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Lieblingsmenschen.

Ich habe eine Menge Lieblingsmenschen in meinem Leben. Aber ein paar toxische Stimmen versuchen immer wieder sie zu verdrängen. Ich tue mich zunehmend schwerer, sie rigoros auszublenden.

Es gibt ein paar Menschen in meinem Leben, die ich wirklich sehr liebe.

LieblingsmenschenMenschen, mit denen ich ein tiefes Vertrauen darin teile, dass man einander das Beste wünscht. Wir liegen in vielen Dingen auf einer Wellenlänge und freuen uns über ähnliche Dinge in unseren Leben. Mit diesen Leuten kann ich über private, berufliche oder finanzielle Projekte sprechen, ohne mich hinterher zu fragen, ob ich wie ein Angeber geklungen habe und was der andere jetzt vielleicht von mir denkt. Lieblingsmenschen.

Das Blöde ist, dass es auch ein paar toxische Stimmen in meinem Leben gibt.

Und wirklich saudämlich ist, dass diese wenigen Menschen oft einen viel größeren Einfluss auf mein Befinden haben, als ihnen zusteht. Mit einem meiner Lieblingsmenschen habe ich vor einigen Tagen darüber diskutiert, wie man mit ihnen umgeht. Er vertrat die Auffassung, dass Konfrontation wichtig sei. „Bestimmte Dinge darf man nicht einfach stehenlassen – man muss die Leute argumentativ in ihre Schranken weisen.“

Ich merke, dass ich das oft nicht will.

Tatsächlich bin ich irgendwann zu dem Entschluss gelangt, dass ich toxische Menschen einfach von meinem Leben ausblende. Ich diskutiere nicht, ich höre nicht einmal mehr zu. Im realen wie im digitalen Leben meide ich schlicht jeden Kontakt. Ich habe in in den letzten Jahren aus meinem Adressbuch mehr Telefonnummern gelöscht, als neue hinzugefügt. Weil mich toxische Menschen vergiften. Ohne schlechtes Gewissen blockiere und mute ich auf Twitter beständige Nöler, Schlechtreder und selbsternannte Retter des Bildungssystems. Ich will sie nicht in meinem Leben haben.

Dahinter steckt natürlich die Gefahr, dass man sich in einer instagramartigen Wohlfühl-Blase ohne jeden Kritiker wiederfindet. Einer Schar von „Freunden“ und „Fans“, die nichts tun, als Feenstaub und Zuckerguss zu verteilen.

Die Wahrheit ist: Das ist mir egal.

Das Agieren der Politik belastet mich zunehmend. Obwohl ich in einer privilegierten Situation bin (fester Job, sicheres Gehalt, Haus auf dem Land) werde ich von Woche zu Woche unverständiger gegenüber dem politischen Handeln. Ich habe schlicht nicht die Energie, mich mit toxischen Menschen zu streiten. Und ich merke, wie es mir immer schwerer fällt, positiv zu bleiben. Nicht zynisch zu werden. Ich lese gerade Bill Gates „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ (Amazon-Link) – ein absolut großartiges Buch. Schon lange nicht mehr so flüssig und beständig nickend durch ein Sachbuch gelesen. Aber es ist auch keines, das gerade Hoffnung stiftet und für gute Laune sorgt.

Lieblingsmenschen. 1Die hole ich mir an anderer Stelle.

Via Twitter bin ich mit so großartigen Menschen befreundet, dass ich sie knutschen wollte (selbstverständlich mit Maske!)

Meine Frau und ich verbringen gerade mehr Abende miteinander, als je zuvor in unserer Ehe. Wir reden, planen, lachen, diskutieren, sind dankbar. Wir steuern schnurstracks auf unseren 18. Hochzeitstag zu und gedenken den Weg dahin zu zelebrieren. Gerade gibt es abends keine Arbeit, keinen Computer, keinen Fernseher. Nur uns.

Wenn ich demnächst endlich an unserer Terrasse weiterbauen kann, will ich mit den Kindern eine Zeitkapsel darunter vergraben. Und – eine entsetzlich tragischen Inspiration sei Dank  – weiß ich auch schon, was ich hineintun werde: Eine lange Audioaufnahme für meine Kinder.

Den restlichen Tag heute verbringe ich damit, das selbstgebaute Minecraft-Labyrinth meiner mittleren Tochter zu bestaunen. Damit, die jüngste in den Schlaf zu wiegen. Und mit der ältesten heute Abend Borussia Dortmund anzufeuern und zu verfluchen.

Aber gerade bin ich zu müde, um den Stimmen aus und über Politik, Wut, Schule, Corona, Digitalisierung und Querdenker noch länger zuzuhören.

Ich brauche mehr Lieblingsmenschen.


Nachtrag: Der Titel dieses Artikels lautete ursprünglich: „Der Einfluss „toxischer Menschen“ auf mich.“ Aber ich mag diesen Stimmen nicht einmal Platz im Titel einräumen.

