Seit über einem Jahr sind zwei Kinder mit Glasknochen an unserer Schule. Beide Kinder sitzen im Rollstuhl und das ist, besieht man sich die Architektur meiner Schule, ein echtes Problem. Wie man auf dem Luftbild gut erkennen kann, besteht meine Schule aus mehreren Gebäuden: Die drei langgezogenen links sind die Klassen- und Fachräume, das große Gebilde rechts beherbergt die Turnhallen.
Für jemanden im Rollstuhl ist unsere Schule eine echte Herausforderung: Überall gibt es Treppen und Stufen – alle naturwissenschaftlichen Fachräume sind im ersten Stock; der Oberstufenunterricht findet meist in der obersten Etage statt. Meine Schüler haben im vergangenen Jahr einen Tag im Rollstuhl verbracht, um sich das zu vergegenwärtigen.
Ich habe immer wieder beschrieben, wie wir im Alltag recht praktisch mit diesem Umstand umgehen – perspektivisch muss jedoch etwas getan werden: Man kann Schüler im Rollstuhl nicht für ihre gesamte Schulzeit im Erdgeschoss beschulen und es ist auch nur schwer vorstellbar, dass ein Kind in der zehnten, elften, zwölften Klasse es als würdevoll betrachtet, von seinen Mitschülern getragen zu werden.
Für die Eltern, die Schüler und auch die Lehrer ist das eine sehr belastende Situation, weil man nicht weiß, wie die Zukunft aussieht.
Gestern nun haben der Schulausschuss und die Schulverwaltung der Stadt Siegen einstimmig zugestimmt, an unserer Schule einen Fahrstuhl zu bauen, damit auch Kinder im Rollstuhl in die oberen Etagen des NW-Gebäudes gelangen können. Eine weitere Sitzung im Januar wird dann beschließen, ob auch das nötige Geld dafür da ist. Damit bin ich zunächst einmal wirklich dankbar, dass die Stadt hier im Sinne der Schüler denkt – denn folgendes Szenario wäre durchaus denkbar: Die Stadt baut eine einzige Schule der Umgebung barrierefrei aus und “zwingt” dadurch, alle körperbehinderten Kinder dorthin. Das würde kurzfristig Geld sparen – langfristig aber sicher für Unmut sorgen.
Bei allen Herausforderungen, Schwierigkeiten und auch furchtbaren Einzelschicksalen, bei allen nicht lösbaren Fällen die auch mir begegnen, bin ich ein Anhänger der Inklusion.
Nicht aus Geldgründen. Nicht aus politischen oder Bildungsgründen. Das ist mir letztlich alles egal.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann kann ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass man die Ausländerkinder, die Sozialfälle und schwierigen Kinder und die geistig und körperlich eingeschränkten Schüler in die Haupt- und Sonderschulen abschiebt.
Für den letzten Absatz gibt es ganz ganz viel Respekt, Herr Lehrer. Es werden immer politische Gründe angeführt, die Diskriminierung wird besprochen, es wird die Bildung durch Vielfalt propagiert, wenn es um Inklusion geht. Endlich nennt mal jemand das Ding, um das es wirklich geht: Wir haben Verantwortung für unsere Kinder. Für ihr Wohlergehen. Und zwar für alle, nicht nur die „gut“ geratenen – denn letzten Endes ist jedes Kind einzigartig und gut, mit allen Eigenheiten und Individualismen. Vielen Dank!
Pingback: Hilfe! Inklusion! | Kreide fressen