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Der zweite Hund war ein Fehler.

Der zweite Hund war ein Fehler. 1Wir haben einen älteren Australian Shepherd, der wirklich zauberhaft ist. Als Beleg möge dieses Bild von Bailey dienen, in denen unsere Küken auf ihr herumklettern. Der Hund ist wahnsinnig treu und familienfreundlich: Wenn die Kinder zu wild mit ihr toben, brummt sie schonmal ungehalten und zieht von dannen – mehr Reaktion gibt es nicht.

Bailey wird am Weihnachtsabend zehn und wir hielten es für keine ganz schlechte Idee, uns rechtzeitig einen zweiten, jungen Hund zuzulegen. Auch ein Australian Shepherd, weil ich mit denen nur gute Erfahrung gemacht habe und auch ein Mädchen, weil gleichgeschlechtliche Hunde besser miteinander können und wir nicht Gefahr laufen, irgendwann einen ganzen Wurf kleiner Hunde auf unserem Hof versorgen zu müssen.

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Der erste (und vielleicht entscheidende) Fehler war, sich Bilder von Hundewelpen anzusehen.
Hundewelpen sehen grundsätzlich immer süß und unschuldig aus – und Sadie bildet keine Ausnahme:

Der zweite Fehler war, sie sich nur anzusehen. Da war die Entscheidung längst gefallen: Denn was sollte schon schiefgehen?

Bailey läuft als Familienhund einfach mit, hat sich unseren Ritualen und Gepflogenheiten angepasst: Sie schläft viel, spielt zuweilen mit den Kindern, kann die Hühner zurück in den Stall treiben und scheint ansonsten zufrieden mit dem einfachen Leben eines Landhundes zu sein.

Das Problem ist nicht so sehr, dass man die Vergangenheit verklärt: Bailey hat als junger Hund jede Menge Unsinn gemacht, gelbe Säcke zerlegt und auch einmal die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass eine Steckdose nicht schmeckt. Das weiß ich. Weder sie, noch ihre Vorgänger sind stubenrein zu Welt gekommen.

Der Gedanke war, dass der alte Hund den neuen mit-erzieht. Dass sich Grenzen abgeguckt und Verhaltensmuster übernommen werden. Aber ich habe völlig unterschätzt, dass ein zweiter Hund nicht einfach „nochmal ein Hund“ ist, sondern „zwei Hunde gleichzeitig“ bedeutet. Und ein junger Hund in Gegenwart eines anderen Hundes ist weitaus anstrengender, als ein ‚Einzelkind‘.

Wo Bailey die Grenzen unserer Grundstücks respektiert, scheint das für Sadie (benannt nach einem Charakter aus einem Stephen King Roman) nur ein Ansport zu sein, Schlupflöcher zu suchen und Abenteuer zu erleben. Vor zwei Wochen flitzte sie einfach davon und während ich noch ratlos an der Straße stand, und überlegt, ob es zielführender sei, durch den Wald zu laufen oder einfach abzuwarten, wurde sie von jemandem aus dem Dorf eingesammelt und im Kofferraum zu uns zurückgebracht.

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Wenn ich dem einen Hund Futter gebe, ist der andere mit Futterneid sofort parat: Und auch die handzahme Bailey kennt da kein Pardon: Wütend wird die Kleine in ihre Schranken gebissen. Easy, damit kann man umgehen.

Aber auch, wenn ein Hund gestreichelt wird, kommt der andere direkt angerannt: Hier! Beachte mich! Ich will auch!!
Das permanente Buhlen um Aufmerksamkeit führt gleichzeitig dazu, dass es den Tieren schwerfällt, sich auf Kommandos zu konzentrieren: Wie ein Kind mit ADHS prasseln ständig Eindrücke auf die Hunde ein, immer achten sie nebenher auch darauf, was der andere Vierbeiner tut. Das macht die Erziehung im Alltag deutlich schwerer, weil die Neue sich nicht (nur) an uns orientiert, sondern auch am alten Hund.

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Auf die Gefahr hin, es mir mit der Hundlobby zu verscherzen: Der zweite Hund macht sehr viel mehr Arbeit und Ärger, als ich das erwartet hätte. Und ja, wenn ich das im Vorfeld gewusst hätte, hätte ich darauf verzichtet.

Kurz: Der zweite Hund war ein Fehler.

Nicht miteingerechnet sind die alltäglichen Ärgernisse:
Aus Neugierde (und vielleicht auch Langeweile) knabbert Sadie an der Tapete im gerade frisch renovierten Eingangsflur. Auch Möbel und Sockelleisten werden probiert. Und schmeckt der Putz in der nagelneuen Küche anders? Hmpf.

Natürlich ist vieles schön: Wo Bailey eine müde Hundedame ist, sprotzt der Nachwuchs ebenso vor Energie, wie meine jüngste Tochter: Und beide zusammen erleben täglich Abenteuer, krabbeln in selbstgebaute Buden und kämpfen gegen Bürgermeister Gutherz. Beide Hunde tun sich gut und spielen draußen miteinander. Und nun, nach fünf Monaten bei uns (und mitten in der Hundepubertät) werden die aufmüpfigen Verhaltensweisen weniger, die Grenzen klarer respektiert. Alle Kommandos sitzen und wenn Sadie sich jeden Morgen vor Freude, mich zu sehen, schier überschlägt, wird einem ganz warm ums Herz.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sadie uns (und besonders meinen Töchtern) sehr viel Freude bereiten wird. Sie wird ein ruhiger, cooler Hund und ich tue ihr Unrecht, sie mit einem ausgewachsenen, perfekt erzogenen Familienhund zu vergleichen oder das gleiche von ihr zu verlangen.

Und trotzdem: Never ever again zwei Hunde gleichzeitig. Und aktuell: Eher never again überhaupt nochmal einen Hund. Soviel Freude habe ich ehrlich gesagt daran nicht. Außer natürlich, kleine Küken krabbeln auf ihren Pfoten. Oder sie spielt geduldig Tierarzt mit meiner jüngsten Tochter und erträgt das Spielzeug-Stethoskop auf ihrem Kopf. Dann… vielleicht…

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