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[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich…

Seit einer Woche läuft in NRW der Unterricht wieder und ich bin mit gemischten Gefühlen in den Unterricht gestartet. Mir scheint, dass die Sache endgültig auf eine Durchseuchung hinausläuft: Angeordneten Distanzunterricht wird es vermutlich nicht mehr geben.

Augen zu und durch?

[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich... 1Immer wieder muss ich mich selbst daran erinnern, wie beschränkt mein eigener Horizont ist: Aktuelle Daten aus den USA geben Grund zur Hoffnung, dass Omikron nicht so gefährlich ist, wie befürchtet. Die Fallzahlen in England scheinen auf ähnliches hinauszulaufen. Andererseits gibt es einfach viele, viele Menschen ohne jeden Immunschutz. Einfach zu sagen: „Augen zu und durch – und hinterher kehren wir die Scherben zusammen“ erscheint mir falsch. Da muss es bessere Wege geben.

Über Luftfilter verfügen wir jedenfalls nicht – dafür wird eisig gelüftet. An Schüler in Mütze, Jacke, Schal und Maske im Unterricht werde ich mich wohl nie gewöhnen.

Obwohl wir eine vierzügige Gesamtschule sind, lassen sich die positiven Tests in dieser Woche an einer Hand abzählen. Böse Stimmen munkeln, das läge an den unzuverlässigen Tests – aber das glaube ich nicht. Meine Schule ist wundersamerweise seit Beginn der Pandemie ein Hort der Glückseligkeit. Selten, dass wir wirklich einmal großflächige Ausfälle hatten.

Gründe zur Freude 1: Mündliche Prüfungen in der 10.

Entgegen meiner Befürchtungen ging mir die Woche leicht von der Hand. Zunächst einmal, weil sich viele Kinder gefreut haben, mich zu sehen. Das fröhliche „Hallo, Herr Klinge!“ im Gang, wenn man zufällig Schüler*innen begegnet gehört für mich zu den wirklichen Schätzen des Berufs. Wie oft begegnet uns als Erwachsenen schon jemand, der sich aufrichtig freut, uns zu sehen?

Besondere Highlights diese Woche waren die mündlichen Prüfungen bei den 10ern diese Woche. Als Vorbereitung auf die Zentralen Abschlussprüfungen und eingedenk der unsicheren Lage haben wir eine der Klassenarbeiten in eine mündliche Prüfung umgewandelt (hier Details dazu).

Dazu ein paar schnarchige Details für alle Freunde der Rechtskunde: Weil mündliche Prüfungen leicht mal auf rechtlich wackligen Beinen stehen, gibt es vom Land NRW ein Kompetenzraster für solche Prüfungen (Link). Dieses Raster bezieht sich natürlich auf Prüfungen in Fremdsprachen, wo so etwas seit Jahren üblich ist. Für Mathematik gibt es sowas nicht.

In den Ferien hat meine Chefin dazu ein detailliertes „Bewertungsraster für Mündliche Kommunikationsprüfungen“ für das Fach Mathematik erstellt – analog zum oben verlinkten Französisch Beispiel. Mega! Dadurch ist eine Vergleichbarkeit und Dokumentation der einzelnen Prüfungen gewährleistet und es gibt – auch hypothetisch – hinterher wenig Anlass zur Sorge.

[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich... 2Eine echte Freude waren aber die Prüfungen selbst: Ich hatte die Freude, mit einer Lehramtsanwärterin heute den gesamten Kurs prüfen zu dürfen und die recherchierten eigenen Lebenspläne und Ideen waren famos. Mehr als einmal brachen wir hinten in Gelächter aus. Es wurde mit Exceltabellen und Darstellungen jongliert. Im Gedächtnis geblieben ist das grafische Fazit eines Schülers über sein Leben, bei dem die Kosten für das protzige Auto in einem Kreisdiagramm 90% der Fläche ausmachten. „Joa, das funktioniert halt nicht wie ich mir das vorgestellt habe. Und ich hätte eine Idee, wo ich etwas ändern könnte. Sie auch, Herr Klinge?“

Auch wenn die Schüler*innen im Vorfeld sehr nervös gewesen sind, mag ich mündliche Prüfungen sehr. Gut vorbereiteten Prüflingen eine positive Atmosphäre zu bieten, sich gegenseitig Bälle zuzuwerfen und den Jugendlichen die Chance zu geben, ihr Wissen und ihre Arbeit zu präsentieren. Das hat schon richtig Spaß gemacht.

Gründe zur Freude 2: Neues Thema in der 7

[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich... 3Nur eine Frühstückspause nach meiner Klassenarbeit in der 7 habe ich einige der Schüler*innen in meinem Mathelernbüro wiedergetroffen. Ohne auch nur eine Miene zu verziehen, haben sie auf ihren Tablets die nächste Einheit geöffnet und sich in die Prozentrechnung eingearbeitet. Hier und da mal eine Frage gestellt und ansonsten konzentriert gelernt.

