Am Freitag entschlossen sich gleich vier Klassen meiner Schule dazu, im Siegener Umland Schlittenfahren zu gehen. Kalt, eine Menge Schnee und keine Klassenarbeiten mehr – ideale Bedienungen. Zumindest für die meisten Kinder.
Denn die einstündige Wanderung zum ‚Eisernhardt‘ durch verschneiten Wald war schon für das ein oder andere gesunde Kind eine Herausforderung – mit Rollstühlen nicht zu bewältigen. (Etwas stolz darf ich hier sagen, dass meine Klasse den Weg prima geschafft hat – gedenk der fünfstündigen Wanderung bei der Klassenfahrt konnten meine Schüler über diese Herausforderung nur müde lächeln..)
Auch das Schlittenfahren selbst ist für Menschen mit Glasknochen nicht ganz gefahrlos. Erst recht nicht mit über hundert Kindern auf dem Abhang.
Zunächst wird aber eine grundsätzliche Frage aufgeworfen: Kann/Soll ich mit 26 Kindern Schlitten fahren, wenn meine beiden Rolli-Kinder in der Schule bleiben müssen?
Diese Frage – und auch alle weiteren, die sich dadurch ergeben – wird jeder Lehrer in jeder Situation anders entscheiden. Meine beiden Kids haben das große Glück, Eltern zu haben, die sie wahnsinnig unterstützen: Und so wurden die beiden via Taxi zur Piste gefahren und konnten dort – dick eingepackt in Spezialschlitten – ein wenig von dem Tag mitnehmen. Wirklich bemerkenswert ist, wie die Kinder an meiner Schule jahrgangsstufen-übergreifend Freunde gefunden haben. Nicht nur jetzt während des Ausflugs, auch im Alltag schauen in den Pausen immer wieder mal Schülerinnen und Schüler aus den oberen Klassen bei uns herein, um den beiden ‘Hallo’ zu sagen.
Bisher, da nun ein halbes Jahr vergangen ist, eine gelungene Inklusion. Großen Anteil daran haben auch die Inklusionshelferinnen: Die Mädchen haben zwei erwachsene Helfer, die ihnen durch den Alltag helfen, wo immer sie körperlich an Grenzen stoßen. Für uns Lehrer, die wir seit dem Referendariat nicht unter Beobachtung stehen, kann dies befremdlich wirken. Wer lässt sich bei seiner Arbeit schon gerne zusehen. Noch dazu, wenn ein Haufen halbstarker Jungs mal wieder die eigenen Grenzen auslotet.
Ich für meinen Teil bin äußert glücklich über meine beiden Helferinnen hinten. Sie lesen gemütlich, wenn sie nicht gebraucht werden und sind aber sofort da, wenn Hilfe vonnöten ist. In vielen Situationen sind wir in Mathematik drei Lehrer, die Fragen beantworten können – so wird die Lerntheken-Arbeit noch entspannter, als sie sowieso schon ist. Auch am Freitag wurden die Mädchen natürlich begleitet und hatten sichtlich großen Spaß – wie alle anderen auch. Es wurden Wettrennen gefahren, viele Schlitten zu langen Schlangen aneinander gebunden, tollkühne Crashs gebaut, über Schlittentechnik gefachsimpelt und über „den verdammten Gegenschnee“ geflucht, der einem ins Gesicht spritzte.
Am Ende bleiben hundert glückliche Kinder, ein halbes Dutzend erschöpfter Kollegen, keine Verletzten und viel, viel Spaß. Ja, auch das ist Lehrerarbeit. Genauso, wie die zweistündige Konferenz am Nachmittag.
Wie die Integration der Zwillinge gelingt, das klingt ganz prima, Hut ab vor allen engagiert Beteiligten!
Mein Sohn hatte von Kl. 5-7 einen Klassenkameraden mit Muskelschwund, immer unterstützt von einem Zivi. (Nach der 7 werden die Klassen wg. Fächerwahl neu gemischt, beide sind noch an der Schule 🙂 ).
