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Gedanken über Unterricht

Diese Woche habe ich mit meinem „Arbeitslehre Technik“-Kurs im Rahmen des Themas „Bautechnik“ Beton angemischt. Beton ist eine Mischung aus dem Klebstoff „Zement“ und einem Zuschlag, bestehend aus Sand und oder Kies und Wasser. Auf der Baustelle passiert das in einem Betonmischer. Die Frage ist: Welches ist eigentlich das optimale Mischungsverhältnis?

Unterrichtlich führt das zu einer spannenden, didaktischen Fragestellung.

Das optimale Mischungsverhältnis für Beton kann man sich in dreißig Sekunden ergooglen. Es lautet 1:4. Antwort gefunden. Ins Heft aufschreiben. Weiter geht’s.

Alternativ lässt sich die Antwort in einem aufwändigen Experiment auch erforschen: Dazu muss man eine Verschalung bauen, also eine Hülle, in die man den Beton gießen kann. Anschließend Zement, Sand und Kies kaufen, mischen und die verschiedenen Mischungen (1:1, 1:2, 1:3, …) ein paar Tage trocknen lassen. Dann noch Belastungsexperimente. Sehr aufwändig und materialintensiv. Mindestens 4 Schulstunden.

Dreißig Sekunden.

Wie sinnvoll ist das?

Eine Herausforderung des Lehrerberufes ist es, genau diese Entscheidung treffen und begründen zu können. Geht es nur um die Information? Oder gibt es noch eine Vielzahl von „weichen“, schwer zu messenden Kompetenzen, die es zu erlernen gilt? Wenn in der kommenden Woche bei uns die neuen Lehramtsanwärter*innen beginnen, ist das ein wesentlicher Bestandteil des Ausbildungsprozesses.

Beton mischen im Unterricht

Ich habe mich an dieser Stelle für das Experiment entschieden. Denn die eigentliche Information („Welches Mischungsverhältnis erzeugt den stabilsten Beton?“) ist für mich eher nebensächlich – das lässt sich tatsächlich besser googlen.

Es sind die weichen Kompetenzen, um die es mir geht:
Es geht um die Analyse eines Sachproblems („Wie könnten wir das herausfinden?“) und die Fähigkeit, die Idee auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. Beim Bau der Verschalung wiederholen wir noch einmal den Umgang mit Holz. Wir sägen, schleifen und verkleben. Wir beschäftigen uns ganze nebenbei mit gesundheitlichen Aspekten und Sicherheitshinweisen („Wieso ist Zement ätzend?“) und üben darüber hinaus Teamwork, Kommunikation und Verantwortung.

Die Hoffnung guten Unterrichts ist einerseits, dass sich diese Kompetenzen auf andere Fachbereiche übertragen lassen. Wer im Unterricht ein Sachproblem sinnvoll analysieren kann, schafft dies auch später im Leben.

Ehrlicherweise ist auch ein zweiter Aspekt von Bedeutung: Mit der Truppe im Keller zu werken, zu diskutieren und viel zu Lachen ist wichtig. Für die Kinder und für mich. Besonders das Lachen. Ich nehme mir bewusst die Zeit, diesen Sachverhalt sehr entspannt anzugehen. Die Schüler haben genug Druck und Stress durch Corona, die Hauptfächer und das Erwachsenwerden per se ist auch nicht ohne.

Gerne hätte ich diese Zeit auch in anderen Fächern: In Physik einmal wirklich tiefgründig und über mehrere Stunden erforschen, wie man die Entfernung zum Mond bestimmen kann (ich bin ein Anhänger Martin Wagenscheins). In Mathematik einmal wochenlang über Sachverhalten grübeln (obwohl – dazu erzähle ich nächste Woche noch was Spannendes).

Aber: Jedes „Ja“ für eine Sache bedeutet auch immer ein „Nein“ für etwas anderes. Das nagt im Hinterkopf.

Aber nur wenig: Arbeitslehre Technik ist gerade ein Wohlfühl-Kurs.

Zu wenig Zeit gerade zum Erzählen: Gestern in Bielefeld am Mac Planck-Gymnasium eine Fortbildung zum Thema „Aufbau einer Tabletschule“ gehalten. Ich glaube ganz gut – aber ich traue meinem eigenen Urteilsvermögen diesbezüglich nicht; oft genug habe ich in entsetzlichen Fortbildungen gesessen, bei denen auf dem Smartphone in der letzten Reihe Olympia geguckt wurde und die Redner hinterher ganz überzeugt waren, ihr Publikum gefesselt zu haben.

Außerdem fliesen & verputzen wir gerade den gesamten Keller. Eine entsetzliche Arbeit – aber notwendig, damit uns das Haus nicht irgendwann zusammenfällt. Unter der Woche zahlreiche Gespräche geführt und gestern Abend noch mit der Elternpflegschaft über unsere Schulentwicklung konferiert. Dazu fällt mir ein: Der Schulleiter Thomas Kuban führt in seinem Blog eine zehnteilige Reihe zu „Warum ich es bereue, Schulleiter geworden zu sein“ und ich denke, das ist unbedingt lesenswert. Nicht zur Abschreckung, sondern Bewusstwerdung. Das ist schon ein Knochenjob und ich bin ja nur ein kleiner Teil eines ganzen Schulleitungsteams.

Nächste Woche bin ich dann in meiner Rolle als Fraktionsmitglied gefragt und im Schulausschuss meines Kreises tätig. Freue mich drauf – bin allerdings auch dankbar, dass diese Termine eher selten sind. Mehr geht gerade nicht. Während meiner Wanderung letzte Woche habe ich darüber nachgedacht, dass ich – sparsam gelebt – vielleicht auch mit Blog & Büchern ganz gut über die Runden käme – aber so schlimm ist es dann doch nicht.

Apropos Bücher: (jetzt kommt der Werbeteil)


Ideen und Methoden für das Fach Arbeitslehre

Gedanken über Unterricht 1
Mehr Ideen für das Fach „Arbeitslehre Technik“ gibt es in meinem Buch „Ideen und Methoden für das Fach Arbeitslehre“ und noch viel mehr zu Zement, Beton, Mörtel, Dämmung & Co in meinem Buch „Bautechnik für die Sekundarstufe 1„.

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