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Wie „Brilliant“ in meinen Unterricht drängt.

„Brilliant“ bietet online-Kurse zum Selbststudium an. Ich scheitere bei jedem einzelnen Kurs und überlege doch, wie sich das Prinzip auf meinen Unterricht übertragen ließe.

Der Disclaimer gleich zu Beginn: Es gibt keine bezahlten Artikel auf Halbtagsblog.de und weder bin ich eine Partnerschaft mit „Brilliant“ eingegangen noch stehe ich in Kontakt mit den Machern. Grundlage dieses Artikels ist meine Erfahrung.

Was ist „Brilliant“?

Wie "Brilliant" in meinen Unterricht drängt. 1

„Brilliant“ ist eine Webseite, auf der man verschiedene – eher naturwissenschaftlich orientierte – Kurse absolvieren kann, um eine Thematik zu erlernen. Das Angebot reicht von Grundlagen der Mathematik oder Informatik über „Wissenschaftliches Denken“ und „Klassische Physik“ bis hin zur „Einführung in neuronale Netze“ – insgesamt kann man aus 60 verschiedenen Kursen wählen.

Jeder Brilliant-Kurs besteht wiederum aus einer Vielzahl an Kapiteln – die klassische Mechanik beinhaltet beispielsweise 49 Quizzes und über 600 Erklärungen und Übungen.

Wie "Brilliant" in meinen Unterricht drängt. 2Der Inhalt ist komplett auf Englisch gehalten, lässt sich im Browser (unter Chrome –> Rechtsklick auf die Seite –> ‚Auf Deutsch übersetzen‘) per Mausklick in ein sehr lesbares Deutsch übersetzen.

Jeden Tag gibt es einen kostenlosen Einblick in einen Kurs, regulär kostet die Premium-Mitgliedschaft und damit der Zugriff auf alle Kurse 19 € im Monat oder 120 € im Jahr.

Was gefällt mir an Brilliant?

Ich halte den Verstand für einen Muskel, der unentwegt trainiert werden muss. Füttere ich ihn mit zu viel Trash-TV, geht er ein. Leider bin ich nicht besonders ehrgeizig und Training macht mir allgemein wenig Spaß. Eine Möglichkeit, dem zu begegnen ist, neugierig zu bleiben; sich mit den Dingen intensiv auseinanderzusetzen, die einen von Natur aus interessieren und wo die Einstiegshürde niedrig ist.

BrilliantDer Aufbau der Kurse ist immer gleich. Es gibt einen leicht verständlichen Text, der einen Sachverhalt in einfachen Worten erklärt. Dazu eine, oft animierte, Grafik zur Illustration. Auf dem Bild rechts bspw. geht es zunächst um die Frage, ob man über die sieben Brücken von Königsberg Kaliningrad laufen kann, ohne eine einzelne Brücke mehrfach überqueren zu müssen.

Wie "Brilliant" in meinen Unterricht drängt. 3Am Ende jeden Texts erscheint eine Quizfrage, die „überprüft“, ob man das Prinzip verstanden hat. Auf Wunsch gibt es eine ausführliche Erklärung, warum ich (mal wieder) falsch getippt habe.

Später dann in diesem Kurs zum Thema „Brute Force“, also massiver Rechenleistung von PCs und ihrer Fähigkeit, stumpfsinnig und mit Gewalt Rechenaufgaben abzuarbeiten: 446 Brücken finden sich in Pittsburgh, Pennsylvania: Wie lange braucht ein durchschnittlicher Computer um alle möglichen Pfade herauszufinden?

Die Kombination aus erklärendem Text, veranschaulichender Grafik und einem zugehörigen Quiz ist sehr attraktiv. Obwohl ich für das Verständnis vieler Kurse augenscheinlich nicht genügend Intelligenz besitze („Schon wieder falsch. Wollen Sie eine Erklärung sehen?“) erliege ich dem Charme dieses Vorgehens: Ich bin in der Lage, mit ein Themengebiet selbstständig anzueignen, ohne auf eine zusätzliche Lehrkraft angewiesen zu sein.

Brilliant für den Unterricht?

Seit ich Brilliant im Herbst das erste Mal ausprobiert habe, lässt mich der Gedanke nicht mehr los, wie ich dieses Konzept in meinen Unterricht übertragen kann.

Wie "Brilliant" in meinen Unterricht drängt. 4Ich entdecke Konzepte des Flipped Classroom wieder, bei dem Inhalte des Unterrichts vorher aufgezeichnet und von den Schüler:innen angesehen wurden. Eine Lehrkraft braucht es an dieser Stelle nicht.

