Ich bin ein ziemlich strukturierter Mensch. Viele Punkte meiner ToDo-Liste landen direkt im Kalender, damit sie auch wirklich erledigt werden. Stumpfe und redundante Tätigkeiten versuche ich elegant und mit minimalem Energieaufwand zu bewältigen. Vor den Ferien hatte ich mir vorgenommen, mein zwölfmonatiges MasterClass-Abonnement intensiv zur Fortbildung zu nutzen. MasterClass ist eine Art Online-Video-Kurs von großen Künstlern (z.B. Bill Clinton, Hans Zimmer, Margaret Atwood, Shonda Rhymes, Serena Williams, Neil deGrasse Tyson, uvm), die Normalos wie mir über Stunden erklären, wie sie arbeiten. Genau das richtige Ferienprogramm! Nur… ich spreche von den Herbstferien letzten Jahres. Da bin ich leider krank geworden. Corona Runde zwei. Nächster Anlauf waren die Weihnachtsferien – aber auch da kam für die Seele notwendiges Prokrastinieren dazwischen. Ostern! Ostern auf jeden Fall.
Das wäre jetzt.
Pünktlich meldet sich mein Smartphone und informiert mich einerseits darüber, dass es allen möglichen Apps, die seit Monaten nicht mehr gestartet wurden, jegliche Rechte entzogen hat und schlägt mir außerdem vor, diese doch direkt zu löschen. Darunter – genau – MasterClass.
Mich plagt das schlechte Gewissen: Obwohl im Angebot, war der Kurs im Jahresabo nicht eben billig. Und zuletzt reingesehen habe ich im… puhh… September? Tatsächlich hat mein Chef Recht behalten: „Du wirst enttäuscht werden.“
Ich bin ent-täuscht. Nicht über die Qualität der Videos: Ich unterlag der charmanten Täuschung, dass monodirektionale Instruktionen von großen Künstlern mich inspirieren würden, mir vielleicht eine Struktur an die Hand geben könnten, mich zu verbessern. Aber das stimmt nicht – so sehr ich es mir auch gewünscht habe. Ich wurde ent-täuscht. Kaum eines der Videos war wirklich hilfreich, hat mir echte Erkenntnisse bereitet – wenn ich auch zugeben muss, dass der Mathematiker Terence Tao (mit einem IQ zwischen 220 und 230; hier ein Trailer seines Kurses) die Figur der autistischen Chrissy Despera in meinem zweiten Roman geprägt hat. Spannend seine Denkweise zu verstehen, seine Stimme und Körpersprache zu beobachten. Aber ich bin ehrlicherweise kein besserer Mathematiker geworden.
Ich habe in den letzten Tagen – vom schlechten Gewissen geplagt – länger darüber nachgedacht und bin zu der Erkenntnis gekommen: Es ist wie in der Schule. Schreiben lernt man nur vom Schreiben – nicht vom gucken. Meine Schülys lernen genauso wenig Mathematik, wenn sie mir an der Tafel zusehen wie ich ein besserer Autor werde, wenn ich James Patterson zuhöre.
Schreiben lernt man nur vom Schreiben.
Und das ist der Grund, warum ich auch in diesen Ferien kein weiteres MasterClass-Video ansehe, sondern Blogartikel verfasse. Ich schreibe einfach gern.