Ein aufregendes und in weiten Teilen anstrengendes Jahr geht zu Ende.
Rückblick: Schulleitung
Beruflich sind wir im zweiten Jahr unseres Schulkonzepts und mittlerweile (so empfinde ich es zumindest) ist ein wenig Routine eingekehrt. Lehrkräfte wie Kinder bewegen sich zielsicherer im System und können die maximale Individualisierung zum eigenen Vorteil ausnutzen. An allen Ecken und Enden muss noch gefeilt und verbessert werden – aber den Zustand „fertig“ gibt es in Schule auch nicht. Es wird immer Veränderung brauchen.
In Fakten gesprochen: Zu Beginn jeder Schulwoche hat jedes Kind unserer Schule 20.000 Möglichkeiten, seinen Stundenplan für die kommende Woche zu gestalten. Es bei uns keine zwei Kinder, die in ihrer Schullaufbahn exakt den gleichen Stundenplan haben. Begleitet von intensiver Beratung führt das bei vielen zu einer völlig anderen Wahrnehmung von Schule. Im kommenden Jahr werden wir neben vielen anderen Angeboten auch wieder „Klettern“ als Fach anbieten – mein persönliches Highlight, bei dem ich einfach gerne Teilnehmer wäre.
Heute hat unsere Oberstufe der gesamten Abteilung 1 ein selbst erdachtes Weihnachts-Theaterstück präsentiert. Kinder, die freiwillig bis abends um 18 Uhr in der Schule sitzen, Texte lernen und Bühnenbilder bauen – sowas muss man einfach lieben. Es sind ehrlicherweise diese Aktionen, die jahrelang im Gedächtnis bleiben – und nicht der Physikunterricht. Die dreihundert 5er, 6er und 7er haben überaus leise und konzentriert zugehört, applaudiert und die Vorstellung genossen. Das war in der Qualität am letzten, aufgedrehten Tag vor den Ferien nicht unbedingt zu erwarten.
Rückblick: Klassenleitung
Auch meine fünfte Klasse habe ich heute in die Ferien verabschiedet. Ich habe ihnen verboten, etwas für Mathematik zu machen – einziger Auftrag ist ‚Erholung‘, ‚Spaß haben‘, ‚Ferien genießen‘. Und vielleicht, allerhöchstens, zwischendurch mal die Englisch-Vokabeln angucken. Weil man in den Sprachen so schnell abgehängt ist.
Zur Weihnachtsfeier gab es Plätzchen und wichteln (niemand hat sein Geschenk vergessen!) und ich habe die Klasse vor Wochen schon in drei Gruppen geteilt. Arbeitsauftrag: Jede Gruppe sollte eine weihnachtliche Kurzgeschichte in ein Theaterstück umwandeln. Das war unglaublich lustig und für alle Kinder ein Highlight. Zu gerne würde ich Fotos davon mit euch teilen: Die kleinen angeklebten Schnurrbärte. Die Verkleidungen. Das Gelächter.
Mit Erlaubnis der Klasse habe ich den Spaß gefilmt: Die Aufnahme wandert in den Tresor und wird in fünf Jahren mit Überreichung der Abschlusszeugnisse ausgehändigt. Auf den Spaß freuen sie sich jetzt schon.
Als Beitrag zur Feier musste ich dafür meinen wirklich furchtbaren Star Trek Weihnachtspullover anziehen. Der ist nicht nur außergewöhnlich hässlich und sechs Nummern zu groß (auf dem Bild trage ich einen Hoodie unter dem Pullover), er besteht auch aus einem künstlichen Material, dass beim kleinsten Funken in einer gewaltigen Stichflamme vergeht und von mir nicht viel mehr als ein Häuflein Asche übrig ließe.
Bewundert habe ich im Klassenraum die wunderbaren Märchenboxen, die meine Kinder im Fach Deutsch gebastelt haben. Wie viel Liebe und Geduld in diesen kleinen Projekten drin steckt, kann man bei Anblick ermessen.
Viele weitere, teils ungenannte Highlights gab es in diesem Jahr. Mit meiner Co habe ich das Lehrerpult rausgeworfen und eine kreisförmige Sitzordnung etabliert. Und: Ich liebe es. Nie. Mehr. Anders.
