Glucksend und kichernd drängen sich meine Jungs in den Aufzug. Eigentlich dürfen nur acht Personen gleichzeitig fahren, aber natürlich halten sie sich nicht dran. “Einer geht noch!” Eine Frau des Sicherheitspersonals bemerkt den Unfug und kommt schnellen Schrittes auf die Kinder zu. Die Jungen fangen an zu kreischen krakeelen.
Die Fahrstuhltüren schließen sich.
Die Sicherheitsfrau rennt los.
Die Jungs lachen und fürchten sich; drücken sich in die Ecke des Fahrstuhls.
Wir haben immer noch Klassenfahrtswoche.
Gestern sind wir in einem Bowling Center gewesen. Hinfahrt und Benehmen waren tadellos, nichts wurde zerstört, alle Getränke und Schnipsel hinterher aufgeräumt. Die Schüler gehen fair miteinander um und in dem Center gar es auch die Möglichkeit für Menschen im Rollstuhl, ordentlich zu bowlen. Am Ende waren alle glücklich.
Wenn ich das so lapidar berichte, dann klingt das nach einer kleinen Gruppe Sonntagsschüler oder aber, als würde mir (bzw. meiner Co & mir) das ganz leicht von der Hand gehen. Einmal mit dem Finger geschnipst und schon bildet sich eine Zweierreihe. Weil wir geborene Lehrerpersönlichkeiten sind. Natürliche Autoritäten.
Aber das stimmt nicht.
Ein so hohes Maß an Disziplin und Benehmen, aber gleichzeitigem Respekt und Wertschätzung verlangt harte Arbeit und an zwei Stellen heute ist mir das noch einmal schlagartig bewusst geworden.
Heute morgen fuhren wir mit dem Zug nach Köln. Erst zwei Stunden ins Museum Ludwig in eine Kunstausstellung, danach noch etwas Zeit zum bummeln.
Vor dem Museum erklärten wir den Schülern, wie sehr sie sich auf die Kunst einlassen würden müssen. Wer das nicht schaffe, der könne auch direkt draußen sitzen bleiben und warten. Kunst braucht Zeit und ein offenes Herz.
Um den Schülern den Zugang zu den Ausstellungsstücken zu erleichtern, hatte sich meine Co etwas ausgedacht: In einem Säckchen hatte sie allerlei kleine Gegenstände mitgebracht (vom Plüschherz über einen Walkman hin zur Wäscheklammer und einem Teelichthalter usw.). Jeder Schüler zog einen Gegenstand und sollte sich im Verlauf des Rundgangs ein Ausstellungsstück aussuchen und eine Geschichte erfinden, die seinen gezogenen Gegenstand möglichst kreativ mit dem Ausstellungsstück verband.
Alternativ: Die Schüler sollten je zu zweit ein Interview führen. Jeweils ein Schüler wäre der Künstler während der andere ein Journalist sei. Als Künstler solle man dann dann durchaus neunmalklug erklären, was man wie weshalb gemacht habe.
Es. War. Großartig.
Tatsächlich haben sich alle wirklich mit der Aufgabe auseinandergesetzt. Drei, vier haben sich sehr schwer getan – aber das ist vielleicht auch okay. Aber die anderen… wow! Die Schüler haben sich viel Zeit genommen, Kunstwerke wirken lassen und sich darüber ausgetauscht, was wie warum wohl so war.
Am Schluss stellten einige Schüler ihre Arbeiten vor und was ich zu hören bekam, war sehr, sehr, sehr beeindruckend.
Im Feedback äußerten sich alle Schüler positiv überrascht – sie wären mit sehr geringen Erwartungen in das Museum gegangen und hätten ganz viele interessante Stücke gefunden.
Fast alles prima also.
Als wir später in der Sonne saßen und die Eindrücke wirken ließen, erzählten mir einige Jungs, wieso das Kunstmuseum auch für sie ganz aufregend gewesen sei. Glucksend und kichernd hatten sie sich in den Aufzug gedrängt.
Eigentlich dürfen nur acht Personen gleichzeitig fahren, aber natürlich halten sie sich nicht dran. “Einer geht noch!” Eine Frau des Sicherheitspersonals bemerkt den Unfug und kommt schnellen Schrittes auf die Kinder zu. Die Jungen fangen an zu kreischen krakeelen.
Die Fahrstuhltüren schließen sich.
Die Sicherheitsfrau rennt los.
Die Jungs lachen und fürchten sich; drücken sich in die Ecke des Fahrstuhls.
Wie im Film schließt sich die Tür im letzten Moment und der Fahrstuhl fährt in die Tiefe. Immerhin verteilen sich die Jungen danach in der Ausstellung und fallen nicht weiter auf.
Während der Heimfahrt unterhalten meine Co und ich uns. Beiden fällt uns auf, dass nach diesen Tagen die Kinder zunehmend hm.. frivoler (?).. respektloser (?).. direkter werden. Bemerkungen werden flapsiger formuliert. Die Grenze zwischen Lehrer und Schüler verschwimmt. “Herr Klinge”, ruft ein Mädchen. “Herr Kliiinge?!” Und dann, ihre beste Freundin: “Jan-Maaaartin!”
Da ist es. Ich werde geduzt.
Ich bin sicher nicht der Typ dafür. Grenzen sind mir sehr wichtig. Respektvoller Umgang. Disziplin. Ich bin definitiv kein Kumpeltyp. (Selbst die Kollegen finden mich eher gruselig als kumpelig!)
Und trotzdem verschwinden nach ein paar Tagen “Erlebnispädagogik” die Grenzen. Ich werde geduzt. Nicht aus böser Absicht. Nicht “arschig”. Sondern weil wir – aus Schülerperspektive – alle Freunde geworden sind.
Es ist nicht so, als wären unsere Kinder alle fromme Sonntagsschüler. Und leider umgibt weder mich noch meine Co eine Aura der Autorität, die auf magische Weise allen Schüler Respekt abnötigt. Statt dessen ist das viel Arbeit. Klare Grenzen ziehen. Viel liebhaben aber auch deutlich machen, was geht und was nicht. Konsequent sein.
Es wird Zeit, dass der Unterricht wieder losgeht.
Klingt nach harter, guter Arbeit … hm, weiter so?
Unbedingt 🙂
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass so eine Woche mit den Schülern sehr anstregend ist. Klassenfahrt Anbieter können wenigstens bei den organisatorischen Dingen entlasten. Mit Prisma-Club Tours habe ich gute Erfahrungen gemacht.