Meine KollegInnen am Tisch trugen mir auf, in meinem Blog doch endlich mal darüber zu schreiben, wenn etwas so richtig scheiße lief. Die Wahrheit eben.
Hier also ein – tatsächlich erlebter – Lehreralbtraum:
Vor einigen Jahren, direkt zu Beginn meines Referendariats bekam ich eine 10. Klasse Physik. Nebenfach. Randstunde. Einmal pro Woche. Thematisch behandelten wir die Elektrizitätslehre und es ist etwas mühsam, bei Schülern, die sich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten, Begeisterung und/oder Interesse für Physik zu wecken.
Im Verlauf der Unterrichtseinheit bat ich einmal eine Schülerin, eine einfache Schaltung an der Tafel zu skizzieren. Jene Schülerin lehnte sich in ihrem Sitz zurück, schnaufte einmal durch und sagte: “Nö, das kann ich eh nicht.”
Ich wiederholte meine Aufforderung. Gleiches Ergebnis, sie etwas patziger im Ton.
Ein drittes Mal. “Versuche es doch einfach – wir werden dir schon helfen.”
“Nee – mach ich nicht.” Sie verschränkte die Arme und machte deutlich, dass sie heute gar nichts mehr tun würde.
Ich hatte mich da in eine richtig beschissene Situation manövriert. Ein Machtspielchen. Ich konnte sie schlecht zwingen, aber wenn ich sie – trotz mehrfacher Aufforderung – nicht irgendwie zur Tafel brächte, dann würde sich auch jeder andere weigern. Diese Schülerin würde sich jedenfalls keinen Millimeter bewegen und die anderen fünfundzwanzig Kursteilnehmer beobachteten sehr genau, was jetzt geschehen würde. (Tatsächlich ist das ja eine typische Referendariats-Frage: Was mache ich, wenn der Schüler einfach nicht tut, was ich sage?)
An dieser Stelle möchte ich kurz unterbrechen und euch fragen: Wie hättet ihr reagiert? …bevor ich dann übermorgen berichte, was ich getan habe.
An einem guten Tag?
– Wenn willst du als Joker wählen? –> Hilfe geben lassen
– Wer soll mit dir an die Tafel?
– Nenne zumindest Teile des Stromkreises.
– schnelle Partnerarbeit: Welche Partnergruppe zeichnet am schnellsten einen Stromkreis auf?
und und und …
An einem schlechten Tag? Einen anderen Schüler aufgerufen.
Mit der letzten Variante hätte ich dann klein beigegeben und der nächste Schüler hätte auch gesagt „Wenn die nicht muss, will ich auch nicht.“ Am Ende wäre ich der Depp gewesen und der gesamte Kurs verweigert die Mitarbeit. :-/
„An einem schlechten Tag? Einen anderen Schüler aufgerufen.“
Und vorher: „Setzen, 6!“
Die Aufgabe in Gruppen lösen lassen und vergleichen
Ok, also du schaffst das nicht und ich schaff keine 15 Liegestütze.
Aber wenn du es wenigstens versuchst, versuch ich die Liegestütze.
Deal?
Schwierig zu sagen – spontan ist immer anders, als wenn man drüber nachdenken kann. Entweder hätt ich nachgegeben und jemand anderen drangenommen oder sie an die Tafel gebeten, aber nur als Schreiberin – die Klasse hätte ihr die Anweisungen angesagt, damit sie zeichnen kann.
Hätte sie sich trotzdem geweigert, hätte ich sie vermutlich in Ruh gelassen, aber nach der Stunde zu mir geholt, um mit ihr drüber zu reden.
„alles klar, dein Verhalten finde ich so nicht akzeptabel. das klären wir gleich nach der Stunde.“ – und anderen Schüler aufrufen.
Ich lass mir von nem gör nicht die Stunde sabotieren.
Vermutlich hätte ich gefragt woran es liegt das sie nicht mag und wäre aber nach ihrer Antwort auch nicht schlauer…
Ich hätte abgebrochen und gefragt, ob der Schüler nach der Stunde kurz mit mir sprechen kann. Und er hätte eine 6 gekriegt – außer er spricht mit mir und hat eine sehr gute Erklärung für sein Verhalten. Wer nicht will, muss nicht.
Aber kommt natürlich auf Einzelfall und die Klasse an. Ich würde nicht erwarten, dass der nächste Schüler sich ebenfalls weigert.
Vor derselben Situation stand ich neulich selbst, wenn auch nicht als Lehrer, sondern Sachgebietsleiterin in einer Behörde. Mein erster Tag in der neuen Funktion, meine erste freundliche Anordnung: „Ich würde dich bitten…“. Und ich laufe brutal auf eine Miene. „Mach ich nicht. Das ist Schachsinn“, werde ich angeschrien.
