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Feedback einholen (ist Quatsch)

Feedback einholen gehört nicht nur zum guten Ton, es bringt einen auch weiter. Das habe ich zumindest lange Zeit gedacht, aber mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher.

In meinem Arbeitsleben in der Schule gibt es im Grunde vier verschiedene Situationen, in denen ich in der ein oder anderen Art mit Feedback in Kontakt komme.

Feedback des eigenen Unterrichts

FeedbackIch bemühe mich zu den Lehrkräften zu hören, die eine möglichst flache Hierarchie pflegen. Ich erkläre mein Handeln und frage immer wieder nach Veränderungswünschen oder Unklarheiten. Ich bemühe mich um Transparenz. Hin und wieder spiegeln mir Einzelne, wenn sie mit meinem Unterricht besonders zufrieden sind oder (selten), wenn sie sich von mir ungerecht behandelt fühlen. Mein ältester Artikel, der sich konkret mit Unterrichtsfeedback beschäftigt ist über 6 Jahre alt.

Feedback habe ich schon über ernsthafte Umfragen und erheiternde Bögen eingeholt, meist aber im direkten Gespräch.

Feedback innerhalb der Schulleitung1

Innerhalb der Arbeit unserer Schulleitung pflegen wir einen ständigen Austausch. Ideen und Entscheidungen werden diskutiert und kontinuierlich ausgewertet. Immer wieder schüttelt einer aus dem Team mit dem Kopf und weist auf Denkfehler oder Fettnäpfchen hin.

Feedback erfolgt hier auf Basis von Vertrauen im direkten Austausch.

Feedback als Teilgeber

Rund ein halbes Dutzend mal im Jahr reise ich als Referent umher und halte Vorträge. Im Unterschied zum Unterricht fehlt hier die Beziehungsebene, dafür ist die Erwartung an einen gut strukturierten Vortrag und der Verlangen nach neuen Erkenntnissen höher. Mein Anspruch ist stets, nicht die Lebenszeit der Zuhörer zu verschwenden.

Feedback als Teilnehmer

Immer wieder bin ich auch Teilnehmer von Fortbildungen. Die Bandbreite erstreckt sich über Vorträge und Workshops zu meinen Unterrichtsfächern, zu pädagogischem Handeln, überschulischen Skills oder dienstlichen Angelegenheiten.

Feedback beschränkt sich am Ende des Tages auf das Ausfüllen eines Zettels.

Kritik an den Feedback-Methoden

Als Lehrkraft bilde ich mir ein, dass meine Schüler:innen um meine Objektivität wissen. Sie können mir vor den Latz knallen, was ihnen missfällt ohne eine Replik auf dem Zeugnis befürchten zu müssen.

Wenn mich Schüler:innen zur Seite nehmen und ernsthaft Kritik äußern („Herr Klinge, ich habe das Gefühl, Sie bewerten mich härter als die anderen!“), empfinde ich das als Bestätigung dieser Empfindung.

Ob das die Mehrheit der Schüler auch so sieht? Mehr und mehr zweifle ich daran.

Als Teilnehmer durfte ich schon an hervorstechenden Fortbildungen teilnehmen – im positiven wie im negativen. Unvergessen ein zweistündiger Vortrag über Lehrergesundheit, mit so starkem Dialekt vorgetragen, dass nicht nur ich kaum ein Wort verstand. Oder jene langatmige PowerPoint über die Bedeutung von Sprache („Das ist zu klein, oder? Macht nichts. Ich lese Ihnen das einfach vor!“), bei der man keine einzige der vielbeschrifteten Folien lesen konnte.

Seit einigen Jahren ist es Usus, die Ergebnisse via App abzufragen und direkt mit dem Auditorium zu teilen. Edkimo erlaubt Wortwolken, Mentimeter eine direkte Bewertung der Session und SurveyMonkey geht das Ganze von der Kundenberatung an. Der ermöglicht interessante Einblicke.

Zum Nachdenken bringt mich jedoch, dass die Ergebnisse immer gleich sind – egal wie aufwändig oder schrecklich die Fortbildung ist: „inspirierend“ „hat mich zum nachdenken gebracht“ „toll“.

