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Nähe & Distanz zu Schülern

Vor einigen Tagen beschrieb Arne Ulbricht in der SPIEGEL-Online Sparte, er entspräche in seinem Berufsbild dem Kumpeltyp und würde zuweilen mit der fehlenden Distanz zu den Schülern kämpfen. 

Als Schüler lag ich einer Englisch-Referendarin zu Füßen. Alle Jungs taten das. 

Die Frage von Nähe und Distanz zu den Schülern – im Beamtendeutsch „Schutzbefohlenen“ – ist von immenser Bedeutung: 

Im Unterschied zu einem Hochschulstudium oder einer Berufsausbildung ist „Erziehung“ nämlich durch das Schulgesetz vorgegebene Aufgabe der Lehrer. Wir können uns nicht auf das “Lehren” beschränken.

Obwohl ich sehr viel Spaß in und an meinem Beruf habe und durch SocialMedia sicher leicht zu greifen bin, betrachte ich mich selbst nicht als Kumpel meiner Schüler.
Aber zum Ende eines Schuljahres verbringt man dann doch bei Projekten, Festen und Exkursionen viel Zeit außerhalb des eigentlichen Unterrichts mit den Kindern. In anderthalb Wochen fahre ich mit einer Abschlussklasse zum Länderspiel und schon während der Vorbereitung rutscht dem ein oder anderen Schüler versehentlich ein „Du“ raus. Nicht aus mangelndem Respekt. Nicht wegen unklarer Rollenverteilung. Sondern aus wachsender Vertrautheit.

Diese Nähe empfinde ich als sehr Zwiespältig.

Ich schätze das entgegengebrachte  Vertrauen. Ich mag, wenn Schüler mich mögen und vermutlich kann ich sie besser motivieren, wenn das Unterrichtsklima positiv ist.
Auf der anderen Seite denke ich, dass ein großer Teil der Schülerin-und-Lehrer-brennen-durch-Storys ihren Anfang in fehlender Distanz gefunden haben. Jede zweite Seifenoper behandelt die verbotene Liebe zwischen einem Lehrer und einer Schülerin.

Ich beneide den Kumpeltyp Ulbricht um seine Sorglosigkeit und Freude am Beruf. Aber mir wäre die Gefahr zu hoch, dass einzelne Schüler am Ende nicht mehr damit zurecht kämen, dass ich sie benote und damit Ausbildungschancen vergebe oder verbaue.

Hätte die genannte Englisch Referendarin uns seinerzeit auch nur einmal zugezwinkert oder einen Hauch Nähe gezeigt, hätte es bei uns kein Halten mehr gegeben. 

Ich bin dankbar, dass sie uns auf Abstand hielt.

10 Gedanken zu „Nähe & Distanz zu Schülern“

  1. Ich habe keine Probleme mit Distanz, und nie die Lehrer mit geringer Distanz auch nie um irgendwas beneidet. Die haben ja, ahem, eh meist nicht meine Fächer. Natürlich will ich gemocht werden, das will jeder Lehrer, aber so wichtig ist mir das auch wieder nicht.
    Ich habe allgemein eine gesunde Distanz zu den meisten meiner Mitmenschen. („Desinteresse“ darf ich aus beruflichen Gründen wohl nicht schreiben? Sagen wir: ein britisch oberflächliches Interesse.)

  2. Ich bin in der Grundschule und wohl auch kein Kumpeltyp in dem Sinne, eher mütterlich. Dennoch merke ich immer, wenn es ans Beurteilen geht, dass mir Distanz fehlt. Die Kinder sind mir nach drei Jahren sehr ans Herz gewachsen. Viele kommen nicht nur mit schulischen Themen zu mir, bei einigen weiß ich von familiären, psychischen…. Problemen. Denen mag ich keine schlechten Noten geben.
    Für das Lernen bzw. meine Möglichkeiten, dabei zu unterstützen und zu beraten, finde ich diese enge Beziehung sehr hilfreich, wenn nicht sogar notwendig.
    Oft wünsche ich mir, die Kinder würden von jemand anderem beurteilt…
    LG Sabine

