Zum Inhalt springen

„Das muss das Boot aushalten“ & „Denkende Klassenzimmer“

"Das muss das Boot aushalten" & "Denkende Klassenzimmer" 1In NRW ist jetzt etwa Halbzeit, was die Ferien angeht und ich sitze wieder im Büro. Nicht, weil irgendeine über- oder untergeordnete Instanz das von mir erwartet und auch nicht, weil es daheim so schrecklich wäre: Größere Projekte stehen im kommenden Schuljahr an und ich werde unruhig, wenn ich nicht rechtzeitig mit der Vorbereitung beginne.

Drei „Schulbücher“ habe ich (auch diesbezüglich) mit in die Ferien genommen – und genau die Hälfte habe ich durch. Das erste war „Das muss das Boot aushalten“ von Stefan Kruecken (Amazon-Affiliate-Link). Spannendes Buch in dem von vielen Kapitänen berichtet wird und wie sie in Krisensituationen umgegangen sind. Aus aktiver Schulleitungsperspektive bleibt das Buch sehr anekdotisch und an der Oberfläche. Es soll aber auch kein Workbook sein, sondern inspirieren und Mut machen – und das tut es.

Tolles Buch, dass mich dazu herausfordert, auch schwierige Unwetter ohne Gejammer zu ertragen und für Werte einzustehen. War cool und das ein oder andere habe ich mir angestrichen.

"Das muss das Boot aushalten" & "Denkende Klassenzimmer" 2Wirklich beeindruckt bin ich von meiner aktuellen Lektüre, die ich erst halb durchhabe, weil ich sie konsequent bearbeite und exzerpiere: „Denkende Klassenzimmer  im Mathematik-Unterricht schaffen“ von Peter Liljedahl (Link).

Zwei kurze Gedanken dazu:

  1. Ich muss schon eine ganze Weile nachdenken, bis mir ein Buch einfällt, dass mich so beeindruckt hat. Vielleicht „Der Junge, der wie ein Hund gehalten wurde„.
  2. Ich halte mich jetzt nicht für den allerschlechtesten Mathematik-Lehrer auf der Welt und das ein oder andere aus der Lektüre knüpft an meine intensive Arbeit mit Lerntheken an: Den Fokus auf das Selbst-Denken und Grübeln zum Beispiel. Und doch lehrt mich die Lektüre gehörig Demut. Heidewitzka – als wenn ein Kreisligaspieler plötzlich bei der Champions-League reinschnuppern darf.

Das Buch ist (zu umfassend), um es hier detailliert zu besprechen und ich bin ja auch noch nicht durch. Entscheidend wird auch sein, was ich von dem Gelesenen umsetze.

Und trotzdem gibt es einerseits einige Aspekte, die für mich echte Augenöffner waren und andererseits ist dieses Blog für mich immer auch eine Art Denk-Kammer, um meine eigenen Gedanken nochmal zu sortieren.

Denkaufgaben. Denkaufgaben. Keine Nachahmungsaufgaben.

Kernelement des Unterrichts muss sein, die Kinder zum Denken anzuregen. Alles andere ist nachgerückt.

Das ist für mich eine echte Herausforderung: Wie verändere ich Aufgabenstellungen so, dass sie zum Denken anregen und nicht zum Nachahmen („schau, ich habe dir doch gezeigt, wie das geht…“)

Aber es wird auch die für Kinder eine Herausforderung: Denn man lässt sich die Dinge ja auch erstmal gerne erklären, statt sich damit zu beschäftigen.

Zufallsgruppen. Immer wieder. Immer neu.

Bezogen auf Problem-Aufgaben in der Mathematik fragte Liljedahl über 200 Schüler*innen…

  1. Wenn ich dir sage, dass ihr […] ein Problem lösen müsst, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du eine Idee einbringst?
  2. Wenn du eine Idee vorschlagen würdest, wie ist ist dann die Wahrshceinlichkeit, dass deine Idee zur Lösung des Problems beitragen würde?

Bei Frage 1 gaben über 80% der Schüler*innen an, es sei (sehr) unwahrscheinlich, dass sie eine Idee einbringen würden. Über 90% sagten, es sei sehr unwahrscheinlich, dass eine ihrer Ideen zur einer Lösung beitragen würde.

Das ist krass – und realistisch.

Ich habe keinen Zweifel, dass meine Schüler*innen ganz ähnlich antworten würden. Liljedahl führt dies (auch) darauf zurück, dass in festen Kleingruppenstrukturen die Rollenverteilung fest sei: „Nee, Nils ist das Brain in unserer Gruppe. Ich schreibe nur mit.“
Der Autor empfiehlt ständige, zufallsbasierte Wechsel der Kleingruppen von maximal drei Kindern. Sobald man länger zusammen sei, würden sich feste Strukturen herausbilden und dann ist einer fürs Denken zuständig und einer fürs Schreiben.