Die vielen Übungen zur Evaluation des eigenen Wissens finde ich außerdem in meinen Lerntheken wieder, die so etwas wie eine „vorbereitete Lernumgebung“ darstellen: Man kann üben, ausprobieren, denken, forschen und bekommt direkt Feedback, ob man richtig liegt. Auch hier braucht es eigentlich keine Lehrkraft.

Bis zum Sommer stehen für mich unter anderem noch Optik und Elektrizitätslehre in der Physik auf dem Plan und die Einführung in quadratische Funktionen in Mathematik. In meiner Vorstellung kann ich meine Schüler:innen in solche Kurse schicken und ihnen die Grundlagen der Themengebiete dadurch vermitteln.

Wie sinnvoll ist das?

Nicht außer Acht zu lassen ist aber die Frage, wie zweckdienlich eine solche Umsetzung wäre. Eine Horrorvorstellung, dass die Kinder im Schultag nichts anderes mehr tun, als stundenlang auf Bildschirme zu starren und Texte zu lesen… An welcher Stelle des Unterrichts finden dann noch Diskussionen, Plakaterstellung und Experimente statt?

Also wäre solch ein Kurs vielleicht eher für das Ende der Einheit gedacht: Die Schüler:innen wissen im Grunde schon alles und ein 45-minütiger Kurs führt sie noch einmal durch die gesamte Einheit.

Aufwand & Nutzen? Hm. Hm.

Und die technische Umsetzung?

Außerdem bleibt die Frage, wie sich so etwas nachhaltig (!) erstellen ließe. Microsoft Stream ermöglicht, ein Erklärvideo immer wieder durch ein Quiz unterbrechen zu lassen. Aber damit wäre das gesamte Konstrukt auf meine Schule begrenzt und wenn ich die dereinst verlassen sollte, lässt sich nichts davon mitnehmen.

OneNote böte die Möglichkeit, Texte, Videos und Quizzes auf eine Seite zu packen. Das käme einer Webseite schon ziemlich nahe und ich müsste mich nicht um Webhosting und Programmierung kümmern. Schön wäre hier außerdem, dass man den Text markieren, hineinkritzeln und mit eigenen Anmerkungen versehen könnte.

OneNote

Das ist durchaus charmant, zumal meine Schüler:innen alle mit OneNote arbeiten und sich so ein Kurs schnell und unkompliziert erstellen ließe.

Nachteil: Wer nicht mit OneNote arbeitet, kann nur zusehen. Außerdem lassen sich weder Animationen noch .gifs in OneNote einbinden. Wäre also alles ziemlich statisch und das wäre gerade für Physik ein Ärgernis, wo sich doch vieles bewegt und verändert.

Eine weitere mir bekannte Möglichkeit böte die Programmierung über h5p. Das scheint mir gerade der „heiße Scheiß“ zu sein und von den Möglichkeiten genau das, was ich suche. Problem: Ich bräuchte wohl erst einen Brilliant-Kurs zu h5p, denn ich habe damit keinerlei Erfahrung und soweit ich sehe, gibt es auch kein „h5p für Einsteiger & Lehrer:innen„-Buch1. Was h5p wurde mir letztes Jahr deutlich vor Augen geführt, als jemand mein Corona-Mathematik-Abenteuer dahingehend übersetzte. Hier der Link zum Ergebnis, das mir über meine eigene, geradezu stümperhafte Vorgehensweise die Schamesröte ins Gesicht treibt. Mega-Vorteil von h5p: Solche Kurse wären allgemein zugänglich und könnten unabhängig von Schule und Gerät genutzt werden.

tl;dr

Die Umsetzung eines Brilliant-Kurses in die Schule erscheint mir attraktiv und sinnvoll. An der technischen Umsetzung knabbere ich noch – aber nach Monaten des Grübelns bin ich immerhin schon soweit, einen Blogartikel darüber zu schreiben.

Ich freue mich über didaktische, methodische und technische Hinweise zu diesem Vorhaben.


1: Das triggert mich ja schon ein wenig…

3 Gedanken zu „Wie „Brilliant“ in meinen Unterricht drängt.“

  1. So einen Kurs würde sich super einfach mit Moodle umsetzen lassen. Neben H5P, das mit an Board ist, kann man ganz einfach mit der Testaktivität Quizze erstellen. Videos lassen sich einbinden, Lernwege mithilfe von „Voraussetzungen“ managen. Das tolle daran, dass sich so ein Kurs super einfach exportieren lässt und alle Schulen, die ein Moodle-System nutzen, weiter nutzen können. Mittlerweile hat sich Moodle doch als der quasi LMS-Standard durchgesetzt, wie ich finde zurecht! Klar man braucht etwas Einarbeitungszeit aber dann stehen einem unerschöpfliche Möglichkeiten zur Verfügung!

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