Immer. Egal ob ich Referent bin (was meinem Ego schmeichelt) oder Teilnehmer bei einer unfassbar langweiligen Fortbildung.

Selbst der vierstündige Vortrag über „Was ist guter Unterricht?“  vor einigen Jahren wurde positiv bewertet. Und ich habe in den Gesichtern der Leute gesehen, wie sie das wirklich fanden.

Feedback wird ganz stark beeinflusst von einer Hierarchie. Lehrer & Schüler. Lehrer & Lehramtsanwärter. Ministerium & Schulleitung. Schulleitung & Kollegium. In vielen Situationen ist Feedback höflich, nicht ehrlich.

Ich frage mich schon länger, wie ich zielführendes Feedback einholen kann, wenn es keine Beziehungsebene gibt und/oder ein Hierarchiegefälle besteht.

Eine Variante wäre der übertrieben großartige Feedbackbogen, den ich einmal in einem Hotel sah: Spaltenweise übertriebenes Lob, bis auf den letzten Punkt, der zu Kritik einlädt.

Feedback einholen (ist Quatsch) 1

Alternativ könnte man das ganze umdrehen und haufenweise negative Adjektive aufführen, um den Teilnehmern eher die Möglichkeit zu geben, Kritik zu äußern: „nix neues“, „ermüdend“, „könnt ich besser“…

Ich komme auf keinen grünen Zweig. Feedback einholen ist Quatsch, denke ich manchmal. Die Ergebnisse sind doch total verlogen.

Feedback in meinen Mathekursen, die ich seit Jahren führe und mehrmals die Woche sehe fällt sicher anders aus, als in Physik, obwohl ich der gleiche Lehrer bin. Je nach Jahrgangsstufe und Unterrichtsinhalt sind meine Technikkurse voll des Lobes oder Bedauern insgeheim, nicht Hauswirtschaft gewählt zu haben.
Im schlechtesten Fall wird das Feedback „höflich“ sein, aber nicht ehrlich.

Schwierig. Ich habe keine Antwort und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger klar erscheint mir eine Lösung.

Über Kritik, Kommentare und Anregungen freue ich mich. Aber bitte ehrlich. 😉


1: Nicht vergessen, aber bewusst an dieser Stelle weggelassen: Feedback der Schulleitung durch das Kollegium einfordern. Ist vielleicht mal einen längeren Artikel an anderer Stelle wert.

6 Gedanken zu „Feedback einholen (ist Quatsch)“

  1. Dein Beitrag hat mich total inspiriert .
    Im Ernst: Ich erlebe das nur teilweise ähnlich: als Referent erlebe ich es dann, wenn tatsächlich nur wenig Zeit für Feedback ist und das z.B. per App oder ähnlicher Methoden eingeholt wird. Wenn ich bei einer ganztägigen Fortbildung am Ende um 5 min Feedback am PC bitte, nehmen sich viele die Zeit und schreiben differenziert.
    Im Unterricht bekomme ich durchaus differenzierte Rückmeldungen, da plane ich aber meist tatsächlich Unterrichtszeit dafür ein, weil die Schüler:innen das zu Hause (a) zu 50% gar nicht machen und (b) zu einem erheblichen weiteren Anteil sehr knapp und oberflächlich. Offenbar wird es nicht als lohnende Beschäftigung zu Hause gesehen, dem Lehrer differenzietes Feedback zu geben. Im Unterricht hingegen nutzt man die gegebene Zeit gerne .

