel sich das vielleicht gedacht haben.“
ZirkusDiesen vielen Kinder heute Abend zujubeln zu dürfen, war ein solcher Moment für mich. Mit welcher Freude die Kinder durch die Luft gewirbelt wurden, Feuer geschluckt haben und eine Choreografie nach der anderen für uns zauberten. Die kleinsten Mäusken, kaum einen Meter groß, flogen meterhoch durch die Manege und strahlen und lächelten.

Die Professionalität der Artisten und Mitarbeiter des Zirkus war beeindruckend. Jeder Handgriff saß, rutschte ein Kind zur Seite, wurde es blitzschnell aufgefangen.

Welches Glück. Welch unverdientes Glück, dass nach all meinen „beinahe-verkorksten Jahren“ meine Tochter mitten drin springen und turnen und schweben darf.

Ich brauche die Vergegenwärtigung solcher Erlebnisse. Erst recht, nach der vergangenen Woche. Ruhe. Glück. Demut. Alles Dinge, die in solchen Momenten zurückkommen.

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