  3. Hallo Herr Klinge,
    ich bin voller Respekt für ihre reife und überlegte Umgehensweise mit dem Thema. Insbesondere weil sie offensichtlich bei den Schülern sehr gut ankommen und es eben oft genau diese Lehrer sind, die zu unbedarft damit umgehen. Eine von Schülern als „hot“ eingestufte Sprachenkollegin von mir findet uns betagterer distanziertere Kollegen als verklemmt, weil wir ihr raten den Schülern gegenüber mehr „Lehrer“ zu sein, denn schließlich hat sie sich damals auch soooo gut mit ihrem Sprachenlehrer verstanden, dass sie in der Oberstufe ein Paar waren und sie findet das kann man ruhig so offen sagen, weil was ist schon dabei, sie war fast erwachsen. Gerne beginnt sie den Unterricht auch 15 Minuten später um mindestens 7-8 Minuten früher die Schüler aus dem Klassenraum zu entlassen. Ja genau diese Sorte.
    Aber selbst korrekte Kollegen sind davor nicht gefeit. Ich kann das nicht weiter ausführen, aber Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Schülern in Schwierigkeiten kann in einer hormongeschwängerten Phase des Lebens auch falsch verstanden werden, wie mir eine attraktive Kollegin einmal berichtete.

    Zu viele Kollegen gehen damit sorglos um. Mir stehen auch die Haare zu Berge, wenn mir meine eigene sweet-sixteen Tochter berichtet der nette neue Lehrer hat sie nach dem Ausflug noch alleine nach Hause gefahren. Nett für mich, sonst hätte ich sie abholen müssen, aber was denkt sich der junge Lehrer? Da darf er nicht die falsche Schülerin ins Auto laden.

    Also von mir ein insgesamt zustimmendes Nicken und lieber einmal zuviel die Tür offen stehen lassen bei 4 Augen Gesprächen!

    LG
    Coreli

  4. Ach das mit dem verliebt sein in Lehrer kenne ich auch.
    (Und das ist fast jeder mal[Gibt nur kaum einer zu], wie auch fast jede Fahrschülerin sich minimal in ihren Fahrlehrer verguckt.) Meist ist auch nichts dabei, weil irgendwann gleichaltrige Interessanter werden.
    Schlimm sind nur die Lehrer, die das ausnutzen.
    Aber die sind Gott sei dank in der Unterzahl

    In der Pflege soll man ja auch am besten ein distanziertes Verhältnis zu seinen Klienten haben. Im Krankenhaus ist das noch machbar, im Altenheim klappt das auch irgendwie (Wobei ich den Grund da sehe, dass man da, genauso wie in der Ambulanten Pflege eben keine Zeit dafür hat, sich mit den Klienten auseinander zu setzen.)
    In der Behindertenhilfe wiederum kenne ich kaum jemanden, der alle siezt, oder gesiezt wird. Da lässt man auch mal Umarmungen zu, und unterhält sich mit den Klienten. (wobei es dort auch zeitlich schwer ist, dieses noch zu gewährleisten)
    Aber das brauchen die Menschen auch mal. Ein bisschen Geborgenheit. Viele Klienten haben keine Familie mehr, oder diese sorgt sich kaum. Da ist die Frage, wer es ihnen sonst geben sollte.

    Aber auch da sollte man eine gewisse Distanz wahren.
    Küssen lassen ist Tabu, genauso wie sexuelle Anspielungen.

    Da ziehe ich auch einen kleinen Vergleich zur Schule.
    Es gibt leider Kinder, die zuhause keine Geborgenheit erfahren.
    Die sich eher in der Schule geborgen fühlen. Dieses wird von Freunden oft abgefangen (Leider auch manchmal von den Falschen) aber auch durch Lehrer. den Schülern tut es eben dann auch sehr gut, mal sich mit jemanden zu unterhalten. Sich eventuell auch mit ihren Problemen anzuvertrauen.
    Aber natürlich kann man da nicht so „weit“ gehen wie in der Pflege.
    Ich finde es unhöflich einen Lehrer (der mich unterrichtet oder unterrichtet hat) zu duzen. Und das wahrt ja auch von beiden seiten die Distanz. Auch Umarmen finde ich nur in manchen Situationen angebracht. Wo ich es Ok finde ist, z.B. wenn es jemanden wirklich schlecht geht (Ich wurde mal von meiner Englischlehrerin umarmt, weil es mir durch den Tod meines Vaters sehr schlecht ging) und Persönlich finde ich es auch nicht so schlimm mal zum Geburtstag gedrückt zu werden (wobei das nicht unbedingt sein muss.)

