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Hoher Besuch und tiefe Enttäuschung

Nachdem der anvisierte Besuch unserer Schulministerin im September leider ausfallen musste, habe ich ehrlicherweise nicht mehr mit einem Nachholtermin gerechnet: Bei allem Selbstbewusstsein: So wichtig ist meine Gesamtschule dann doch nicht und entgegen landläufiger Stammtischparolen haben Politiker einen absurd vollen Terminkalender.

Hoher Besuch und tiefe Enttäuschung 1Ich sollte mich irren, denn Frau Feller hat uns nicht vergessen und wollte sich heute viel Zeit nehmen, um unsere Schule zu besichtigen und sich insbesondere mit unserem Schulkonzept auseinanderzusetzen. Platt gesagt: Jeder unserer 700 Schülerinnen und Schüler hat einen eigenen Stundenplan. Maximale Individualisierung. Keine zwei Kinder durchlaufen die gleichen Bildungspfade bei uns.

Gestern habe ich mit meiner Klasse darüber gesprochen, wer da heute zu Besuch kommt („Das ist sozusagen die Königin von allen Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen“) und welche Fragen die Kinder ihr stellen wollen würden. Interessant, wie wenig Vorstellung die Kinder von Politik haben.

Neben der Schulministerin und uns als Schulleitung waren auch Vertreter der oberen Schulaufsicht und der Stadt Siegen zugegen.

Das war ein unglaublich spannendes Treffen, weil drei gewaltige Maschinerien aufeinandergetroffen sind: Die Praxis einer konkreten Schule mit all ihren gegenwärtigen Herausforderungen (zu wenig Räume, zu wenig Lehrkräfte), die Stadt als Schulträger (zu wenig Mittel für zu viele Schulen) und das Land (kann auch keine Lehrer herzaubern, zu wenig Mittel für noch mehr Schulen).

Ich staune oft. Wenn Leute ihr Handwerk verstehen, kann ich nicht genug davon bekommen, zuzusehen und zu lernen. Programmierer, die systematisch nach Lösungen suchen. Ein Trockenbauer, der mit wenigen Handgriffen eine Wand verputzt. Die Beispiele sind endlos. Und auch heute fand ich mich immer wieder – als kleinstes Rädchen im Geschehen – in dieser Position des Staunens wieder: Da sprechen Leute miteinander, die über ein beeindruckendes Hintergrundwissen und über ein systemisches Denken verfügen, dass mir völlig fremd ist. Ich gestehe, dass mich insbesondere Frau Feller in ihrem Auftreten sehr beeindruckt hat.

Gerade Siegen steckt in einem ganz fürchterlichen Schulstreit fest und am Ende haben wir der Stadt hoffentlich deutlich machen können, wie wichtig unsere Arbeit ist und wie sehr wir (weiterhin) die Unterstützung der Stadt brauchen. Unsere auf Jahre angelegte Vision ist, als große Schule den Stadtteil positiv zu prägen. Und das funktioniert nicht einfach so.

Am Ende des Tages, nach viel Organisation, Gesprächen und Unterricht gehe ich müde nach Hause. Auf dem Lehrerparkplatz steht eine kleine Gruppe verlorener Fünftklässler herum. Halodris, deren Namen ich alle kenne (meist kein gutes Zeichen).
Ob denn die „Frau Miristarin“ noch da sei. Nein, sage ich, leider nicht. Die sei schon weitergereist zum nächsten Termin. „Was?“, empört sich einer von ihnen und seine Augen glitzern, „aber die war gar nicht in unserer Klasse.“ Entsetzen und Trauer mischen sich in seiner Miene und zwei Tränen fließen. Er hatte sich soooo darauf gefreut.
Ich tröste und verspreche, dass ich beim nächsten Mal darauf bestehen werden, dass die „Frau Miristarin“ auch in seine Klasse kommt.

Politik. Am Ende enttäuscht man dann doch wieder.

 

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