Boah, ich habe mich so gefürchtet. Zum Glück bin ich ruhig geblieben und habe gesagt: „Darüber sprechen wir später in meinem Büro.“
Ich hasse es, so vorgeführt zu werden und die Situation vor der Klasse muss fast dieselbe sein. Eine Machtprobe kann man leicht verlieren, deshalb würde ich immer abraten. Stattdessen Ruhe bewahren, miese Note vergeben und hinterher Einzelgespräch suchen. Beurteilungen gibt es bei uns nämlich auch…
Ich bin an der Grundschule, da sind die Schüler größtenteils noch anders drauf, allerdings habe ich eine Schülerin mit Förderschwerpunkt, die manchmal zur Arbeitsverweigerung neigt. Der teile ich dann jeweils mit, dass ich sie später noch mal dran nehme und gehe ansonsten nicht weiter drauf ein. Ist mit den anderen Schülern kein Problem. Allerdings ist dein Fall altersbedingt anders gelagert, auch weil du schon im Machtspielbereich warst. Die Ideen von Katsee (u.a.) sind gut, in so einer Situation die ultimative Machtkarte zu spielen (Note) find ich doof. Tschuldigung für den unsachlichen Ausdruck.
Ich kenne das Problem und habe auch keine Lösung, zumal Noten insbesondere diesen Schülern oft nichts bedeuten und sie dank automatischer Versetzung in Gesamtschulen eh irrelevant sind.
In dem Fall würde ich auch nicht komplett auf contra gehen – das kann man als Lehrer eh nur verlieren und führt zu einer weiteren Eskalation. Ihre Weigerung resultiert wohl aus der Angst bloßgestellt zu werden und alterstypischer Unsicherheit.
Ich hatte das nicht mit Arbeitsverweigerung … aber ein Schüler, der permanent gestört hat, sollte das Zimmer verlassen und ging nicht.
Weiterarbeiten konnte ich aber auch nicht. Da habe ich mich hingesetzt und gewartet. Die Mitschüler haben ihn dann „hinauskomplimentiert“ 😉
Nach der Stunde gab’s ein 4-Augen-Gespräch.
Ich mag solche Machtspielchen überhaupt nicht … wir haben ja eh keine Handhabe. Und 6en verteile ich bei Verweigerung nur sehr ungern.
LG Sächsin
Dein Vorgehen klingt sinnvoll. 🙂
Zum Glück habe ich so eine Situation, seit ich Lehrerin bin, noch nie erlebt. Aber im Praktikum hatte ich noch keine Souveränität und bin in eine solche Situation voll reingerannt. Mein Mentor sagte: „Der X, der macht sowieso nicht mit und stört. Sobald er so etwas tut, schickst du ihn mit einer Aufgabe raus. Dann hast du wenigstens Ruhe zum Unterrichten.“ Also bereite ich eine Strafaufgabe vor und weise den Schüler an, mit der Aufgabe den Raum zu verlassen. Was er aber nicht tut. Er weigert sich vehement.
Und ich stand da – ganz alleine vor der Klasse und alle grinsen. SUPER!
Lösung: Ich habe ihn tatsächlich am Schlafittchen gepackt und musste ihm aber erst einmal über drei Bänke hinterher, um das Schlafittchen überhaupt zu kriegen. Aber dann hab ich ihn vor die Tür befördert. Und bin überhaupt nicht stolz drauf, weil das damals mein absolutes Versagen war, Affenzirkus einer Praktikantin.
Und wirklich Ruhe hatte ich auch nicht in der Stunde, weil ich die ganze Zeit Angst hatte, dass der Schüler draußen Blödsinn anstellt. Also bin ich jetzt sehr gespannt auf deine Lösung!
Ach Frau Henner, tatsächlich ist mir exakt dasselbe passiert. Ich hatte das Glück, dass es dem Schüler dann irgendwann doch zu doof war – aber es war eben doch tatsächlich komplett seine Handhabe, ob er nun aufhört rumzurennen/rausgeht oder eben nicht. Ich war auch nah dran, ihn am Schlafittchen zu packen, aber der Bursche war nicht doof – „Ich weiß genau, dass Sie mich nicht anfassen dürfen. Sie dürfen mir nicht mal einen Schubser geben oder mich am Arm rausziehen oder so.“ Und da hat er ja auch Recht. Und das wollte ich ja auch gar nicht. *seufz* Aber ja, ansonsten war das exakt mein Szenario. Und jetzt lese ich auch die Antwort von Herrn Klinge, denn ich hinke bloglesertechnisch gerade etwas hinterher… und brenne auf einen Lösungsvorschlag! 😉
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