Mit jedem Tag der verstreicht, zieht mehr Freude in meinen Arbeitstag ein.
Ich verstehe die Schulabläufe besser und muss nur noch bei jeder zweiten Abkürzung genauer nachfragen. Die Namen meiner eigenen Klasse habe ich inzwischen komplett drin (allerdings ist es im Klassenraum bei festen Plätzen deutlich leichter, als auf dem Schulhof) und die Abstimmung mit meiner Co läuft ganz wunderbar.
Dies ist übrigens durchaus ein spannender Punkt.
Ich habe in den letzten Jahren meine Aufgabe als Klassenlehrer sehr genossen. Der persönliche Bezug zu den Kindern, das wechselseitige Wachsen und Leben teilen. Ich habe mir nicht vorstellen können, darauf zu verzichten. Mein Unterricht ist stark von der Beziehung zwischen mir und der Klasse geprägt – je intensiver, desto besser läuft es. Es fällt mir aber schwer zu beurteilen, inwieweit sich meine Aufgaben in der Schulleitung mit der eines (guten) Klassenlehrers verweben lassen. Dies wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Wenn ich durch Termine und häufige Abwesenheit eher Belastung als Unterstützung für meine Co bin, dann will ich das auf dem Schirm haben.
Ich habe die Stimme von Freunden im Ohr, die eher mäßig begeistert sind, wenn ihre Kinder beim Schulleiter Unterricht haben – der fiele oft aus und gefühlt sei die Schulleitung mit den Gedanken eher bei anderen Dingen, als gutem Unterricht. Das habe ich im Kopf.
Mit meiner Klasse haben wir heute eine Zeitkapsel gefüllt. Jedes Kind hat einen Brief an sein zukünftiges Ich geschrieben. Unter großem Theater und viel Geheimnis habe ich den Umschlag versiegelt und werde ihn in den Schultresor legen, der „viele Meter unter der Erde liegt!“ Sogar so tief, dass man in der Nähe ein Skelett gefunden hat.
(Denkt euch an dieser Stelle meine aufgerissenen Augen, die Hand entsetzt vor meinen Mund gehalten, als könne ich selbst nicht glauben, was ich da sage.)
Außerdem habe schon in verschiedenen Kursen Mathematik unterrichtet und natürlich mit meinem Rätselbild begonnen. In den letzten Jahren ist dieses Bild vielen Schülern als Synonym für echtes Lernen im Kopf geblieben und ich hoffe, dass dies hier wieder geschieht. Herausfordernd ist die Umstellung meines Unterrichts. Es muss viel mehr differenziert werden, die Schülerinnen und Schüler benötigen weit mehr Hilfe. Ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich ein Gespür für das richtige Anforderungsniveau entwickelt habe. Aber ich glaube auch: Kinder müssen gefordert werden. Mal sehen, wie das wird.
In gleichem Maße wachse ich in die Rolle als Abteilungsleiter hinein. Nach der intensiven Einschulungszeremonie habe ich mich mit der Organisation der AGs beschäftigt, an einem Elterngespräch teilgenommen und in der ein oder anderen Konferenz meinen Beitrag geleistet. Nachmittags wird die Naturwissenschaftliche Sammlung weiterhin geordnet und sortiert. Diese Arbeit ist zugleich anstrengend als auch überaus lustig.
Allenthalben finden wir in den Schränken lauter merkwürdige Geräte, deren Sinn und Zweck sich nur mit viel Fantasie erschließen lässt. Manchmal reicht ein kurzer Blick um wirklichen Müll zu erkennen – aber hin und wieder stoßen wir dann doch auf Schätze und einer der Kollegen kann erklären, wozu man das Gerät braucht. Oder gebraucht hat. Oder gebraucht haben könnte.
Außerdem haben wir eine alte Flasche Wein gefunden. Ob zum Experimentieren oder Untersuchen, ob zum Aufheitern oder trösten lässt sich nicht mehr feststellen. Auf jeden Fall trübt der Wein den Blick fürs Wesentliche, aber die reine Anwesenheit hellt die Stimmung auf (außer beim Skelett – wer erkennt den Zusammenhang?).
Die ersten ganz wackeligen Schritte habe ich also hinter mir und gewinne – dank des wirklich geduldigen Kollegiums – mehr Sicherheit in meinem Arbeitsalltag. Die Laune ist jedenfalls ungetrübt. Weiterhin führe ich nebenher ein Organisationstagebuch, indem ich mir dezidiert aufschreibe, was ich wann tue.
Bei aller Aufregung ob des Neuen: Schade ist, dass ich gerade keine Zeit finde, kreativ tätig zu sein. Gefühlt bleibt das Blog ein wenig auf der Strecke, ebenso wie außergewöhnliche Unterrichtsprojekte oder private Vorhaben. Bis spät abends werden Listen erstellt, Mails beantwortet und Unterricht neu vorbereitet. Ich mag halt auch nicht schludern oder zur Schwellenpädagogik übergleiten – und gute Arbeit kostet richtig viel Zeit.
Aber das Schöne kommt hoffentlich alles bald wieder.