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Es ist eben nicht nur „spielen“.

Eine Kita-Leiterin (Link: Liawah1) hat auf Twitter einen bemerkenswerten Einblick in ihre Arbeit geliefert, den ich mich freundlicher Genehmigung hier wiedergeben darf: Es ist eben nicht nur spielen.

Es ist eben nicht nur "spielen". 1
Foto: Liavah1

Es sieht eben immer nur nach „spielen“ aus. Für uns pädagogische Fachkräfte ist es aber viel mehr als das – und leider sieht man es oft von außen nicht, was im Hintergrund passiert.
Ich nehme euch mit in 10 Minuten Kitaalltag.
Das Kind (knapp 2) hat angefangen, „Menschen“ auf eine Legoplatte zu setzen.
Bewusst verwende ich nicht das im Schwäbischen typische „Männle“, denn es sind auch Frauen dabei. Ich begleite das Kind verbal und beschreibe wertungsfrei, setze aber absichtlich keine Spielimpuls bzw. gebe keine Richtung vor, weil ich weiß, dass das Kind es kognitiv und sprachlich selbst kann.
Das Kind sagt, es möchte ein Lagerfeuer bauen und die Menschen sollen drumherum sitzen. Ich frage, was man für ein Lagerfeuer braucht. Holz, antwortet es. Ich biete ihm einen grauen Stein an: „Könnte das das Holz sein?“
Das Kind nimmt Blickkontakt mit mir auf und setzt den Stein in die Mitte. „Und Feuer!“. „Welche Farbe soll das Feuer haben?“ Bewusst frage ich hier nach, denn das Kind lernt gerade die Farben. Das lasse ich im Spiel in den Dialog einfließen und decke damit ein Bildungsthema ab.
Das Kind baut ein „großes Lagerfeuer“ und setzt weitere Figuren dazu. Im Dialog benennen wir die Menschen. Ich gebe einen bewussten Impuls, damit aus dem reinen Aufstellen evt. eine kleine Geschichte wird. „Die Frau möchte auch ans Lagerfeuer! Darf sie sich auf den Stuhl setzen?“
Das Kind beginnt, auch die anderen Figuren zu bewegen und fängt an, sich in diese hineinzuversetzen. Es freut mich sehr, denn das hat das Kind bisher nicht gemacht/gekonnt und ist ein wichtiger und großer Schritt. Eine Figur holt nun Würstchen. Das Kind bewegt die Figur weg.
Das Kind holt einen Feuerwehrschlauch: „Das Lagerfeuer ist aus!“
Ich: „Sollen wir es wieder anmachen?“ Ich möchte aktiv versuchen, das Kind noch etwas im Spiel zu halten.
Das Kind baut das Feuer höher. Das beginnende Rollenspiel geht aber wieder mehr in ein Konstruieren über.
Geschickt sitzt das Kind die Steine auf das den bereits bestehenden Turm. Es erkennt, wo die Noppen sind und dass man nicht wahllos setzen kann und merkt, dass der Turm immer wackeliger wird.
Zwischendurch kommt ein anderes (kleineres) Kind. Ich bitte die Kollegin durch Blickkontakt, das andere Kind wegzulotsen. Es wäre schade, wenn das Spiel unterbrochen würde. Das andere Kind ist vom Entwicklungsstand nicht so weit, es sinnvoll in *dieses* Spiel einbinden zu können.
Das, was von außen wie „nur spielen“ aussah, habe ich sehr bewusst und mit dem Wissen, auf welchem Entwicklungsstand das Kind, begleitet.
Das Kind hat sich zum ersten Mal in eine „Figur“ hineinversetzt – was für ein großer Entwicklungssprung! Es hat spielerisch die Farben gelernt. Es hat – zumindest in den ersten Ansätzen – eine logische Geschichte aufgebaut.
Genau das werde ich den Eltern demnächst im Elterngespräch mitteilen.
Es ist so viel mehr als der Satz „Das Kind spielt gern mit Lego“.
Und genau deswegen bin ich eine pädagogische Fachkraft in der #twkita – und keine Bällebad-Betreuerin.
Die Nachfrage liegt auf der Hand:
Das ist nur mit quantitativ *und* qualitativ gutem Personal und einem eingespieltem Team möglich. Es ist frustrierend, dauerhaft unter Minimalbesetzung zu arbeiten und nur noch die Aufsichtspflicht zu erfüllen.


Es ist eben nicht nur „spielen“.
Es ist eben nicht nur „vorne an der Tafel bissel erklären“.
Es ist eben nicht nur „paar Schrauben festdrehen.“

Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen und manchmal denke ich, dass jene, die unsere Gesellschaft lenken müssten, gar keinen echten Leidensdruck verspüren und von der Tragweite  des Bildungsnotstands, Pflegenotstands, Handwerkermangel, … nicht wirklich betroffen sind.

In etwa so, wie ich vom Klimawandel bedroht bin: „Joa.. puhh… müsste man eigentlich was tun. Aber ich habe ja auch gerade andere Dinge, die mich beschäftigen und sooo schlimm ist es für mich ja gar nicht.“

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3 Gedanken zu „Es ist eben nicht nur „spielen“.“

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