  2. Danke für den Beitrag. Zunächst einmal stimme ich dir zu, dass Feedback oftmals nur höflich ist und selten ehrlich. Ich studiere jetzt seit einigen Jahren an der Ruhr-Universität in Bochum Lehramt mit den Fächern Deutsch und Mathe. Die Seminare und Vorlesungen sind teilweise eine totale Katastrophe. Feedback wird hier nur zwangsweise eingefordert (weil die Uni es verlangt, nicht weil die Professor*innen oder Seminarleiter*innen ihren Outcome verbessern wollen). Und das merkt man auch. Aber es ist nicht überall so: Ich hatte eine Seminar zu Rhetorik. Und da war der Seminarleiter zwar knallhart, aber die Message war eindeutig: Gebt euch untereinander ehrliches Feedback. Das hat zwar gedauert, aber es hat funktioniert, weil alle es wollten. Seit einigen Monaten bin ich im studentischen Verein Kreidestaub aktiv. Dort gehört Feedback zur Vereinsmentalität. Keine Veranstaltung ohne Feedback im Anschluss. Der Unterschied hier: Man merkt, dass die Leute wirklich Feedback wollen und nicht nur aus Höflichkeit danach fragen. Auch mein Feedback, dass ich im Praxissemester bekommen habe war ehrlich und hilfreich. Ich wollte es aber auch unbedingt und die Ausbildungslehrkräfte wollten es auch.

    Ich persönlich glaube, Feedback macht nur Sinn, wenn beide etwas Positives daraus gewinnen können. Dh. Wenn sowohl der Feedbackempfangende als auch der Feedbackgebende das Feedback als sinnvoll und zukunftsverbessernd wahrnehmen. Ich habe als Teilnehmende oft auch nur höffliches Feedback gegeben. Meist, weil ich nicht das Gefühl hatte, ehrliches Feedback sei erwünscht. Gelegentlich, war es mir schlichtweg zu anstrengend und wozu auch, wenn man die Person nie wieder sieht. Oft auch, weil ein Abhängigkeitsverhältnis bestand. Letzteres kann man durch Anonymisierung ganz gut aus dem Weg gehen. Aber SuS werden nur dann Feedback geben, wenn sie es auch umgesetzt sehen. Das ist jedoch ein langsamer Prozess. Und die meisten Lehrkräfte, die ich so erlebt habe bisher, wollen auch gar kein ehrliches Feedback. Sonst müssten sie ja was ändern.

    Die Frage ist also, wie wir Feedback insgesamt in unserer Gesellschaft etablieren können und welchen Beitrag Schule dazu leisten kann. Das fängt schon in der Lehrkräfteausbildung an. Feedback ist eine Form der Kooperation. Aber das gesamtes Studium lang wird man eher zum Einzelkämpfer ausgebildet. Sinnstiftende Gruppenarbeiten: Fehlanzeige. Wie sollen SuS denn Feedback geben lernen, wenn es Ihnen von Lehrkräften kaum vorgelebt wird? Ich finde, man kann von Ihnen nichts verlangen, was gesamtgesellschaftlich noch nicht mal vorhanden ist. Alles was man als gute Lehrkraft tun kann, ist, es Ihnen vorzuleben. Mit genügend Vertrauen, bekommt man dann auch vlt mal ehrliches Feedback. Auf mehr, wage ich gar nicht zu hoffen.

  3. Ich gebe in Oberstufenkursen (und teilweise auch in schon in Stufe 8 oder 9) zum Jahresende meistens einen Evaluationsbogen aus, mit einer Reihe von Aussagen zum Bewerten auf einer 1-bis-5-Skala und zwei Feldern für freie Antworten (hat mir gefallen/nicht gefallen). Die Skalenergebnisse sind meistens in der Tat positiv mit wenig Nuancen und mir von daher weit weniger wichtig als die freien Antworten, aus denen ich tatsächlich schon manches für spätere Schuljahre mitgenommen habe. Wichtig ist mir, immer zu kommunizieren dass die Bewertung anonym erfolgt (ich schaue auch demonstrativ zum Fenster raus und mache etwas Aufhebens darum, die zurückgegebenen Bögen verdeckt zu mischen). Zu bedenken ist natürlich auch immer, dass Jugendliche ihre ganz eigenen Bewertungsmaßstäbe anlegen.

    Neben den freien Antworten ist meiner Erfahrung nach der stärkste positive Effekt, dass die Schülerschaft es begrüßt mich bewerten zu KÖNNEN. Das baut auf und erleichtert es in späteren Schuljahren, mit Problemen oder Kritik zu mir zu kommen.

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