Im Stehen arbeiten. An Whiteboards (oder der Fensterscheibe).

Eine Kontinuität der Arbeitsumgebung sorgt für eine Kontinuität der Verhaltensweisen der Schüler*innen. Liljedahl schreibt, dass in den 15 Jahren, die er sich mit der Erforschung des denkenden Klassenzimmers beschäftige, nichts einen so großen (positiven) Einfluss auf das Denken der Kinder habe, wie die Arbeit in Zufallsgruppen an vertikal hängenden Whiteboards.

Das finde ich krass – und ebenfalls nachvollziehbar. Sitzend in einem Klassenraum bin ich anonym einer von vielen, stehend an der Wand, sichtbar für alle wird mit das Gefühl der Anonymität genommen und ich werde durch eine veränderte Körperhaltung gezwungen, anders zu agieren. Weil mir das Geld für zahlreiche Whiteboards im Klassenraum fehlt, muss ich mir Alternativen überlegen. Vielleicht Duschvorhänge oder auf die Fenster malen. Speziell letzteres könnte aufregend sein.

 

Vorläufiges Fazit

Nach all den Jahren des Unterrichtens kommt man unweigerlich in eine Routine rein. Als es mir zuletzt so ging, habe ich Schule und Stelle gewechselt. Nun gehe ich ins siebte Jahr Schulleitung und auch dort hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Meinen Mathematikunterricht neu zu durchdenken und anzugehen, ist für mich eine spannende Herausforderung, die ich genau in dieser Intensität liebe.

Anderthalb Wochen habe ich noch für den theoretischen Unterbau aus den beiden Fachbüchern, dann die letzte Ferienwoche um konkret Unterricht vorzubereiten, bevor es dann wieder losgeht: Einschulungsfeier, Organisatorisches, Klassenfahrt.

Es bleibt viel.

13 Gedanken zu „„Das muss das Boot aushalten“ & „Denkende Klassenzimmer““

  1. Hallo!
    Habe das Buch auch gelesen und schon ein wenig experimentiert. Für den Anfang gibt es statische Whiteboard Folie von der Rolle. Kann man aber nur 2 bis 3 mal benutzen.
    Ich habe mir dann A2 Blätter, die mit Nummern und Rahmen bedruckt sind (damit möglichst wenig auf der Wand landet), laminieren lassen. Auch nicht ganz billig, aber günstiger als Whiteboards. Die klebe ich mit Malerkrepp an die Wand.
    Liebe Grüße
    Christiane

  2. Wie Mathe-spezifisch ist das Buch? Sind da auch Dinge drin, die sich in anderen Fächern (ich denke hier besonders an Gesellschaftswissenschaften) verwenden lassen? Das hier schon Erwähnte geht ja in die Richtung, aber mich würde interessieren ob nur ein paar Ideen hier und da übertragbar sind oder ob sich die Lektüre auch für Nicht-NaWis lohnt.

    1. Dieses hat Mathe schon sehr stark im Fokus – werde aber versuchen, Teile davon auch in meinen anderen Fächern umzusetzen. Da dieses hier Mathematik im Untertitel hat, gibt es vielleicht auch eine allgemeine Fassung?

  3. Wir arbeiten öfter mit Segeltuch, das mit Sprühkleber aus dem Baumarkt besprüht ist und die Größe von zwei Metaplanwänden hat (Größe lässt sich ja auch ändern). Normal dickes Papier haftet da gut dran und es lässt sich auch alles „umpinnen“ und neu anordnen. Nach Gebrauch werden die Tücher mit der Klebe nach innen zusammengelegt und aufbewahrt. Der Kleber hält mehrere Monate.

  4. Die üblichen Standard-Schulschränke lassen sich auch gut mit Kreidemarkern beschreiben, ob der Whiteboardmarker abgeht, sollte man vorher „an unauffälliger Stelle“ testen. Easy-Flip-Folie hält darauf auch gut.
    Alte, abgängige Schränke und Regale habe ich mal mit Tafelfarbe gestrichen, die gibt es auch in helleren Farben als Schwarz und Tafelgrün.
    Je verrückter, umso mehr Spaß macht es den Kindern – und umso kreativer scheinen auch ihre Lösungsideen zu werden.

  5. Pingback: Neues Schuljahr: Viel Elan und beschmierte Wände - Schule, Schulleitung, Familie, DIY

  6. In einem der Interviews mit Peter Lijledahl die ich auf Youtube gesehen habe schlägt Peter Zellophan-Folie vor. Auch eine coole Idee.
    Ich selbst habe mir folgendes gebastelt:
    Es gibt whiteboard-Folie in 60 cm x 300 cm Rollen.
    Auf eine 6mm Sperrholzplatte 60 x 120 cm aufgeklebt mit zwei Haken an einer mobilen Stellwand eingehägt.
    Oder evtl. mit Saugnäpfen mit Schraubgewinde an die Fenster heften.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert