Während ich an meinem Schreibtisch sitze und Klassenarbeiten korrigiere, stört mich meine älteste Tochter. „Du, Papa“, erklärt sie bestimmt, „du musst da jetzt weggehen. Ich brauche deine Bildschirme.“
Jede prokrastinatorische Tätigkeit, die mich vom Korrigieren abhält, ist mir recht und bevor ich etwas sagen kann, sitzt Carolina schon auf meinem Stuhl. Sie wechselt den Benutzer und meldet sich an. Startet OneNote, Wort und Chrome, verteilt die Fenster auf die Bildschirme und legt ihren Tablet neben sich auf den Schreibtisch, während ich gespannt zuschaue.
Vor anderthalb Jahren hat meine Tochter alle ihre Hefte entsorgt und benutzt seitdem ein Tablet zum Mitschreiben im Unterricht. Auch nach anderthalb Jahren immer noch gegen den Widerstand einiger Lehrer, die darin keinen Nutzen erkennen können. Mir wird der Nutzen dagegen heute Abend deutlich vor Augen geführt und ich wünschte, ihre Lehrer könnten das sehen.
„Wir haben ein Projekt über Allergien gestartet“, erklärt Carolina, „hier das habe ich geschrieben“, sie deutet auf den Monitor, „und das da sind Fotos von den Aufschrieben meiner Gruppenmitglieder. Und weil ich einige Worte nicht kannte, habe ich die in der Wikipedia nachgeschlagen und hier eingefügt.“
„Und was machst du jetzt?“ „Ich fasse unsere Aufschriebe hier in dem Wortdokument zusammen für unseren Vortrag und schlage das ein oder andere nochmal nach.“
Ich bin wirklich stolz.
Unter dem Stichwort „Digitaler Bildung“ werden oft die 4K genannt, die wichtigen Kompetenzen des 21. Jahrhunderts: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken.
Davon ist einiges zu entdecken. Noch nicht ganz wie im Apple-Spot – aber für meine Verhältnisse schon nah dran. Einzig schade, dass sie weiterhin allein dasteht: Kooperatives Arbeiten ließe sich ganz neu erleben, wenn ihre Gruppenpartner auch digital gearbeitet hätten. Dann hätten sie arbeitsteilig die Zusammenfassung schreiben können.
Aber es wird. Es wird.
[In den Kommentaren zu den vorherigen Artikeln wurde die Bitte geäußert, diese nach einiger Zeit wieder aufzugreifen. Dies tue ich hiermit. Meine Tochter wird ihren Tablet wohl nie wieder gegen ein Heft eintauschen wollen.]
Die Digitalisierung der Bildung kann, richtig umgesetzt, so viele Vorteile bieten. Deine Tochter zeigt hier einige davon auf!
Leider hat eine ungesteuerte Digitalisierung genauso Gefahren, wie eine gar nicht in Angriff genommene Umstellung.
In meinem Referendariat konnte ich drei Klassen parallel an einem digitalen Wörterbuch arbeiten lassen. So hatten sie wenigstens ein bisschen Freude (und sinnige Lernerfolge…) bei der Lektüre eines ganz schrecklichen Buches auf Schwyzerdütsch.
Ich habe mich von ihren Beiträgen zu der Digitalisierung von Unten inspieren lassen und führe dass mit einem Tablet genauso aus, wie ihre Tochter das macht. Ich habe zum Beispiel keine Hefte mehr und ebenso Hefter. Anscheinend habe ich auch einige aus meiner Klasse inspirieren können, sodass es außer mir noch 2 Leute machen und einer noch überlegt. Mein Tablet ist von der Marke mit dem angebissenem Apfel, also habe ich ein Ipad der 6. Generation mit Apple Pencil.
Auch ich kann von einem erfolgreichen Fall der Digitaliesierung von unten berichten.
Großartig! Das klingt nach Engagement und Freude am Lernen 🙂