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Eins, zwei, drei: Hochzeitstag.

„Ich frage mich, wie viele Leute sich eines Tages, wenn Sie nicht mehr unter uns sind, von Herzen wünschen würden, noch einen Tag länger mit Ihnen reden zu dürfen.“

Eins: Ich erkläre euch hiermit…

Ich bin kein Fan von Partys und fühle mich in großen, angeheiterten Menschenmengen unwohl. Gerne bewege ich mich an den Rand, halte stumm Konversation mit mir selbst oder denke nach. Im oberflächlichen SmallTalk bin ich schlecht. Ein Außenseiter in sozialen Gefügen. Ein Klingone im Star Wars Universum.
In meiner Lieblings-Science-Fiction-Serie (und der einzigen Serie, die ich aktuell überhaupt gucke) unterhielten sich zuletzt zwei Charaktere. Der eine bat den anderen, von einer Überraschungs-Geburtstagsparty abzusehen und verwies darauf, dass er seinen Geburtstag lieber ein Einsamkeit in einer Fischerhütte mit einer Flasche Whiskey und der Erinnerung an vergangene Zeiten verbringen wolle.
Ja, denke ich, das entspricht mir.
Wenigstens einmal im Jahr wandere ich in Einsamkeit durch Wälder. Genieße Ruhe, Erinnerung, Wehmut und Kontemplation – zuletzt Anfang dieses Jahres, als ich durch das Siebengebirge gewandert bin. Für mich sind das immer auch Tage der Trauer und des Abschieds und gleichzeitig des Neuanfangs. Was gäbe ich dafür, nochmal einen Nachmittag mit jenen zu verbringen, die für immer gegangen sind.

Doch die Szene geht weiter.
„Ich frage mich“, fragt der andere, „wie viele Leute sich eines Tages, wenn Sie nicht mehr unter uns sind, von Herzen wünschen würden, noch einen Tag länger mit Ihnen reden zu dürfen.“

Und ja.
Eines Tages werden meine Kinder und meine Freunde über mich so denken, wie ich es heute tue: „Was gäbe ich dafür, noch einmal einen Nachmittag gemeinsam zu verbringen?“

Ich liebe Star Trek so, weil es mir neben bunter Unterhaltung und leichter, populärwissenschaftlicher Kost („die Heisenberg-Kompensatoren sind ausgefallen!„) immer wieder auch vors Schienbein tritt: Was ist richtig? Was falsch? Welche Werte habe ich eigentlich?

Und ja: Was ist mir denn wichtig?

Zwei: …zu Mann und Frau…

Meine Frau und ich haben am Wochenende unseren 20. Hochzeitstag gefeiert. Gefeiert.
Meinen Geburtstag beachte ich kaum und wenn man mich nach meinem Alter fragt, bin ich mir oft unsicher. Aber unsere Hochzeitstage feiern wir dafür umso mehr: Und nach zwanzig Jahren hat man fast die Hälfte seines Lebens miteinander verbracht. Das darf durchaus zelebriert werden. Eine von den Partys, die man nur alle paar Jahre einmal feiert. Mit alten und neuen Freunden, mit meiner gewachsenen Familie und meiner Berufsfamilie, mit Freunden aus dem Dorf und Freunden aus dem Nachbarhaus.
Kurz: Mit allen, die uns gerade wichtig sind.

Während ich in den letzten Tagen vormittags in der Schule war und so tat, als würde ich arbeiten, wurde im Hause Klinge geräumt, gekocht und geputzt. Eine tiefe Leidenschaft meiner Frau ist wirklich gutes Kochen – ich kann kaum ermessen, wie qualvoll es zwischendurch sein muss, mit einem Cretin wie mir verheiratet zu sein: Alles mit Nudeln finde ich toll – darüber hinaus werde ich skeptisch. Für meine Frau ist kochen dagegen eine Kunst – ich schrieb darüber.
Ein paar Eindrücke:

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Ich kann nicht einmal aussprechen, was da alles steht.

Es sind die großen Familien- und Freundesfeste meiner Kindheit, an die ich mich lebhaft erinnern kann und ich wage zu behaupten, dass dieses Fest auch meinen Töchtern im Kopf bleiben wird. Entsprechend haben wir sie mit einbezogen. Ins Kochen und vorbereiten, ins Räumen und planen. Allein dies, die eigenen Kinder so begeistert zu sehen, war pures Glück.
Nachmittags konnten wir das gute Wetter genießen und Garten und Terasse nutzen. Gegen Abend wurde es immer wieder mal nass und wir haben uns ins Haus verzogen. Jede Sekunde, bis tief in die Nacht, habe ich genossen. Gelacht, gegessen, Anteil genommen.

Eins, zwei, drei: Hochzeitstag. 4

 

Wir haben explizit alle Kinder miteingeladen, die wild durch Haus und Hof gepest und Abenteuer erlebt haben. Für das ein oder andere Kind war die Anwesenheit unseres Hundewelpen allein schon alles Glück der Welt. „Darf ich den streicheln?“ Darf ich den gleich abtrocknen?“

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Noch nie hat der Hund soviel Liebe erfahren, wie gestern durch viele Kinderhände.

Drei: …bis das der Tod euch scheidet.

Vor wenigen Tagen gab es in meinem weiteren Bekanntenkreis einen tragischen Todesfall. Enes Cakir, ein Schüler meiner ehemaligen Schule ist, wenige Tage, nachdem er sein Abschlusszeugnis in die Hand gedrückt bekam und voller Begeisterung ins Berufsleben starten wollte, gestorben. Den Jungen selbst habe ich vor Jahren vielleicht mal in einer Vertretungsstunde unterrichtet, aber wir haben im März noch beruflich mit seinen Eltern zu tun gehabt und haben auch vor wenigen Wochen mit ihm gesprochen: Bei ihrer Bäckerei haben wir das ein oder andere für unser Fest gestern bestellt.

20 Jahre verheiratet. Mit 17 Jahren gestorben.
Welche Dinge sind mir wichtig? Wie viel Lebenszeit räume ich schlechten Momenten, blöden Bemerkungen, negativen Menschen ein? Wie viel Macht dürfen toxische Dinge in meinem Leben haben? Was sollte mir eigentlich egal sein?

Enes hatte den Traum, die Welt zum Guten zu verändern und seine Eltern wollen posthum einen seiner Pläne umsetzen und einen Trinkwasserbrunnen in Nigeria bauen: https://gofund.me/e61e8574
Was ist mir wertvoll im Leben?

Ein neue Schuljahr startet.
Meine älteste Tochter, mittlerweile auch 17, sucht nach Studienorten und plant ein neues Leben. Die Zeit rast an uns vorbei, rinnt wie Sand durch die Hände. Und gestern haben wir gefeiert.

Eines Tages werde ich zurückblicken und vieles dafür geben, noch einmal einen solchen Abend erleben zu dürfen.

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4 Gedanken zu „Eins, zwei, drei: Hochzeitstag.“

  1. „Meinen Geburtstag beachte ich kaum und wenn man mich nach meinem Alter fragt, bin ich mir oft unsicher.“

    Das ist auch so ein Phänomen: Als Kind bzw. als Jugendlicher weiß man sein Alter stets genau! Klar, jedes weitere Lebensjahr ist ein weiterer großer Schritt in Richtung Erwachsenwerden.

    Wenn man hingegen erwachsen ist, macht es eigentlich keinen großen Unterschied mehr, ob man nun 39 oder 41 oder 44 Jahre alt ist. Und dementsprechend merkt man sich sein Alter auch nicht mehr so genau.

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