Rückblick: Sonstiger Schulkram
Ganz vorne mit dabei: Das Treffen des Twitter-Lehrerzimmers im Frühjahr und ein Selfie mit Bob Blume, Maik Riecken und Thomas Rau. In den zwei Tagen habe ich wirklich viele, außergewöhnlich nette Menschen kennengelernt. Im Herbst durfte ich nach Liechtenstein reisen und Peter Hilti besuchen.
Rückblick: Familie
Auch privat bleibt 2022 in Erinnerungen. Meine älteste Tochter macht den Führerschein. Die mittlere Tochter beginnt mit Reisen und Übernachtungen bei Freunden und die Jüngste entdeckt den freien Willen. Es ist anstrengend und ich genieße jeden einzelnen Tag. Letzte Woche habe wir den insgesamt 27. Kindergeburtstag in diesem Haus gefeiert.
Nach vielen Jahren habe ich keine Hühner mehr. Habicht und Fuchs haben zugeschlagen. Bin aber nicht böse: Ich nutze die Pause, um das Haus im Frühjahr auf Vordermann zu bringen.
Rückblick: Projekte
Endlich habe ich wieder andere Schulen besuchen und Vorträge vor echten Menschen halten dürfen. Bei aller Liebe zur Technik – vor richtigen Menschen zu sprechen, mit Reaktionen zu spielen und Humor zu arbeiten ist vielfach wunderbarer. Das würde ich eigentlich gerne noch viel öfter machen, aber dazu müsste ich wohl meine Stelle reduzieren. Eine berufliche Alternative? Reizen würde mich das schon.
In dem Zusammenhang: Eine Hochschule hat mich angefragt, im kommenden Wintersemester vier „Vorlesungen“ (Seminareinheiten) zur „Physik von Hollywood“ zu halten. Ich bin sooo versucht, das zu machen, habe aber gleichzeitig enormen Respekt vor der Aufgabe: Mein Anspruch ist schon, dass niemand da rausgeht und denkt: „Jo, die Zeit hätte ich besser anders investiert.“
Vier mal über Filmphysik zu sprechen ist einfach. Vier mal gut über Filmphysik zu sprechen ist eine Herausforderung. Eine Zukunft an der Hochschule als Dozent? Hach. Auch eine spannende Alternative.
Darüber hinaus macht mir meine (bescheidene) politische Karriere weiterhin sehr viel Freude, wenn ich sie auch nicht in der Intensität verfolgen kann, wie ich es gerne hätte. Dazu hat der Tag zu wenig Stunden. Aber Lust hätte ich zwischendurch sehr.
Auch andere Projekte werden gerade eher nachlässig behandelt. Das ärgert mich – aber noch nicht so sehr, dass ich daran etwas ändern will. Gerne würde ich mehr schreiben. Amazon berichtet mir, dass ich mittlerweile knapp vierzehntausend Bücher verkauft habe: Sach- und Fachbücher und Romane.
Ich finde, da darf man sich schon Autor nennen, ohne rot zu werden. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Aussage des (gigantischen) Penguin Random House Verlags, nach der die Hälfte aller von ihnen jährlich publizierten Bücher weniger als ein Dutzend mal verkauft worden sind. Ehrlich gesagt: Autor, das wäre das meine liebste berufliche Zukunft in einem alternativen Leben. Aber so gut bin ich vermutlich nicht, davon leben zu können. Nicht mit drei Kindern.
Trotzdem: Vierzehntausend verkaufte Exemplare sind ein Grund zum Feiern – und wenn du noch leichten Lesestoff für die Ferien suchst: Während der Weihnachtstage gibt es meinen Roman „Apfelkuchen im Spätsommer“ als eBook kostenlos als Weihnachtsgeschenk: Klick.
Frohes Lesen.
Frohes Lesen eines aktuellen Bestsellers, haha:
Ich selbst freue mich auf ein paar ruhige Tage. Weihnachtsfilme (ohne Physik) und Kekse. Fahrradfahren wenn möglich und Besuch von der Familie. Heimlich schreibe ich an einem weiteren Roman – aber es ist viel zu früh, dass an dieser Stelle zuzugeben.
Allen Mitlesenden bis hierhin vielen Dank für die Zeit, das unermüdliche Kommentieren und frohe Weihnachten. 🙂
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