    Auch glaube ich, kommt es auf das Alter der Schüler an.
    In der Grundschule ist es relativ normal, mal einen Schüler an der Hand zu nehmen, oder einen Weinenden zu drücken.
    In den Weiterführenden ist es eher sehr distanziert,
    und in der Berufsschule ist es zwar auch sehr Distanziert, (da wird man ja auch selbst gesiezt) aber kumpelhafter als in der Haupt/Realschule oder Gymnasium. (In der Berufsschule versteht man auch gerne mal den anderen Besser, weil da auch nicht mehr so ein riesen Altersunterschied ist. Bei mir in der Schule gab es auch mehrere Schüler die sogar älter waren als der Jüngste Lehrer XD)

    Also ich sehe es so mit der Distanz:
    Von Mensch zu Mensch verschieden.
    es gilt aber, so viel distanz wie nötig, aber nicht so viel wie möglich.

  5. Echt schwieriges Thema. Ich glaube nicht, dass es „den“ richtigen Weg gibt. Die beiden Lieblingslehrer meiner Schulzeit waren diesbezüglich sehr unterschiedlich. Der eine war eher distanziert und relativ streng, allerdings immer fair und seine Entscheidungen waren transparent. Der andere war der absolute „Kumpeltyp“. Er war gerade erst im Job und daher nur max. 10 Jahre älter als wir. Da war auch mal Zeit 5 Minuten über Fußball oder Stromberg (war zu der Zeit brandneu die Serie) zu reden. Allerdings haben wir uns, wenn dann arbeiten angesagt war auch richtig in Zeug geschmissen und der Respekt vor ihm war nie weg. Letztendlich hat dieser Lehrer mich dazu bewogen selber Lehrer zu werden. Ich habe mein Abi noch vor der großen personellen Umstellungsphase an den Gymnasien gemacht und so ein junger Lehrer war ja fast schon eine Seltenheit (mittlerweile sind an meiner alten Schule noch ca. 5 von 65 Lehrern aus meiner Schulzeit).
    Also: Lockeres Verhältnis kann gut sein, aber auch das Gegenteil. Letztendlich kommt es doch auf die Lehrerpersönlichkeit an und dass man authentisch ist.

  6. Während der Vorbereitungen auf eine Klassenfahrt war ich mit 10t-Klässlern im Aldi. Wir wollten mit einem Schiff übers Ijsselmeer segeln (beste Klassenfahrt ever!) und waren dementsprechend Selbstversorger.
    Als wir an der Kühltheke stehen, sagt Daniel zu mir: „Mama, brauchen wir auch Butter?“ Wir haben uns beide schlapp gelacht und ich habe nie wieder ein besseres Kompliment bekommen 🙂

  7. Hallo Jan-Martin,
    gesunde Distanz ist wichtig. Klar. Ich glaube jedoch nicht, dass man sie am Du oder Sie fest machen kann… Was machen Menschen, die eine andere Sprache spechen? 😉 #englisch

    Ohne eine gesunde Beziehung findet auch kein wirkliches Lernen statt. Daher wünschte ich mir, dass Lehrer und Pädagogen eine gute Form der echten und wertschätzenden Beziehung fänden, damit nicht so viele Schüler zu mir ins LernCoaching kommen müssen 😉

    Ich vermute, Lehrer, die beliebt sind und auch Respekt erfahren sind Menschen, die echt und authentisch sind. Die sich zeigen und gleichzeitig auch ihre Grenzen erkennen lassen, ohne sie durchsetzen zu müssen.
    Sie sind wohl Menschen, an denen man sich orientieren kann, die Sicherheit in ihrem Verhalten geben, auf die man sich verlassen kann.

    Deine Gedanken gefallen mir.
    Herzliche Grüße
    Alexandra

  8. Hallo zusammen,

    mein Name ist Alex, 29 Jahre alt und angehender Berufsschullehrer für Bautechnik, stehe kurz vor der Master-Thesis und habe jetzt in meinem Lehrauftrag die ersten Erfahrungen gesammelt, wie was so ist, Lehrer zu sein 🙂