Das ist für mich unfassbar stark: Keine Einführungsstunde, keine Erklärungen – sondern eigenverantwortliches Lernen. Für diese Kinder – 12 oder 13 Jahre alt – bin ich im Grunde überflüssig geworden. Hilfskarten, Erklärvideos und einfache Aufgaben zum Einstieg. Sie brauchen mich vielleicht noch für Rückfragen – aber als Instruktor oder Antreiber vorne an der Tafel braucht es mich nicht. Diese Erkenntnis feiere ich mehr als alles andere. Genau das ist meine Grundintention bei der Arbeit mit meinen Lerntheken. Ich kann jetzt meinen Hut nehmen!

5 Minuten Schulleitung1: Organisation

[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich... 4Während vordergründig Unterricht läuft, arbeiten wir als Schulleitung im Hintergrund unermüdlich am kommenden Halbjahr und dem Aufbau unserer Oberstufe.

Was macht die Sache kompliziert?

Kollege X hat ein bestimmtes Stundenkontingent. Schon jetzt ist klar, dass er x1 Stunden Fachunterricht und x2 Stunden Beratung haben wird, außerdem mindestens x3 Stunden in den Lernbüros sein muss – z.B. weil es nur wenige Physiker*innen gibt.
Nun lassen wir die Schüler Werkstätten wählen. Je nachdem, ob die Werkstätten von Kollege X gar nicht, einmal oder mehrfach angewählt werden, ändert sich sein Stundenkontingent. Werden seine Werkstätten gar nicht angewählt, kann er mehr Fachunterricht machen – dadurch wird Kollegin Y frei und könnte ihre Werkstätten durchführen. Nun meldet sich Kollegin Y aber aus familiären Gründen ab – und Corona bedeutet: Von jetzt auf gleich.
Das wirft die gesamte Planung über den Haufen, denn der Ersatz für Kollegin Y hat eine andere Fächerkombination. Kollege Z hat übrigens reduziert und einen freien Tag, d.h. das Werkstattband 4 in der Jahrgangsstufe 5 und 6 kann nicht Montags stattfinden.

Das ganze nun gedacht für 70 Kolleg*innen. Das Puzzle wird kompliziert.
Einen kleinen Einblick in die Arbeit in unseren Lernbüros, warum wir uns als Schule für diesen Weg entschieden haben; wie die Lernbüros aussehen und was sich an Unterricht & Lernen & Lehren verändert; Und wie man so eine komplexe, vielfältige Auswahl an Lernzeiten organisiert, gebe ich in einer Online-Fortbildung in zwei Wochen. Die kostenlose Anmeldung findet man hier.

Ausblick

Die nächsten fünf Wochen werden wahnsinnig anstrengend und ich habe mir ein kleines Bett in meinem Büro aufgebaut, weil sich das Heimfahren gar nicht mehr lohnt. Die Anmeldung der neuen 5er und die Vorbereitung auf die Oberstufe stehen an, Zeugniskonferenzen und die Planung der kommenden Werkstätten. Die 5er und 6er wählen neue AGs und nebenher läuft mein Unterricht weiter und will auch anständig vorbereitet werden.

Aber – und das scheint mir das Wichtigste gerade – ich gehe unglaublich gerne zur Arbeit. Immer noch und trotzdem.


1: Bedauerlicherweise ist dies der letzte Artikel aus der Reihe „5 Minuten Schulleitung“. Den Titel habe ich mir vom Kollegen Thomas Kuban geliehen, ihn achtsam verwahrt (den Titel, nicht den Kollegen) und gebe ihn nun wieder zurück in die Hände, aus denen er entsprang. Besten Dank!

Ein Gedanke zu „[5 Minuten Schulleitung] Eine Woche unterrichten, lüften und organisieren und ich…“

  1. Ein Bett im Büro?! Echt jetzt?! Möchte ich schreiben und erwische mich dann dabei, dass es anmaßend ist, dir zu raten die Arbeit auch mal Arbeit sein zu lassen und kurz durchzuschnaufen (ob das mit drei Kindern zu Hause möglich ist, ist die Frage, vielleicht deshalb das Bett im Büro ;-))
    Also frage ich lieber: Wo machst du dich frisch? Gibt es etwa funktionierende Duschen in der Sporthalle?
    Außerdem: Danke für den Tipp zur Fortbildung über eure Lernbüros, das klingt interessant!
    Halte die nächsten Wochen die Ohren steif, schön, dass du dir trotz allem immer Zeit nimmst uns interessante Impulse zu geben.
    Grüße Christina

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