„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – das bekannte schon Hermann Hesse und ich teile diese Ansicht leidenschaftlich. Ob nach den Sommerferien mit aufgeräumtem Mäppchen und blitzblanken Heften (wohlwissend, das beides nie aufgeräumter und schöner sein würde, als am Morgen des ersten Schultages), ob Beginn einer neuen Sportsaison oder am ersten Tag eines neuen Jahres: Ein neuer Anfang verspricht unendliche Möglichkeiten. Alles kann erreicht werden. Nichts ist unmöglich.
Ich bin ein Anhänger. Ein Träumer. Ein Neuanfänger. Ein Anfänger.
Obwohl wir als Familie am letzten Tag des Jahres meist gemeinsam das Jahr auswerten, tue ich mich schwer damit zurückzublicken.
Ich hatte völlig vergessen, dass meine älteste Tochter zwei Wochen in England war. Und zwei Wochen im Praktikum bei meinem Bruder in Aachen. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo wir im Sommer im Urlaub waren – Frankreich, Holland oder Deutschland? Wie hieß der Ort? Wo war das? Alles weg.
Während andere Blogger (Herr Rau, der Kinderdok) am Ende des Jahres erzählen, welche Bücher sie gelesen haben, kann ich mich nur an ein einziges erinnern: Fairy Tale von Stephen King. Alles andere ist verschwunden.
“Your mind is for having ideas, not holding them.”
Dem Autor David Allen wird das Zitat zuschrieben, der Verstand sei dafür da, Ideen zu haben, nicht sie zu behalten. Das ist natürlich eine bequeme Einstellung, die meine Vergesslichkeit (oder Ignoranz?) wunderbar entschuldigt. Aber ich mag den Gedanken trotzdem.
Also: Volle Kraft voraus auf das kommende Jahr. Mein leerer, aufgeräumter Schreibtisch steht bei mir am Anfang vieler kreativer Prozesse.
Ich bin ein Wegschmeisser. Zettel werden entweder digitalisiert oder archiviert oder weggeworfen. Liegengelassene Kugelschreiber, Zettel oder Verpackungsreste, die meine Familie in liebevoller Achtsamkeit auf meinem Schreibtisch drapiert, sorgen bei mir für stummes Zähneknirschen. In den vergangenen Monaten habe ich sehr viel weniger Zeit im „Home Office“ verbracht, als in den ersten anderthalb Jahren Corona. Das liegt vor allem auch daran, dass ich mir mein Büro so hübsch eingerichtet habe.
private Vorsätze im neuen Jahr
Mit meiner Tochter starte ich erneut unsere Süßigkeiten-Challenge. Alles Kleingeld wandert in ein Marmeladengeld – wer länger durchhält, nicht zu Süßigkeiten/Fastfood/… (im Grunde alles, was man als Gift bezeichnen könnte) zu greifen, gewinnt. Das wird easy und ein Selbstläufer.
In den vergangenen Tagen habe ich praktisch jede freie Minute an meinem Roman geschrieben und dabei festgestellt, dass mir das unglaublich viel Freude bereitet. Wie ein Spaziergang des Verstands. Oder einen Film zu drehen, wenn man der Regisseur ist. Ich entwerfe Szenen und stelle zwei Tage später fest, dass sie anders ablaufen müssen. Es ist wie Meditation und Handwerk in einem. Das Gefühl, nach vielen Jahren ein Hobby gefunden zu haben, das mich wirklich erfüllt, sorgt für sehr viel Ruhe in meinem Kopf.
Direkt morgen treffe ich mich mit einem guten Freund zum Wandern. Zwei Tage ohne Kontakt zur „Außenwelt“. Nur wandern und schweigen und wandern und Zeit teilen. Seit Monaten fiebere ich dem entgegen.
Spannend wird das Jahr für uns als Familie. Meine Frau wird nach 14 Jahren ihre Stelle als Pastorin aufgeben und sich etwas Zeit für eine Neuaufstellung nehmen. Diesen Prozess beobachte ich neugierig, weil es – na klar – ein Neuanfang ist. Unendliche Möglichkeiten. Weiter als Hochzeitsrednerin? Oder Fokus auf Beerdigungen? Vielleich auch als Coach/Therapeutin/Beraterin? Oder doch als Pastorin in eine andere Gemeinde?
Das wird spannend, aber ich befürchte jede Menge Notizzettel und Schnipsel auf meinem Schreibtisch.
berufliche Vorsätze im neuen Jahr
Beruflich habe ich nur einen einzigen Vorsatz: Gesund bleiben.
Die Arbeit in der Schulleitung macht mir unglaublich Spaß. Nach all den Jahren ist inzwischen soviel Routine eingekehrt, dass ich viele Dramen ohne beschleunigten Puls meistere. Die Belastung insgesamt wird durch mangelnde Lehrkräfte, steigende Schülerzahlen, schließende Schulen und weiterhin hohe Zuzüge von (sprachlosen) Flüchtlingskindern hoch bleiben, vermutlich steigen. Mein einziger Vorsatz: Gesund bleiben und den Kolleg*innen möglichst viel Unterstützung, Raum und Gestaltungsmöglichkeit zu geben, um auch gesund zu bleiben.
Ein schönes neues Jahr und viel Spaß beim Wandern! (Ich lese ja bereits davon.) Und: Aufschreiben hilft beim Erinnern. Aufräumen und wegwerfen sind schön, aber ich lege vorher externe Gedächtnisspeicher an.