Ich bin ein Freund von möglichst großer Mitbestimmung im Unterricht. Konkret: Ich frage neue Klassen immer, welche Erwartungen sie an den Kurs und mich als Lehrer haben. Was ist ihnen wichtig? Worauf hoffen sie? Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erlaube ich den Schülerinnen und Schülern, Unterricht aktiv zu gestalten.
Mit meinen 5ern klappt das ganz gut. Ende nächster Woche schreiben wir eine Klassenarbeit und die Kinder haben heute jeweils in Partnerarbeit eigene „Klassenarbeiten“ erstellt. Die wurden von mir eingesammelt und werden in der nächsten Stunde dann willkürlich berechnet. Dabei werden (hoffentlich) jene Themenbereiche identifiziert, die dem ein oder anderen noch Schwierigkeiten bereiten. Aber: Die Kinder sind immer wieder dabei, Einfluss auf den Unterricht zu nehmen. Ob ich vorne stehe oder mich zurückhalte, Inhalte vorgebe oder – wie heute – sie die Ideen selbst entwickeln lasse. Sie dürfen mitbestimmen.
Zum ersten Mal heute habe ich einen Mittelstufenkurs im Fach Technik gehabt. Zu Beginn die Frage, welche Erwartungen sie an den Kurs haben, damit der ein wirklich toller Kurs würde. Drei, vier Ideen wurden vorgebracht. „Etwas basteln“, „mehr Praxis als Theorie“. Alles ziemlich vage und vorsichtig.
Im Nachgang die Frage an die Schülerinnen und Schüler, was sie denn glaubten, was meine Erwartungen an den Kurs seien.
„Leise sein“, „konzentriert arbeiten“, „Werkzeuge wegräumen“, bam-bam-bam. Ein Ding nach dem nächsten. Niemand hat ein Problem, meine unausgesprochenen Anforderungen zu formulieren. Als wäre man im Gefängnis: Alle Regeln sind bekannt. Alle Anforderungen sind bekannt. Was passiert, wenn man sich nicht dran hält, ist bekannt.
Eine Atmosphäre des Schreckens.
Furchtbar.
Ich möchte so nicht arbeiten. Am Anfang des Jahres kann ich das akzeptieren: Respekt vor dem Fach; vielleicht hatte der ein oder andere schonmal ein unangenehmes Gespräch mit mir.
Aber ehrlicherweise macht es mich traurig: Diesen Kindern fehlt die Fantasie oder die Erfahrung oder das Vertrauen (in sich selbst oder mich), Unterricht positiv zu denken. Eine positive Erwartungshaltung zu formulieren.
Oder anders: Ein weiteres (kleines) Arbeitsfeld für mich. Bis zum Sommer wird dieser Kurs nicht nur die Grundlagen von Werkzeugkunde und technischem Zeichnen erlernt und eine Werkzeugkiste gebaut haben, sondern hoffentlich auch ein Verständnis dafür entwickelt, was sie von Unterricht erwarten und einfordern dürfen.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht mit dem Kurs
Werde davon berichten 🙂
(Ahem. „Weiter geht mit dem Kurs!“)