    Wie man sich als Lehrer zu seinen Schülern verhält, ist für mich ein wichtiges Thema, da meine Lehrer aus meiner FOS-Zeit und der späteren Ausbildungszeit eigentlich dazu inspiriert haben, Berufsschullehrer zu sein. Ihre Lehrerpersönlichkeit war für meinen dritten Berufswunsch sehr ausschlaggebend. Umzugs- und später leistungsbedingt war ich auf vielen Schulen. Allein in den vier Grundschuljahren habe ich drei unterschiedliche Grundschulen in drei verschiedenen Städten besucht. Dann war ich vier Jahre lang auf einer Integrierten Gesamtschule und nach einem weiteren Umzug auf einem Gymnasium, dass ich leistungsbedingt nach 2,5 Jahren abbrechen musste und anschließend eine Fachoberschule mit technischem Schwerpunkt besuchte. In meinen 13 Schuljahren, von denen ich eins wiederholen durfte, habe ich viele verschiedene Lehrer kennengelernt. Ich kann gute Lehrer von der Grundschule bis zum Gymnasium auf einer Hand abzählen, denn sie waren sehr engagiert und menschlich gut drauf. Die anderen gingen nur ihrer Arbeit nach! Auf der FOS habe ich einen neuen Lehrertyp kennengelernt: Den Berufsschullehrer! Aus meiner Sicht waren sie viel näher „am Volk“. Sie konnten uns, Schüler, besser verstehen und sich auf uns menschlicher und „kumpelhaft“ einlassen. Dass sie so nah an uns waren, liegt wohl daran, dass sie neben ihrer eigenen Schulzeit und dem Studium in der freien Wirtschaft gearbeitet und somit mehr gelernt haben, was den Umgang mit Menschen und vor allem Teamarbeit angeht. In der Ausbildungszeit habe ich in der Berufsschule die gleiche positive Erfahrung mit den Lehrern gemacht. Im Studium merke ich bei manchen Kommilitonen auch den Unterschied zwischen angehenden Lehrkräften am Gymnasium und der Berufsschule.

    In meinem Lehrauftrag war ich den Schülern gegenüber offen, kumpelhaft und vereinzelt habe ich meine strenge Seite entdeckt 🙂 Eine gewisse Zeit habe ich bei den Technikern Vertretung gemacht: Einige waren so alt wie ich, andere älter. Im Vorfeld habe ich mich bei den Kollegen erkundigt, ob ich die Techniker Siezen oder Duzen soll. Als Antwort bekam ich, dass es mir überlassen ist. Dabei wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es womöglich bei der Benotung Probleme geben könnte, wenn keine Distanz zwischen Lehrer und Schüler aufgebaut ist. Meinen beiden Technikerklassen überließ ich die Wahl der Anredeform: Alle wollten geduzt werden. Um einen für mich sicheren Abstand zu erhalten, erwähnte ich scherzhaft, dass ich als Lehrer gesiezt werden muss, was von allen akzeptiert wurde. Als ich die Klassen wieder abgab, habe ich mich mit einigen Technikern auf dem Schulhof oder im Flur begrüßt und unterhalten. Einige duzten mich auf einmal. Ich sah das aber in dem Moment nicht so kritisch, da ich in ihren Klassen nicht mehr unterrichte. Wie das im nächsten Schuljahr aussehen wird, weiß ich noch nicht 🙂 Sollte ich wieder die gleichen Klassen bekommen, werde ich den Technikern das Du anbieten, weil es aus meiner Sicht dann etwas gespielt wäre, würden mich die bereits duzenden siezen…

    Neben den Technikern hatte ich auch eine Flüchtlingsklasse und Auszubildende des 2. Lehrjahres. Dort ging ich mit den Schülern auch offen und kumpelhaft um. Von den Azubis habe ich ein gutes Feedback bekommen. Ich fand es auch sehr angenehm, bei den Schülern zu unterrichten. Ab und zu hatte ich meine Sorgen gehabt, was die nahe Distanz zwischen mir und den Azubis anging. Die Sorgen kamen immer dann, wenn ich mich durchsetzen musste. Ein Mal gelang es mir nicht… Beim zweiten Mal gelang es, weil ich ihre Aufgaben am Ende der Stunde mit Androhung eingesammelt habe. Ich durfte auch ihre Klausuren korrigieren. Da hatte ich auch einige Sorgen gehabt, dass die Schüler nach einer 3, 4 oder 5 allergisch auf mich reagieren würden und ich nun plötzlich zum Buhmann werde. Aber die Azubis haben ihre Noten bzw. ihre Leistungen angenommen und am Verhältnis änderte sich nichts.

    Was ich bedenklich finde, ist, dass an der Uni nicht gelehrt wird, wie mit Schülern umzugehen ist. Bei „braven“ Klassen wird es sicherlich auch ohne theoretischen Hintergrund gut klappen. Aber was ist, wenn man „Problemklassen“ in den „Warteschleifenbildungsgängen“ bekommt? Die wenigsten haben dort Respekt vor den Lehrern. Wie geht man damit um? Die Distanz wird wider Willen zu nah und das im negativen Sinn. Was ich in der Hospitation erlebt habe, möchte ich selbst nicht erleben. Da sollte man im Studium besser vorbereitet werden.

    Alex

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