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„Wir streiken! WIR STREI-KEN!“

"Wir streiken! WIR STREI-KEN!" 1„Kein Unterricht! Wir streiken! WIR STREI-KEN!“, ruft mir meine fünfte Klasse vielstimmig entgegen.
Wir sitzen im Stuhlkreis (ich habe ja kein Lehrerpult mehr) und besprechen Organisatorisches. „Herr Klinge, sie haben uns eine neue Sitzordnung versprochen! Bis das passiert, streiken wir!“

„Lehrer“ zu sein heißt oft, Lehrpläne zu erfüllen und Inhalte zu vermitteln. Aber die wahren Perlen liegen oft in solchen Gelegenheiten: Mit den Kindern ins Leben einzutauchen, sich zu reiben und in neue Bereiche vorzustoßen.

Zwei Optionen bieten sich mir an:
Ich kann den Wunsch der Kinder wegwischen und meinen Fachinhalt durchziehen: Die nächste Mathearbeit kommt und nicht wenige können jede Stunde brauchen.
Oder ich gebe dem Wunsch nach, wir ändern die Sitzordnung und machen dann weiter.

Beides diskutiere ich zunächst in Ruhe mit der Klasse. „Habt ihr eigentlich ein Recht auf streiken?“ Argumente werden ausgetauscht. Die Schulpflicht gegen Mitbestimmungsrecht abgewogen. Wir sprechen über Fridays for Future. Jemand wirft ein, dass, wenn ich jetzt nachgäbe, die Klasse ständig streiken würden, um jeden Wunsch durchzudrücken.

Eine ganz, ganz spannende Stunde entsteht, der es auch um den Respekt der Schülerinnen und Schüler vor mir geht: Ignoriere ich ihre Wünsche oder nehme ich sie ernst? Solche Stunden lassen sich nur schwer in Vergleichsarbeiten oder Prüfungen messen. Es gibt keine messbaren Erkenntnisgewinne.  Und doch halte ich solche Erfahrungen für die Kinder für eminent auf dem Weg zum „mündigen Bürger“.

Wer mittels Streik seinen Wunsch durchsetzt, will am Ende auch Verantwortung tragen. Will Schule nicht einfach „geschehen lassen“, sondern mitgestalten. Ich liebe meine Klasse dafür.


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2 Gedanken zu „„Wir streiken! WIR STREI-KEN!““

  1. Zur Fussnote: Mein Eindruck ist ein anderer. Seit es Tools gibt, die mehrere Feeds zusammen fassen können, hat es in meinen Augen ein Revival gegeben. Von daher wäre ich froh, wenn der Feed bleibt. Mails kriege ich nämlich mehr als genug …

    1. Der Feed bleibt in jedem Fall!
      Ich denke nur manchmal, die Anzahl der Menschen, die mir RSS noch etwas anfangen können, tendiert gegen 0.

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