6 Gedanken zu „Lieblingsmenschen.“

  1. Moin!
    Das mit den Lieblingsmenschen geht mir sehr ähnlich. Auch ich habe mich in den vergangenen Monaten von einigen Menschen getrennt, die mir mit ihrem Geschwätz alle Energie raubten. Gerade jetzt braucht man doch alle Energie, derer man habhaft werden kann.
    Alles Gute, Dir und Deinen Lieblingsmenschen!
    Ulrike

  2. Nehme ich gerne als Anregung auf.
    Danke für die Anregung und den auf mich angenehm wirkenden Text.

    Ich nehme mit, lese für mich da heraus:

    Niemand ist gezwungen, mit allen im Kontakt zu sein / zu bleiben.

    Und möchte selbst auch mehr darauf achten, auf einer geklärten, wohlwollenden Basis zu diskutieren
    und wenn alle Beteiligten dazu Kraft und Bereitschaft haben.

  3. Lieber Jan-Martin Klinge! Ich finde Deinen Blog sensationell gut geschrieben und exzellent informiert. Ich lese ihn immer wieder, obwohl ich Dir in ganz vielen Punkten fundamental widerspreche. Wir hatten ja ein paar fast direkte Erfahrungen, bei denen sich dies schon gezeigt hat. Die will ich jetzt aber nicht anführen, weil wir wahrscheinlich schon in der Wahrnehmung der jeweiligen Situation meilenweit auseinanderliegen. Nur ein Stichwort in Frageform dazu: Ist es nun ein „Überfall im Klassenzimmer“, wenn ein Journalist bei einem Lehrer anruft? Oder ist es schlicht Recherche, die zu seiner Aufklärungspflicht gehört, und bei der er gar nicht wissen kann, wo der Lehrer sich gerade befindet?

    Diesmal hast Du mir sogar angeboten, einen Gegenpost zu schreiben. Das finde ich toll, schaffe es aber grad nicht. Nur einen Kommentar gebe ich ab, der vielleicht illustriert, was der Unterschied zwischen Deiner und meiner Haltung ist. Du schmeißt Leute aus Deiner Timeline, Deinem Telenfonbuch, ja, aus Deinem Leben, weil sie Dir widersprechen (eine andere Meinung als Du haben, „toxisch sind“). Ich habe nun beim Lesen der Tweets auf Deinen Beitrag hier gemerkt: ich folge einigen/vielen der Leute, die Dir hier so euphorisch zustimmen, schon seit einiger Zeit nicht mehr. Und das obwohl ich sie zum Teil sogar persönlich kenne, mit ihnen gut zusammengearbeitet habe und sie face-to-face – sehr! – schätze. Warum habe ich das getan? Weil ich ihre Tweets als Jasagerei ansah, als bloß affirmierende Re-Tweeterei, als Jubelperserei der Digitalisierung, die niemandem etwas bringt. In meinen Augen. Kurz: ich schmeiße diese Leute aus meiner Timeline, weil sie zu wenig widersprechen.

    Und noch ein bisschen Hintergrund und eine Bemerkung, die ich auf Twitter gemacht habe und die man eigentlich gründlicher ausführen müsste; jeder, der die verlinkten Texte liest, wird aber verstehen, wie giftig und gefährlich Jasagerei (Non-Toxizität) werden kann. @ciffi-Tweet: „ finds wichtig, toxisch klarer zu bekommen. So wie Klinge (& Du* öfter) formuliert, ists das #Kahl‘sche**‚Aber ist nicht erlaubt’. Und exakt dieses Bewegungsteflon kann schnell toxisch werden – für Schutzbefohlene. Weil keiner mehr fragen kann: ‚Hey, was machst’n Du da eigentlich?ˋ“
    * Claudia Holitzki https://twitter.com/ClaudiaHolitzki/status/1383045141070512128?s=20
    ** Reinhard Kahl, der David Hamilton der Schulfilmerei, fordert in seinen Veranstaltungen stets auf, nicht „aber“ zu sagen, nicht über Föderalismus, Geld oder Lehrer zu schimpfen, sondern positiv nach vorne zu denken.
    *** https://taz.de/Schul-Konzepte/!5194569/
    **** https://taz.de/!5113540/

    1. Lieber Christian Füller,
      Das lasse ich gerne stehen und kann auch damit leben. Nur in einem Detail möchte ich dir widersprechen: mir geht es nicht um Leute, die mir widersprechen oder die andere Meinungen haben, sondern um Leute die giftig sind. Die ihre Meinung auf – für mich – verletzende, vorwurfsvolle oder herablassende Art kommunizieren („Der Empfänger bestimmt die Botschaft.“).

  4. Pingback: Corona positiv trotz Impfung: Ablauf & Verlauf - Halbtagsblog

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