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Von cheatGPT zu chatGPT #1: Wissen sammeln

Von cheatGPT zu chatGPT #1: Wissen sammeln 1„Und wer von euch“, frage ich meine 9er am Ende der Arbeitsphase, „hat das Arbeitsblatt jetzt mit chatGPT gelöst?“
Betretenes Schweigen. Blicke nach links und rechts. „Also“, murmelt Omar und hebt zögernd die Hand, „wer sich jetzt nicht meldet, der lügt doch.“

Fortbildungen zu ChatGPT

Ich darf in diesem Jahr einiges zu Künstlicher Intelligenz abarbeiten: Für die Zeitschrift „Pädagogik“ soll ich einen Artikel beisteuern und für das ein oder andere Bildungsnetzwerk eine Fortbildung zum Thema gestalten.

Ein früher Gedanke – den ich auch mit den jeweils Verantwortlichen bereits geteilt habe: Die Entwicklung ist so rasent schnell, dass ich kaum hinterherkomme. Es besteht praktisch keine Möglichkeit, einen Vortrag vorzubereiten (bzw. schriftlich auszuarbeiten), der nicht bei Publikation schon veraltet ist. Konkretes Beispiel anhand der künstlichen Intelligenz Midjourney:

Der Aufforderung: „otter using wifi on an airplane“ kam Midjourney Version 3 (Oktober 2022) wie folgt nach:

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Im November, also einen Monat später, spuckte Version 4 folgendes aus:

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Und wiederum kurze Zeit später, kein halbes Jahr nach Version 3, sind wir bei Version 5:

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Das ist brutal. Wer im Herbst 2022 noch über die Bilder geschmunzelt hat, erlebt jetzt im Grunde fotorealistische Bilder. Die Erstellung dauert handgestoppte 15 Sekunden und kostet mich keinen einzigen Cent.

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Ich bin kein Profi – aber ich sehe für den Beruf des Fotografen eine eher düstere Zukunft. Aktuell verdreht man noch die Augen über oberflächlich geschriebene Texte oder schlechte Videoeffekte. Auch das wird sich in zwei bis drei Jahren gelegt haben. Mit allen Vor- und Nachteilen (z.B. deepFakes).

Jede Menge kluger Leute, die sich mit ChatGPT auseinandersetzen finde ich bei Twitter. Das Netzwerk ist trotz seines spürbaren Niedergangs immer noch eine Goldgrube – wenn man rigoros siebt und filtert. Besonders cool: Die genannten Leute teilen ihre Ideen auch und laden zu Diskussionen ein. Konkrete Beispiele:

  • Erik Grundmann experimentiert mit einer Tutor-Version von ChatGPT und teilt seine Eindrucke. Sein Fazit: „Erster Eindruck: Wer das beherrscht, kann sein Lernen revolutionieren.“ (link)
  • Jake Bruhhman beschreibt, wie er chatGPT zu einem Sprachlehrer macht, der seinem Niveau entsprechend einen virtuellen Gesprächspartner darstellt. (link)
  • Eine Zusammenstellung von aktuellen MidJourney-Bildern, die schlicht atemberaubend ist. (link)
  • Mayo Waoshin lässt chatGPT ein 56-seitiges pdf über ein Gerichtsurteil lesen und beginnt dann, mit der Künstlichen Intelligenz über den Inhalt zu sprechen. (link) Er ergänzt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man einen chatbot für die eigene Daten baut. (link)
  • Jeffrey Ladish schreibt kritisch über die negativen Auswirkungen der Tatsache, dass sich jeder eine chatGPT-Variante auf dem heimischen Server installieren kann. Lesenswerter Thread. (link)
  • …und just nachdem ich den Artikel veröffentlicht habe: Linus bringt ein Beispiel, wie eine Künstliche Intelligenz 360° Fotos nur basierend auf Text erstellen kann. Hui… (link)

Mein Kopf brummt. Es sind zu viele Informationen, zu viele Links und Gedanken, die ich mir nicht alle merken kann. Wohlgemerkt – das alles neben den schulrelevanten Ideen und Links: Allein die amerikanische Physiklehrer-Bubble liefert Lesestoff bis ans Ende meines Dienstalters.

Wie kann man sich das alles merken?

Wissen sammeln mit ‚Raindrop‘

Vor vielen JahrenTM habe ich in meinem Browser Lesezeichen gesetzt. Dann die Lesezeichen in Ordner und Unterordner gruppiert. Und sie anschließend nie wieder aufgerufen. Ich habe Dutzende Lesezeichen gespeichert, von denen ich nicht weiß, was ich mir damals gedacht habe oder wohin sie führen.

Anschließend habe ich den Dienst Pocket genutzt. Dort gibt es zumindest immer eine kleine Vorschau zu dem Link – aber auch das war irgendwie mau. Ich nutze Pocket noch heute – aber nur als Kurzzeitgedächtnis. Wenn ich vormittags etwas lese und es mir für nachmittags merken will. Länger als drei Tage bleibt kein Link dort gespeichert. Vorteil: Geht von jeder App und jedem Gerät aus mit nur zwei Klicks.

Mein absoluter Lieblingsdienst ist in diesem Jahr jedoch ‚Raindrop‚ geworden. Raindrop ist kostenlos und bietet eine intelligente Speicherung beliebig vieler Links, unkompliziert zu Sammlungen gruppiert und mit Tags versehen.

