Mein junger „kann man mit Fanta einen Regenbogen erzeugen?„-Physikkurs bereitet mir auch in den letzten Wochen vor den Sommerferien große Freude.
Aus Gründen haben wir zwei Einzelstunden, jeweils am späten Nachmittag. Für Fächer mit einem hohen Anteil an Experimenten sind Einzelstunden tödlich: Auf- und Abbau eines Experiments nehmen kostbare Zeit weg, rechnet man noch Anweisungen und Aufgabenstellungen zu, bleibt nicht viel Spielraum für Freiheiten.
An anderer Stelle bieten Einzelstunden jedoch größere Vorteile: Jeder einzelne Termin ist nicht so viel „wert“, wie eine Doppelstunde. Für meinen Unterricht hat das enorme Konsequenzen – in diesem Jahr lege ich einen größeren Fokus auf das (wagenscheinsche) Erkennen von Naturphänomenen.
Konkretes Beispiel:
Wir beschäftigen uns gerade mit den „Bewegungen“. Dazu sind wir auf dem Schulhof gerannt, haben die Zeit gestoppt und ein anschauliches Diagramm erstellt. Nun stehen wir an der Frage, ob ein „freier Fall“ eine gleichförmige oder eine beschleunigte Bewegung ist.
Die Kinder sind sich uneins. Es wird in beide Richtungen schlau argumentiert. Ich könnte es ihnen sagen. Oder wir könnten in einem Buch nachsehen. Aber statt dessen haben die Schüler sich Experimente ausgedacht, mit denen wir die Vermutungen überprüfen können.
Anschließend haben wir über Vor- und Nachteile der verschiedenen Versuche gesprochen und uns für eines entschieden.
Und heute, einen Tag später, haben wir es durchgeführt: Eine Zeitlupenaufnahme meines fallenden Bären (mehr zu Kuscheltieren in meinem Unterricht hier). Auch an eine Skala wurde gedacht – eine beschriftete ZEWA-Rolle hängt aus dem Fenster.
Leider hat uns der Wind einmal das Band zerrissen, so dass es im zweiten Versuch geflickt und geklebt verkehrt herum an der Wand hängt. (Ganz rund ist die Zeitlupenaufnahme auch nicht, aber was ist im Unterricht schon perfekt..?)
Im Nachgang haben einzelne Schüler ihre Aufnahme drahtlos (wie das geht) an den Beamer geschickt und wir interpretierten das Gesehene mit eindeutigem Ergebnis.
Ganz und gar wunderbar ist, dass die Kinder das Experiment selbstständig entwickelt haben, jedes kleine Detail wurde bedacht. Ich selbst hatte andere Versuche im Kopf (man kann z.B. Münzen im gleichen Abstand an eine lange Schnur kleben. Lässt man die Schnur fallen, hört man kein gleichmäßiges TAK-TAK-TAK sondern ein immer schneller werdendes TAK-TAKTAK-TAKTAKTAK) aber mit diesem macht es mehr Spaß und die Schüler gewinnen das Gefühl, wahrhaft eigenständig geforscht zu haben.
Ich habe den Eindruck, dass sie bei selbstständig entwickelten Versuchen konzentrierter und interessierter bei der Sache sind – aber leider kostet das auch deutlich mehr Zeit. 90 Minuten für eine Erkenntnis, die mit einem vorbereiteten Lehrerexperiment in 10 Minuten abgefrühstückt wäre.
90 Minuten vs. 10 Minuten – ja das ist schwierig.
Auf der anderen Seite können sich die Schüler vermutlich in 2 Jahren noch an die Experimente erinnern, wenn man ihnen die Stichpunkte: Fenster, Zewa, Bär an die Tafel schreiben würde.
Das Experiment mit den Münzen habe ich mir gleich abgespeichert. Tolle Idee und unaufwendig.
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