Einmal pro Woche müssen dürfen wir Referendare nochmal in die Universität, das “Studienseminar”. Dort werden wir angeleitet, bekommen Hilfen, Unterstüzung, tauschen uns aus und bereiten uns gemeinsam auf die Examens-prüfung vor. Diese Prüfung besteht grob gesagt aus zwei Vorführstunden (“Tadaaaaa – so arbeite ich mit meinen Schülern…”) und einem Kolloquium, einer mündlichen Prüfung.
Vor zwei Wochen bot uns unser Seminarleiter an, das Kolloquium mal durchzuspielen. Freiwillige vor. (Und es sind dann ja doch immer die selben, oder?)
Bevor ich wußte, was ich tat, meldete ich mich für das Thema “Schule und Recht” freiwillig. Heute bin ich schlauer. Da weiß ich, dass man so etwas “grob fahrlässig” nennt. Das ist einer dieser Begriffe, die man als Lehrer kennen muss. “Grob fahrlässig” bedeutet, man hat im Kopf den Gedanken “es wird schon nichts passieren”. Man weiß also um die Gefahr, tut aber nichts dagegen. Zum Beispiel, wenn ich erst noch meinen Kaffee austrinke, bevor ich in die Klasse gehe. Oder meine Pausenaufsicht vernachlässige. Es wird schon nichts passieren.
Und wenn doch, dann bin ich dran.
In dieser Woche durfte ich mich mit einem mega trockenen Thema auseinandersetzen. Dachte ich zumindest. Aber jetzt finde ich großes Vergnügen daran, mich mit Begriffen wie “Verwaltungsakt1”, “Dienstweg2” und Ordnungsmaßnahmen auseinanderzusetzen. Was ist der Unterschied zwischen einer Teilkonferenz und einer Klassenkonferenz? Darf ich als Lehrer einen Schüler schlagen? (Natürlich nicht. Aber es gibt Ausnahmen3…) Was passiert, wenn ein Lehrer bzw. eine Lehrerin eine Beziehung mit einem Schüler/einer Schülerin eingeht? Muß ich allen Schülern die gleichen Hausaufgaben aufgeben, oder darf ich den Leistungsschwächeren mehr aufgeben? Was ist der Unterschied zwischen einem Erlass und einer Verfügung? Und wie werde ich Strahlenschutzbeauftrager einer Schule?
Solche Dinge finde ich jetzt – zum Entsetzen meiner KollegInnen – unglaublich spannend. Und ich lasse es mir auch nicht nehmen, ihnen ihr unangemessenes Verhalten vorzuhalten (“Du weißt schon, dass deine witzigen Kommentare als Anstiftung zum Unsinn treiben gewertet werden können?” “Weiß jemand, ob die Ersatzstoffprüfungspflicht auch für bunte Kreide gilt?”)
Letzte Woche Mittwoch wurde ich dann geprüft. Vor versammelter Mannschaft. Ich hatte mir ein herrliches Schaubild überlegt, anhand dessen ich die Ästhetik der Gesetzgebung darstellen würde können – leider machten mir das Whiteboard und meine Handschrift einen Strich durch die Rechnung. Es sah noch deutlich grausiger aus, als auf dem sensationellen Bild.
Anschließend gab es ein paar allgemeine Fragen (“Wie fließt bei Ihnen im Fach Mathematik die Sonstige Mitarbeit in die Benotung ein4?” “Wie gehen Sie mit Schülern um, die mehrfach die Hausaufgabe vergessen?”). Insgesamt war es eine richtig runde Sache. In erster Linie, weil die Erfahrung unersetzlich ist. Mittendrin statt nur dabei. Und wenn niemand die restlichen Themen angehen will – dann überlege ich mir einfach noch ein paar schöne Schaubilder und arbeite an meiner Handschrift.
(Sehr zu empfehlen ist an dieser Stelle das Buch “SchulRecht!” von Günther Hoegg. Anhand zahlreicher Beispiele erläutert es kurzweilig die juristische Dimension der pädagogischen Praxis. Sehr anschaulich. Sehr lustig. Sehr gut. Für Referendare meines Erachtens ein Pflichtkauf, für kaffeetrinkende, Aufsichten schwänzende Lehrer ebenso.)
1: Ein Verwaltungsakt ist grob gesagt etwas, wogegen man klagen kann. Zum Beispiel die Nichtversetzung eines Schülers. Kein Verwaltungsakt ist dagegen bspw. die Note einer Klassenarbeit.
2: Will ich mich irgendwo über irgendwem beschweren, kann ich das nicht mehr bei meiner Frau machen, sondern muss ich einen fest vorgeschriebenen Weg einhalten. Den ‘Dienstweg’. (An dessen Ende steht dann wieder meine Frau.)
3: Was sagt uns das jetzt, dass diese Fußnote besonders interessant ist?
4: Laut Schulgesetz: “angemessen”. Das lässt Freiräume.
Über dieses Thema habe ich gerade letzte Woche mein Abschlusskolloquium vom 1. Staatsexamen gemacht. Ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht wie du: zuerst dachte ich: „was ein blödes Thema“, aber mit der Zeit fand ich es durchaus sehr spannend. Das Buch von Hoegg hat da einen wesentlichen Teil zu beigetragen.
🙂
Und? Lief gut?
Mich würde ja jetzt brennend interessieren, wozu eine Schule eine(n) Strahlenschutzbeauftragte(n) benötigt.
Ein(e) Strahlenschutzbeauftragte(n) wird benötigt, weil es an vielen Schulen radioaktive Stoffe gibt und ‚irgendwer‘ muss den Überblick darüber behalten, was wo liegt. Man stelle sich vor, das Zeug würde frei herumliegen.
das sensationelle Schaubild bitte an alle KollegInnen schicken!
So als Besserwisser: es gibt ja noch den Unterschied zwischen fahrlässigem; grob fahrlässigem und vorsätzlichen Verhalten (wobei der Staat vielmehr Schulträger nur bei den letzteren zwe Regress fordern kann). Ich habs so verstanden
fahrlässig: Man hätte es bisser wissen sollen (Junge Schüler und Wasser in Kombination mit einem heißen Tag endet nunmal häufig in nassen Klamotten)
grob fahrlässig: wie beschrieben „es wird schon ncihts passieren“ (dann lassen wir sie halt spritzen)
vorsätzlich: vorbei gehen und nichts sagen
Ansonsten steh ich auf solche Wörter wie „Pädagogische Verantwortung“ ,“Ermessenspielraum“, alle „kann-Verordnungen“.
So das letzte bisschen Prüfungswissen ist raus 🙂 Wäre ich früher auf den Artikel und das Buch gestoßen wäre es vlt. interessanter gelaufen. VA sind mir nach wie vor ein Graus und die Rechte und Pflichten eines Beamten hängen mir zum Hals raus. Das Bild ist aber mitsamt Kommentaren super!
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