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Raindrop kann ich vom Handy via App oder jedem Browser aus ansurfen, kurze automatische Beschreibungen helfen beim erinnern und ich kann alles nach Tags filtern. Dort landet alles, was ich für merkenswert erachte. Die Bezahlversion des Dienstes verspricht, Kopien der gespeicherten Seiten bereitzuhalten. Wie gut das (gerade bei Twitter) klappt, weiß ich aber nicht. Trotzdem: Alles an hilfreichen Links landet bei mir mittlerweile in Raindrop.

Aktuell sammle ich dort viel hilfreiches zu Künstlichen Intelligenzen. Anwendungsbeispiele und Kritisches. Ideen und Erfahrungsberichte. Entwicklungen und Rückschritte. Für mich ist das der einzige Weg, der mir zumindest ein Gefühl von Kontrolle gibt. Ein Gefühl, mit der aktuellen Entwicklung Schritt halten zu können.

Von cheatGPT zu chatGPT

Das Arbeitsblatt in Physik habe ich in der Stunde zur Seite geschoben. Stattdessen mit meinen 9ern lange über chatGPT gesprochen. „Früher gab es ein Sprichwort“, erkläre ich, “ ‚Fernsehen macht kluge Kinder klüger und dumme Kinder…‘. Hat jemand eine Idee, was dahintersteckt?“

Zwanzig Minuten lang sprechen wir darüber, wie ‚cheatGPT‘ dazu einlädt, einfach die Lösung von Aufgaben zu cheaten – und wie wenig mich das interessiert. In meinem Mathematikunterricht bekommen alle Kinder von der ersten Stunde an die Lösung der Aufgaben mitgeliefert. Wir sprechen darüber, wichtig der Lernprozess ist und wie man chatGPT nutzen kann, tiefer in ein Thema einzusteigen. Sich die Dinge nochmal und nochmal und nochmal erklären zu lassen. Wie vernetzt unser aktuelles Physikthema („erneuerbare Energien“) mit der aktuellen Politik („die Grünen wollen…“) und Medienkritik („BILD und WELT schreiben FDP stark“) ist.

Das alles müssen sie wissen, hinterfragen, erforschen, lernen – weil sie demnächst wählen dürfen.

Wie viele meine Predigt erreicht hat?
Vielleicht zwei. Vielleicht niemanden.

CheatGPT ist zu verführerisch in einem Schulsystem, dass eher produkt- als prozessorientiert ist.

8 Gedanken zu „Von cheatGPT zu chatGPT #1: Wissen sammeln“

  1. Was für ein großartiger und mega-informativer Artikel, danke dafür! Mich hat das Geschehen rund um ChatGPT et al schwer ergriffen, aber ich komme mit dem Posten der Entwicklungen auch nicht wirklich hinterher. Deine Midjourney-Bildervergleich ist erhellend, bisher war ich von schlechten Ergebnissen mit verschiedenen Bilder-KIs eher enttäuscht – aber deine Beispiele machen klar, dass es so nicht bleibt und zügig voran geht!
    Wieweit es mit Blick auf realistische Bilder (Pflanzen, weniger bekannte Tiere) wirklich gehen wird, kann ich nicht sagen. Mein Versuch, eine Bilder-KI „Blaue Kornblumen und roter Mohn am Wegesrand“ darstellen zu lassen, verlief katastrophal enttäuschend – obwohl es zu diesem Thema doch unzählige Fotos im Internet gibt.
    Momentan können die Bilder-KIs Fantasie-Szenen und Figuren schon ganz gut – aber es ist noch sehr vieles nicht zufriedenstellend machbar.

  2. Pingback: KI-Pornografie wird die Digitalisierung in der Schule zurückwerfen - Schule, Schulleitung, Familie, DIY

  3. Hallo,
    ich bin über Vorbereitungen zu meinem Astronomie-Kurs auf ihr Buch und schließlich auf den Blog gekommen. Da ich mich selbst intensiv mit LLMs und anderen KI-Formen beschäftige, komme ich nicht umhin hier zu kommentieren.

    1. Das Geschwätz von der Artificial General Intelligence (AGI) die uns Menschen ersetzen wird ist Quatsch. Das benutzen Geschäftsleute um Risikokapital für ihr neues KI-Unternehmen einzusammeln.

    2. Genauso Quatsch ist es aber auch KI’s nur als Arbeitserleichterungs-Tools zu sehen. Ein GPT4 ersetzt keine Windows-Suche und ist kein Translator-Ersatz. Ich halte es da mit Ethan Mollick (der ein sehr gutes Buch über KI geschrieben hat (https://www.amazon.de/Co-Intelligence-Living-Working-AI-English-ebook/dp/B0CHHY2PS4 ) und nutze LLMs hauptsächlich für Recherche und Kreativität – eben als Co-Intelligence.

    3. Ich bin kein ausgebildeter Lehrer, unterrichte aber Grundschüler in Astronomie. Ich teste gerade im Selbstversuch, ob und wie KI-Systeme gerade Lehrer unterstützen können bei Recherche und Durchblick im eigenen Datenwust zu halten. Ich glaube, dass auch für Lehrer hier richtig viel Potenzial schlummert!

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