Viele erfolgreiche Karrieren laufen über Netzwerke. Oft etwas abfällig als „Vitamin-B“ bezeichnet, ist damit gemeint, dass manche Menschen nur aufgrund Ihrer Beziehungen in bestimmte Positionen gelangt sind. Nüchtern betrachtet ist das durchaus nachvollziehbar: Suche ich einen Systemadministrator, frage ich in meinem Bekanntenkreis nach, ob wer jemanden kennt und empfiehlt. Will ich mein Haus verkaufen, dauert es nicht lang, bis über Freunde von Freunden die ersten Anfragen im Postfach liegen, noch bevor das Haus auf dem Markt ist.
Erst gestern Nachmittag habe ich auf einer Konferenz über unsere digitale Schulentwicklung gesprochen und dabei Ideen und Kontakte in alle Richtungen gestreut und gesammelt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Ich bin wirklich schlecht darin, in Netzwerken präsent zu sein. Ich habe mal in einem der überregionalen Kompetenz-Teams in NRW mitgearbeitet – aber die Arbeitsgruppe nach einem Jahr wieder verlassen. Ich engagiere mich politisch und sitze als Vertreter der Grünen im Schulausschuss meines Kreises – aber darüber hinaus tue ich mich schwer damit, Kontakte zu knüpfen, zu „netzwerken“.
Eines der größten Netzwerke, in denen ich aktiv bin, ist das Online-Lehrerzimmer von Twitter. Unter dem Hashtag #twlz können User ihre Beiträge kennzeichnen und werden so von anderen Lehrkräften gefunden. Oft genug sind das inspirierende Ideen und Projekte, die mich meinen Unterricht ein Stück weit neu ausrichten lassen: Eine Sammlung von Physikprojekten hier, diese gigantische Sammlung von Hilfen für ukrainische Schüler*innen habe ich zuerst auf Twitter gefunden und auch jene Karte von Afrika aus alten Computerteilen will ich unbedingt einmal selbst machen. Hunderte von Lehrkräften aus ganz Deutschland sind da mehr oder weniger vernetzt – man folgt, wem man mag und ignoriert den Rest.
Vor etlichen Monaten entstand die Planung, sich einmal außerhalb von Twitter zu treffen, möglichst zentral, damit alle Teilnehmenden eine etwa gleich lange Anreise haben. Dieses Treffen findet dieses Wochenende in Kassel statt.
Nach einem kräftezehrenden Gespräch diese Woche (was mich wieder darin bestärkt, toxische Menschen aus meinem Leben zu verbannen) freue ich mich wahnsinnig auf dieses Wochenende. Wenn ich in vielen Jahren zurückblicke, dann werde ich mich nicht an dieses Gespräch erinnern – sondern hoffentlich an die vergnüglichen Begegnungen, Gelächter und wertschätzenden Austausch.
Ich freue mich sehr. Aber ich bin schlecht im Netzwerken.
Zu meinen ausgeprägtesten Fähigkeiten gehört das Vergessen von Namen im gleichen Augenblick, da er ausgesprochen wurde. Auch Gesichter kann ich mir nicht merken. Gar nicht. Ich habe vor einigen Jahren tatsächlich einmal im Kindergarten dem falschen Kind die Jacke meiner Tochter übergestülpt („Herr Klinge, was tun Sie da? Ihre Tochter ist doch da hinten…“).
Etwa siebeneinhalbtausend Follower habe ich auf Twitter und der Hashtag wird von rund ebenso vielen Menschen genutzt (Quelle). Natürlich werden nicht alle kommen (ich bin ja nicht doof!) – vier Leute haben schon abgesagt.
Bleiben eine Menge Namen zu lernen.
Vor einigen Jahren hat Kollege Rau ein Lehrerblogger-Quartett erstellt, an dessen Vorlage ich mich gestern Abend bedient habe. In eifriger Kleinarbeit habe ich von all meinen 7496 Followern, die womöglich kommen, kleine Merkkarten erstellt mit Namen, Schulform, Bild und lustigstem Tweet und bis tief in die Nacht laminiert.
Laminieren muss sein – ich arbeite an einer Schule.
Nun heißt es: Vokabeln pauken, damit ich zumindest den ein oder anderen Namen hinbekomme (dämlich genug, dass ich sogar die Karte von mir selbst erstellt habe).
Auf Partys gehöre ich zu denen, die sich angeregt mit dem Ficus in der Ecke unterhalten. Ich bin schlecht im Smalltalk und schüchtern. Die Chance ist groß, dass ich zwei Tage zwischen Hotelzimmer und Bar pendle.
Aber die Hoffnung liegt auf zwei Tagen Austausch, Wertschätzung und Groupie-Dasein. Denn tatsächlich bin ich wirklich aufgeregt, dem ein oder anderen Gesicht einmal in echt zu begegnen. Menschen, die man jetzt seit Jahren mehr oder weniger liest und sich hier und da ausgetauscht hat.
Nach dem KQ-Team und meiner politischen Arbeit ist das vielleicht endlich jenes unverbindliche Netzwerk, indem ich jemand wie ich gut aufgehoben ist.