Traditionell fahren alle 7. Klassen eine Woche ins Skilandheim. Auch hier war der Rollstuhlfahrer dabei: Die Eltern hatten extra Urlaub genommen und in der Nähe des Landheims ein Quartier für sich gebucht. Nach dem Frühstück, wenn alle auf die Piste gingen, holten sie ihr Kind und machten Familienausflüge. Zum Abendbrot wurde er wieder zurück gebracht und war beim für die Klassengemeinschaft so wichtigen Abend- (und Nacht- 😉 )Programm voll dabei. Toll.
Ich kann sehr gut nachvollziehen dass man sich als Lehrer unter Beobachtung fühlt wenn neben ihm weitere erwachsene Personen in der Klasse sind und die Situation somit erst mal befremdlich wirken kann. Klar, bestimmt hat auch ein Integrationshelfer seine Favoriten ( 🙂 ) und wünscht sich bei dem ein- oder anderen Lehrer nochmal seine Schulzeit zurück… Aber natürlich geht es bei deren Aufgabe nicht um die Beobachtung und Einschätzung der Lehrkräfte oder -Methoden, vielmehr richtet sich das Augenmerk doch auf das Verhalten der Schüler. Vier Augen sehen nun mal mehr als zwei und das wiederum kann oft sehr nützlich sein… Also liebe Lehrer, um es mal auf den Punkt zu bringen, ein Integrationshelfer möchte euch nicht bekämpfen sondern unterstützen!
Und was das Lesen betrifft, ich gehe davon aus, dass es sich hierbei ausschließlich um Fachliteratur handelt, ansonsten wäre es vielleicht besser diesen Absatz zu löschen…. 🙂
Nun, oft sind die IntegrationshelferInnen bei uns ja überflüssig, die Mädels sind ja nur körperlich behindert – und klar sollen die dann was lesen, SMS schreiben oder sich irgendwie beschäftigen. Alles andere wäre pure Folter! Stell dir vor, du müsstes reglos und stumm dem Unterricht einer 5. Klasse folgen… Stunde um Stunde, jeden Tag. Ohne was sagen oder tun zu dürfen. gääähnend langweilig!
Wenn genügend Unterstützung geboten wird, ist Inklusion prima. Bei uns im Süden ist das leider nicht der Fall.
Sie machen das übrigens wunderbar. Solche Lehrer braucht man dann.
Hat das Schulamt noch nicht gemeckert, wie teuer das alles wird?
Wir hatten vor ein paar Jahren auch einen Schüler, der eine 1 zu 1 Betreuung benötigte. Erst wurde ein Zivi eingestellt, der wurde gaanz schnell wieder weggeholt. Dann musste die Schule sehen, wie sie aus eigenen Ressourcen das alles stemmt. Da sollte dann eine 55 jährige Lehrerin dem 14 jährigen Jungen auf die Toilette helfen. 🙁
Inklusion ist eine feine Sache, wenn es richtig gemacht würde und nicht jedes Mal um das liebe Geld gejammert würde.
Schule … nimm mal schön alle auf, du wirst schon was draus machen. So erscheint es mir im Moment zu laufen.
Ich bin in dem Organisatorischen nicht so drin, da kann ich wenig zu sagen. Wir arbeiten da mit dem Verein invema zusammen, die die Schulbegleitung sehr stark unterstützen.
Das finde ich klasse! Ich habe auch einen Sohn mit Glasknochen. Auch er geht inzwischen zur Schule und alles funktioniert bestens, inklusive Unterricht ins Kinderzimmer per skype 🙂 weil er gerade einen Oberschenkelbruch hat. Zur inklusiven Beschulung braucht es viele kreative, innovative aber auch mutige Menschen, die auch mal ungewöhnliche Wege gehen und mutig Neues versuchen.
Herzlichen Dank auch Ihnen, denn nur so können unsere Kids ganz normal aufwachsen!
Vielen Dank.
Das mit skype ist aber wirklich cool. Das stelle ich mir – allein wegen der Internetverbindung in der Schule – als herausfordernd vor.